Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg für die Einsichtnahme in die Steuerakten rechtskräftig abgeschlossener Veranlagungszeiträume. Gewährung von Akteneinsicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Einsichtnahme in Steuerakten einer aufgelösten Gesellschaft, die rechtskräftig und unanfechtbar abgeschlossene Veranlagungszeiträume betreffen, ist keine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO. Die aus der Einsichtnahme gewonnenen Erkenntnisse können keine Verwendung im Zusammenhang mit der Verwaltung der Abgaben (mehr) finden.

2. Haben die Finanzbehörden die Ablehnung der Akteneinsicht mit allgemein anerkannten und angewendeten verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen begründet, die ihre Grundlage jedenfalls nicht speziell im Bereich abgabenrechtlicher Vorschriften haben, so handelt es sich auch nicht um eine Angelegenheit, die im Sinne des § 33 Abs. 2 FGO „sonst mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden” zusammenhängt.

3. Bei dieser Sachlage ist für ein Klageverfahren betreffend die Einsichtnahme in Steuerakten nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben.

 

Normenkette

GVG § 17a Abs. 2; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1; VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, §§ 45, 52

 

Tenor

Die gegen das Finanzamt N. gerichtete Klage wird abgetrennt und erhält das Aktenzeichen 1 K 677/05.

Der Rechtsweg zum Finanzgericht ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger zu 2. ist Hauptgesellschafter der Klägerin zu 1., war früher auch deren Geschäftsführer und erhielt für dieses Verfahren eine Vertretungsvollmacht der übrigen Gesellschafter. Der Kläger zu 2. gewährte der Klägerin zu 1. in den Jahren 1993, 1994 und 1996 Gesellschafterdarlehen in Höhe von insgesamt 8,3 Millionen DM.

Im Jahre 1997 wies das Amtsgericht M… den Antrag der Klägerin zu 1. auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Im Oktober 1997 wurde die Auflösung der Klägerin zu 1. im Handelsregister eingetragen. Seitdem befindet sie sich in Liquidation.

Die Klägerin zu 1. plante nach Abschluss von Verträgen mit der Treuhandanstalt, mit hohem Investitionsvolumen das ehemalige Glaswerk und das ehemalige Klinkerwerk in Großräschen zu sanieren und fortzuführen. Im August 1993 trat die Treuhandanstalt jedoch von dem Vertrag zurück. Nach dem Scheitern dieses „Vorprojektes”, wie es die Klägerin zu 1. nennt, beabsichtigte sie, die geplanten Investitionen stattdessen in Form eines „Realprojektes” zur Errichtung eines KeraGlas-Werks fortzuführen. Sie schloss deswegen u.a. mit der Y. Institut Dr. A. für Technologie und Umwelt GmbH und mit der Z. Technologie GmbH Dr. A. entsprechende Verträge. Nach ihrem Vorbringen schaffte sie zur Vorbereitung dieses Projekts schon ein Spezialmodul zur Herstellung von Glasschaumschotter an.

Durch Bescheid vom 30.09.1994 setzte das damals zuständig gewesene Finanzamt O… die Umsatzsteuer für Februar 1994 auf – 834.338 DM fest und erstattete den Betrag aufgrund einer Abtretung an das Finanzamt Rosenheim zur Verrechnung mit Steuerschulden der Z.. Technologie GmbH Dr. A. Der später vom Finanzamt N. gegen die Z.. Technologie GmbH Dr. A. erlassene Rückforderungsbescheid wurde vom Finanzgericht des Landes Brandenburg durch Urteil vom 23.04.2002 4 K 2585/99 aufgehoben. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamt N. wies der Bundesfinanzhof durch Beschluss vom 21.07.2003 VII B 387/02 zurück.

Im Jahre 1994 führte das Finanzamt O… eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung betreffend die Prüfungszeiträume März bis Dezember 1992, Januar bis Dezember 1993 und Januar und Februar 1994 durch. Über diese Prüfung wurde der Bericht vom 01.12.1994 geschrieben. Die Prüfer gelangten „nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen und nach den sich darstellenden Gegebenheiten” zu dem Schluss, die Klägerin zu 1. sei im Hinblick auf die Errichtung eines KeraGlas-Werkes und dessen Produktion keine Unternehmerin im Sinne des § 2 UmsatzsteuergesetzUStG –. Allerdings habe sich die Klägerin zu 1. zusätzlich mit Abriss- und Aufräumarbeiten sowie Schrottverkäufen befasst. Insoweit lägen steuerbare und steuerpflichtige Leistungen vor, für die der Abzug eines Teils der geltend gemachten Vorsteuern zu gewähren sei.

Gegen die aufgrund der Prüfungsfeststellungen ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1995 legte die Klägerin zu 1. Einsprüche ein (der gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid Januar 1994 zuvor schon erhobenen Sprungklage 1 K 1705/95 U hatte das Finanzamt N. nicht zugestimmt) und vertrat dazu die Auffassung, ihre Unternehmereigenschaft müsse anerkannt werden. Diese Einsprüche wies das Finanzamt N. durch Einspruchsentscheidung vom 03.12.1996 ab. Die Entscheidung wurde nicht mit einer Klage angefochten.

Mit Verfügung vom 04.11.1999 wies das Finanzamt N. einen Antrag der Klägerin zu 1. auf Änderung oder Berichtigung der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1992 ...

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