1 Systematische Einordnung

§ 146 AO beinhaltet allgemeine Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, insbesondere die Frage nach der Aufbewahrung. Nachdem der EuGH[1] eine Regelung des belgischen Rechts als unionsrechtswidrig angesehen hatte, nach der die Anerkennung von Verlusten davon abhängig gemacht wurde, dass die Unterlagen, aus denen sich die Verluste ergaben, in Belgien aufbewahrt wurden, war fraglich, ob § 146 Abs. 2 S. 1 AO mit den Vorgaben des Unionsrechts zu vereinbaren ist. Der Gesetzgeber hat in § 146 Abs. 2a AO die Möglichkeit einer Verlagerung der Buchführung in das Ausland geschaffen. Hiermit ist unmittelbar die Frage verbunden, wie ein zeitnaher Zugriff durch die Finanzverwaltung gewährleistet werden kann und welche Konsequenzen hieraus für das Recht der Finanzverwaltung auf den Zugriff auf das EDV-System des Stpfl. nach § 147 Abs. 6 AO entstehen. Kann diese Möglichkeit nicht geschaffen werden, kann die Finanzverwaltung ein Verzögerungsgeld nach § 146b AO verhängen.

[1] EuGH v. 15.5.1997, C-250/95 (Futura Singer), Haufe-Index 933038, EuGHE 1997, 55.

2 Inhalt

2.1 Ausgangspunkt

Nach § 146 Abs. 2 S. 1 AO sind Bücher im Geltungsbereich der AO zu führen und aufzubewahren. Hiervon abweichend sieht S. 2f. lediglich Sonderregelungen für ausl. Betriebsstätten und Organgesellschaften, die nach ausl. Recht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen verpflichtet sind und diese Verpflichtung erfüllt haben, vor. In diesem Fall muss das inl. Unternehmen die für die deutsche Besteuerung erforderliche Ergebnisermittlung an die deutschen steuerrechtlichen Vorschriften anpassen.

Durch Gesetz v. 19.12.2008[1] wurde Abs. 2a in § 146 AO eingefügt. Danach dürfen elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen im Ausland geführt und aufbewahrt werden.[2] Die Regelung war zunächst auf die EU- und EWR-Mitgliedstaaten begrenzt. Dadurch sollte zum einen dem Bedürfnis Rechnung getragen werden, die Buchführungs- und Aufzeichnungsarbeiten deutscher Tochtergesellschaften in die Zentralen der ausl. Konzerne oder deren zentralisierte Buchführungsstellen zu verlagern. Zum anderen sollte die Möglichkeit eröffnet werden, die Kosten der Buchführungs- und Aufzeichnungsarbeiten zu reduzieren und diese Arbeiten deshalb im Ausland durchführen zu lassen.[3] Die Regelung wurde – insbesondere aufgrund ihrer restriktiven Voraussetzungen – kritisiert.[4] Deshalb wurde durch das Gesetz v. 8.12.2010[5] eine Ausdehnung beschlossen. Darin wurde u. a. die Beschränkung auf den EU- bzw. EWR-Raum aufgehoben. Zugleich wurde das Ermessen der Behörde abgeschafft, die Genehmigung zu widerrufen, wenn die Besteuerung beeinträchtigt wird.

Die Regelung ist abschließend, sodass eine Verlagerung der Buchführung in das Ausland nur unter den in § 146 Abs. 2a AO genannten Voraussetzungen zulässig ist. Folglich kann die Finanzverwaltung keine weitergehenden Erleichterungen vorsehen oder etwa die Verlagerung einer Buchführung in nicht elektronischer Form genehmigen.

[1] BGBl I 2008, 2794.
[2] FM Schleswig-Holstein v. 1.3.2012, VI 328-S 0316-032.
[3] BT-Drs. 16/10189, 80.
[4] Z. B. Weinbrenner, DStR 2009, 2082; Tom Suden, Stbg 2009, 207.
[5] BGBl I 2010, 1768.

2.2 Voraussetzungen für die Verlagerung der Buchführung in das Ausland

Die Führung der Bücher im Ausland ist kumulativ von folgenden Voraussetzungen abhängig:

  • Der Stpfl. muss einen schriftlichen Antrag auf Gewährung des Rechts zur Verlagerung der Buchführung in das Ausland stellen.
  • Der Stpfl. muss den Standort des zur Buchführung eingesetzten Datenverarbeitungssystems und bei Beauftragung eines Dritten mit der Buchführung dessen Namen und Anschrift angeben.[1] Über evtl. Änderungen hat der Stpfl. die Finanzbehörde unverzüglich zu informieren.
  • Der Stpfl., der eine Verlagerung der Buchführung beantragt, muss seine sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 AO und § 200 Abs. 1 und 2 AO ergebenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt haben, in der Vergangenheit kooperativ mit der Finanzverwaltung zusammengearbeitet haben und erwarten lassen, dass er dies auch in Zukunft tun wird.
  • Der Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO muss nach der Verlagerung in vollem Umfang möglich sein.
  • Durch die Verlagerung der Buchführung darf die Besteuerung nicht beeinträchtigt sein. Dies ist so zu interpretieren, dass unabhängig von der Verlagerung sämtliche Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten sowie sämtliche steuerliche Verpflichtungen erfüllt werden.

2.3 Pflichtverletzungen

Die Finanzbehörde muss die Genehmigung widerrufen, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, sowie die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen Aufzeichnungen in den Geltungsbereich der AO anordnen. Der Stpfl. hat den Vollzug dieser Verwaltungsanweisung nachzuweisen.

Befolgt der Stpfl. die Aufforderung zur Rückverlagerung der elektronischen Buchführung oder seine Pflichten zur Einräumung des Datenzugriffs, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i. S. d. § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen ...

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