Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Vermittlung von Krediten, Leistungen der Untervermittlung, Vermittlungsbegriff
Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger die Vermögenssituation von ihm akquirierter Kunden analysiert, um ihnen zu Krediten zu verhelfen, steht der Anerkennung einer von der Steuer befreiten Leistung der Vermittlung von Krediten im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage nicht entgegen, wenn die von diesem Steuerpflichtigen angebotene Leistung der Vermittlung von Krediten im Licht der vorstehenden Auslegungshinweise als die Hauptleistung anzusehen ist, zu der die Vermögensberatung eine Nebenleistung ist, so dass sie das steuerliche Schicksal der erstgenannten Leistung teilt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der Fall ist.
2. Der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger zu keiner der Parteien eines Kreditvertrags, zu dessen Abschluss er beigetragen hat, in einem Vertragsverhältnis steht und mit einer der Parteien nicht unmittelbar in Kontakt tritt, schließt nicht aus, dass dieser Steuerpflichtige eine von der Steuer befreite Leistung der Vermittlung von Krediten im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 erbringt.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
„Sechste Richtlinie ‐ Mehrwertsteuer ‐ Begriff Umsätze der Vermittlung von Krediten‘“
In der Rechtssache C-453/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht des Landes Brandenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Dezember 2005, in dem Verfahren
Volker Ludwig
gegen
Finanzamt Luckenwalde
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilešič und E. Levits (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Ludwig, vertreten durch Rechtsanwalt K. Landry,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch M. Apessos und Z. Chatzipavlou als Bevollmächtigte,
‐ der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J.-C. Gracia als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und W. Mölls als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) und insbesondere des dort verwendeten Begriffs der „Vermittlung von Krediten“.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Ludwig (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens), einem Vermögensberater, und dem Finanzamt Luckenwalde über dessen Weigerung, eine vom Kläger des Ausgangsverfahrens im ersten Quartal 2005 bezogene Provision in Höhe von netto 267 Euro von der Umsatzsteuer zu befreien.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Nach Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.
4
Art. 13 („Steuerbefreiungen im Inland“) sieht vor:
„…
B. Sonstige Steuerbefreiungen
Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
…
d) die folgenden Umsätze:
1. die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber,
…“
Nationales Recht
5
Die einschlägigen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes (BGBl. 1979 I, S. 1953) in seiner zum maßgeblichen Zeitpunkt anwendbaren Fassung lauten wie folgt:
„§ 1 Steuerbare Umsätze
(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausf...