Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerhinterziehung bei unberechtigten Steuererstattungen an sich selbst veranlassenden Finanzbeamten. Haftungsbescheiden vom 09.08.2002 (HaL.-Nr. ….7/01-03 A…., HaL.-Nr. ….8/01-03 unter dem Namen B…. handelnde Person)

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Finanzbeamter begeht keine Steuerhinterziehung, wenn er unter bewusster Ausschaltung der Willensbildung der entscheidungsbefugten Bediensteten des FA die EDV-Anlage dergestalt manipuliert, dass letztendlich unberechtigte Erstattungsbeträge ausgezahlt werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 370 Abs. 1 Nrn. 1-2, §§ 71, 191 Abs. 1 S. 1, § 235

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.10.2005; Aktenzeichen VII R 10/04)

 

Tenor

Die Haftungsbescheide vom 09.08.2002 (HaL.-Nr. ….7/01-03 – A…., HaL.-Nr. ….8/01-03 – unter dem Namen B…. handelnde Person) und die Einspruchsentscheidungen vom 13.11.2002 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss:

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Der Zeuge C…. (früher D….) wurde ab April 1992 bei dem Beklagten als Sachbearbeiter für einen selbständigen Veranlagungsbezirk eingesetzt. Ihm oblag die steuerliche Veranlagung von Einzelunternehmen. In der Zeit von April 1992 bis Mai 1994 fingierte er insgesamt fünf Steuerkonten, unter anderem für einen „A…i (A…) und für eine „B….”. Zu Gunsten des ersten Steuerkontos veranlasste er in der Folge Erstattungen in Höhe von insgesamt 509.385,00 DM und zugunsten des zweiten Steuerkontos in Höhe von insgesamt 169.852,00 DM.

Das Landgericht L… verurteilte den Zeugen C…. am 19. Januar 1995 (Az.: 2. KLs …/94) wegen Untreue in insgesamt 22 Fällen rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren.

In der Folgezeit klagte die Staatsanwaltschaft L… den Kläger wegen Beihilfe zu den Taten des Zeugen C…. an. Dabei ging sie von folgendem Ergebnis der Ermittlungen aus: Für die unberechtigten Steuererstattungen habe der Zeuge C…. Bankkonten benötigt, deren Eröffnung sich jedoch wegen der von den Banken in diesem Zusammenhang vorgenommenen Identitätsprüfungen zunehmend als schwierig erwiesen habe. Daraufhin habe der Zeuge C…. den Kläger, mit dem er seit Realschulzeiten befreundet gewesen sei, angesprochen und ihm den Vorschlag unterbreitet, die Steuererstattungen auf ein von dem Kläger zu errichtendes Konto zu überweisen und die Beträge hälftig zu teilen. Dabei habe der Zeuge C…. den Kläger über die wahre Herkunft der Gelder – unberechtigte Steuererstattungen – aufgeklärt. Der Kläger, der kein Konto auf seinen eigenen Namen habe eröffnen wollen, habe daraufhin zunächst den Zeugen A…. angesprochen, von dem er gewusst habe, dass dieser gerade eine Ausbildung an einer Hotelfachschule absolviere und deswegen nur über geringe Einnahme verfüge. Gegenüber dem Zeugen A…. habe er angegeben, dass ein Bekannter ein Konto für eine Firma benötige, und ihm für die Errichtung des Kontos eine 10%ige Beteiligung angeboten. A…. sei damit einverstanden gewesen und habe dann mit Wirkung zum 01.06.1992 bei der Vereins- und Westbank M… ein Konto auf seinen, A….s, Namen eröffnet. Die übersandten Kontoeröffnungspapiere und Scheckformulare habe A…. dem Kläger übergeben, der dem ehemaligen Finanzbeamten C…. die Bankverbindung daraufhin telefonisch mitgeteilt habe. In der Folgezeit seien die Steuererstattungen auf das Konto überwiesen worden. Vor jeder Einzelüberweisung habe der ehemalige Finanzbeamte C…. dem Kläger den angewiesenen Betrag telefonisch mitgeteilt. Zudem sei verabredet worden, welche Beträge der Kläger jeweils von diesem Konto an C…. zu überweisen habe. Dies seien im Jahr 1993 insgesamt 60.000,00 DM gewesen. Dabei habe nicht festgestellt werden können, ob der Kläger von dem Zeugen A…. blanko unterzeichnete Überweisungsträger verwendet oder die Unterschrift A….s auf den Überweisungsträgern gefälscht habe.

Am 22. April 1993 habe der Zeuge E… als Versicherungsmakler einen zugunsten der X.. Versicherung auf den Namen A…. ausgestellten Scheck vom selben Tage in Höhe von 229.000 DM bei der Sparkasse N… eingereicht, der am 27. April 1993 bei der Vereins- und Westbank M… eingegangen sei. Der Kontoinhaber A…., der zwischenzeitlich selbst abredewidrig erhebliche Geldbeträge von dem Konto abgehoben gehabt habe, habe diesen Scheck jedoch sperren lassen, um über den zu diesem Zeitpunkt auf dem Konto noch vorhandenen Restbetrag selbst verfügen zu können. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen C…. und A…. sei nie zustande gekommen.

Nachdem sich der Zeuge A…. mit dem abredewidrig abgehobenen Geld ins Ausland abgesetzt habe, seien C…. und der Kläger übereingekommen, am 11. Juni 1993 bei der Sparkasse O… ein weiteres Konto...

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