Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchensteuerpflicht glaubensverschiedener Ehegatten. Halbteilungsgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Kirchensteuer bei glaubensverschiedenen Ehen in Bayern.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Art. 9, 10, 13 KiStG BY erweitern für Ehen, in denen nur ein Ehegatte einer steuererhebenden Gemeinschaft angehört, sog. glaubensverschiedene Ehen, die Kirchensteuerpflicht nicht auf den Ehegatten, der der steuererhebenden Gemeinschaft nicht angehört.

 

Normenkette

KiStG BY Art. 9; KiStG BY Art. 10; KiStG BY Art. 13; GG Art. 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München (Vorlegungsbeschluss vom 04.12.1958; Aktenzeichen III 219/58)

FG München (Vorlegungsbeschluss vom 26.03.1958; Aktenzeichen III 276/57)

 

Gründe

A. – I.

1. In Bayern ist Rechtsgrundlage für die Erhebung von Kirchensteuern das Gesetz über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften (Kirchensteuergesetz) vom 26. November 1954 (GVBl. S. 305) – KiStG –, zu dessen Vollzug die Ausführungsvorschriften vom 23. Dezember 1955 (GVBl. 1956 S. 4) ergangen sind.

Nach Art. 1 Abs. 1 KiStG sind die Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie weltanschauliche Gemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, berechtigt, Kirchensteuern zu erheben. Die Steuer kann nach Art. 1 Abs. 2 einzeln oder nebeneinander in Form von Kirchenumlagen als Kircheneinkommen- und Kirchenlohnsteuer nach dem Maßstab der Einkommensteuer, als Kirchengrundsteuer nach dem Maßstab der Grundsteuermeßbeträge und in Form von Kirchgeld erhoben werden. Schuldner der Kirchensteuern sind nach Art. 2 Abs. 1 die Angehörigen der in Art. 1 genannten (steuerberechtigten) Gemeinschaften.

Hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung von Kircheneinkommen- und Kirchenlohnsteuer bestimmt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KiStG:

(1) Umlagepflichtig sind die Angehörigen der in Art. 1 genannten Gemeinschaften, die in Bayern Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und mit einem Steuerbetrag zur Einkommensteuer veranlagt sind oder zu veranlagen wären, wenn die Steuer nicht durch Abzug vom Arbeitslohn zu entrichten wäre…

Die Entrichtung der Kircheneinkommensteuer bei Ehegatten, die nicht derselben Gemeinschaft angehören, ist in Art. 9 und 10 KiStG geregelt:

Art. 9

(1) Gehören umlagepflichtige Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verschiedenen umlageerhebenden Gemeinschaften an, so wird die Umlage für jede der beteiligten Gemeinschaften aus der Hälfte der Einkommensteuer erhoben.

(2) Gehört ein Ehegatte einer umlageerhebenden Gemeinschaft nicht an, so wird die Umlage für den anderen Ehegatten nur aus der Hälfte der Einkommensteuer erhoben.

Art. 10

Umlagepflichtige, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, sind für die Kircheneinkommensteuer Gesamtschuldner.

Zu Art. 10 bestimmen die Ausführungsvorschriften:

Im Fall der Gesamtschuldnerschaft der Ehegatten schuldet jeder Ehegatte die ganze Kircheneinkommensteuer, auch wenn ein Ehegatte einer umlageerhebenden Gemeinschaft nicht oder einer anderen umlageerhebenden Gemeinschaft angehört. Der gemeinschaftliche Steuerverband (Kirchensteueramt) kann die geschuldete Kircheneinkommensteuer von jedem Gesamtschuldner ganz oder zum Teil fordern.

Hinsichtlich der Kirchenlohnsteuer ordnet Art. 13 KiStG an:

(1) Die Umlagen zur Lohnsteuer werden im Weg des Abzugs vom Arbeitslohn erhoben.

(2) Der Arbeitgeber hat die Umlage für den umlagepflichtigen Arbeitnehmer bei jeder mit Lohnsteuerabzug verbundenen Lohnzahlung einzubehalten und mit der Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen, an das die Lohnsteuer zu entrichten ist.

(3) Art. 9 gilt entsprechend.

In den Ausführungsvorschriften heißt es hierzu:

Zu Artikel 13:

(4) Liegen bei dem Arbeitnehmer und seinem Ehegatten die persönlichen Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung der Ehegatten im Sinn des § 26 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes vor (vgl. zu Art. 9 Abs. 1), so gilt Art. 9 des Gesetzes entsprechend. Schuldner der ganzen Kirchenlohnsteuer ist der Arbeitnehmer.

2. Auf der Grundlage dieser staatlichen Vorschriften haben die steuerberechtigten Kirchen eigene Bestimmungen erlassen, in denen das Erhebungsverfahren und die Organisation der kirchlichen Steuerämter, die alle Kirchensteuern mit Ausnahme der Kirchenlohnsteuer einziehen und verwalten, geregelt sind.

II.

In dem Ausgangsverfahren des Normenkontrollverfahrens 1 BvL 16/58 hat das Finanzamt Kaufbeuren durch Haftungsbescheid einen lohnsteuerpflichtigen Ehemann, der Dissident ist, für die Kirchenlohnsteuer seiner evangelischen Frau gemäß Art. 13 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 KiStG aus der Hälfte der von ihm zu entrichtenden Lohnsteuer in Anspruch genommen; die Kirchenlohnsteuer der Ehefrau ist beim Jahreslohnsteuerausgleich gegen die Forderung des Ehemannes auf Rückerstattung überzahlter Lohnsteuer aufgerechnet worden.

In dem Ausgangsverfahren des Normenkontrollverfahrens 1 BvL 3/59 ist ein einkommensteuerpflichtiger Ehemann, der einer nichtsteuerberechtigten Religionsgemeinschaft angehört, durch Kirchensteuerbescheid des Katholischen Kirchensteueramtes Augsburg gemäß Art. 9 Abs. 2 und Art. 10 KiStG für die nach der Hälfte seines Einkommens bemessene Kircheneinkommensteuer seiner katholischen Ehefrau, mit der er bei der Einkommensteuer zusammen veranlagt wird, als umlagepflichtiger Gesamtschuldner herangezogen worden.

Das Finanzgericht München, bei dem in den beiden Verfahren die Berufungen gegen die Einspruchsentscheidungen anhängig sind, ist der Auffassung, daß die Art. 10 und 13 in Verbindung mit Art. 9 KiStG und die Ausführungsvorschriften zu Art. 9 und 10 KiStG mit Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 und 2 GG unvereinbar seien. Es hat gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Verfahren ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften einzuholen.

Das Kirchensteuergesetz stimme in seinem Inhalt und seinen Voraussetzungen vollkommen mit § 26 Abs. 1 EStG 1951 überein, den das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 17. Januar 1957 wegen Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG für nichtig erklärt habe. Nach dieser Entscheidung sei bei sämtlichen Steuerarten eine Schlechterstellung von Eheleuten gegenüber ledigen Einzelpersonen unzulässig. Es könne daher auch die gegenwärtige kirchensteuerliche Regelung nicht aufrechterhalten bleiben. An ihre Stelle müsse die getrennte Behandlung von Eheleuten auch bei der Kircheneinkommen- und Kirchenlohnsteuer unter Wegfall der gemeinsamen Haftung der Eheleute treten, die ihren Grund in der Ehe und in der aus dieser hergeleiteten gemeinsamen Veranlagung habe.

III.

Die Bayerische Staatsregierung ist den Verfahren 1 BvL 16/58 und 1 BvL 3/59, der Bayerische Landtag dem Verfahren 1 BvL 3/59 beigetreten. Die Beteiligten der Ausgangsverfahren haben sich den Ausführungen der Vorlage angeschlossen. Staatsregierung, Landtag sowie der Evangelisch-Lutherische Landeskirchenrat in München und die Bischöfliche Finanzkammer in Augsburg halten die zur Prüfung gestellten Bestimmungen mit dem Grundgesetz für vereinbar; gegen die Zulässigkeit der Vorlage sind von keiner Seite Bedenken erhoben worden.

B.

Die Vorlagen sind unzulässig, weil die zur Prüfung gestellten Bestimmungen des bayerischen Kirchensteuergesetzes nicht entscheidungserheblich und die ebenfalls zur Prüfung gestellten Ausführungsvorschriften zum Vollzug dieses Gesetzes kein förmliches Gesetz sind.

1. Nach den Bestimmungen des bayerischen Kirchensteuergesetzes sind nur die Angehörigen der steuererhebenden Gemeinschaften kirchensteuerpflichtig. Dies ergibt sich eindeutig aus Art. 2 Abs. 1 und für die Kircheneinkommen- und Kirchenlohnsteuer außerdem auch aus Art. 6 KiStG. Weder Art. 9 noch Art. 10 noch Art. 13 KiStG erweitern für Ehen, in denen nur ein Ehegatte einer steuererhebenden Gemeinschaft angehört (glaubensverschiedene Ehen), die Kirchensteuerpflicht auf den Ehegatten, der der steuererhebenden Gemeinschaft nicht angehört. Art. 10 begründet Gesamtschuldnerschaft nur zwischen „Umlagepflichtigen”, setzt also eine Kirchensteuerpflicht auf Grund der Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 voraus.

Art. 9 Abs. 2 regelt nicht die Kirchensteuerpflicht und auch nicht eine Haftung für Kirchensteuer, sondern ausschließlich die Bemessung der für den steuerpflichtigen Partner einer glaubensverschiedenen Ehe zu erhebenden Kirchensteuer. Art. 13 verweist für die Kirchenlohnsteuer in Abs. 3 lediglich auf Art. 9.

2. Auf die Gültigkeit der Art. 9 Abs. 1, Art. 10 und 13 des Kirchensteuergesetzes kommt es für die Entscheidung der Ausgangsverfahren nicht an, weil diese Vorschriften weder eine Kirchensteuerpflicht noch eine Haftung des keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehörenden Ehegatten begründen und es sich bei den Ausgangsverfahren gerade um die Heranziehung solcher Ehegatten handelt.

Auf die Verfassungsmäßigkeit des sog. Halbteilungsgrundsatzes (Art. 9 Abs. 2 KiStG) kommt es für die Entscheidung der Ausgangsverfahren ebenfalls nicht an; denn die Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes setzt im vorliegenden Falle voraus, daß eine Kirchensteuerpflicht des einer umlageerhebenden Gemeinschaft nicht angehörigen Ehegatten besteht. Dies ist aber nicht der Fall.

3. Zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der die glaubensverschiedenen Ehen behandelnden Ausführungsvorschriften zum Vollzug des Kirchensteuergesetzes, die das vorlegende Gericht ebenfalls verneint, ist das Bundesverfassungsgericht nicht zuständig. Diese Ausführungsvorschriften sind kein förmliches Gesetz, sondern eine Rechtsverordnung. Wenn ein Gericht aber eine Rechtsverordnung für verfassungswidrig hält, kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 1, 184 [189 ff.], 261 [262 f.]; 10, 55 [58]).

Die Frage, ob in einer glaubensverschiedenen Ehe der einer steuerberechtigten Religionsgemeinschaft nicht angehörende Ehegatte zur Kirchensteuer für seinen einer solchen Religionsgemeinschaft angehörenden Ehegatten herangezogen werden darf, hat das Bundesverfassungsgericht in seinen gleichzeitig verkündeten Urteilen in den Sachen 1 BvL 31, 32/62 und 1 BvL 2/60 dahin entschieden, daß ein solcher Ehegatte durch ein staatliches Gesetz weder als Steuerschuldner noch im Wege der Haftung zur Erfüllung der Steuerpflicht seines einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehörenden Ehegatten herangezogen werden darf. Zur sachlichen Beurteilung des Halbteilungsgrundsatzes wird auf das gleichzeitig verkündete Urteil in der Sache 1 BvR 606/60 verwiesen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1721374

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