Leitsatz (amtlich)

1. Werden bei einer OHG alle Gesellschafter bis auf einen "ausgewechselt", so entsteht Grunderwerbsteuerpflicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG Hessen immer dann, wenn alle Gesellschafter bis auf einen aus der OHG ausscheiden, ehe ein zwischen dem verbleibenden Gesellschafter und einer dritten Person vereinbarter Eintritt in das "Unternehmen" wirksam wird.

2. Die Rechtsfolgen eines Vertrages werden durch die abgegebenen Willenserklärungen bestimmt, nicht aber durch die Vorstellungen der Vertragsparteien über das mit diesen Willenserklärungen angestrebte Ziel.

 

Normenkette

GrEStG Hessen § 1 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und seine zwei Brüder waren Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (OHG).

Am 27. Dezember 1967 vereinbarten die drei Gesellschafter privatschriftlich die Auflösung der OHG mit Wirkung vom 31. Dezember 1967. Die Auseinandersetzung sollte so durchgeführt werden, daß der Kläger mit Wirkung vom 31. Dezember 1967 das Gesellschaftsvermögen mit allen Aktiven (zu denen auch Grundstücke gehörten) und Passiven übernahm. "Ausgenommen von der Übernahme" sollten "lediglich die Wirtschaftsgüter" sein, "die nach den nachstehenden Bestimmungen" den Brüdern des Klägers "bei ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft zufallen sollen". Beide Brüder sollten mit Wirkung vom 31. Dezember 1967 ausscheiden und erhielten zur Abfindung Grundbesitz, der den drei Gesellschaftern in ungeteilter Erbengemeinschaft gehörte, aber Gesellschaftszwecken diente. Einer der Brüder sollte neben zwei Grundstücken das gesamte auf dem Grundstück befindliche Zubehör erhalten. Für den Ansatz der Grundstücke im Rahmen der Auseinandersetzung wurden bestimmte Werte vereinbart, die später noch geändert worden sind. Soweit sich auf Grund der unterschiedlichen Kapitalkonten und unter Berücksichtigung der vereinbarten Abfindungen noch Differenzen ergeben sollten, waren diese auszugleichen.

Am 29. Dezember 1967 wurde die erforderliche Auflassung der auf die ausscheidenden Brüder zu übertragenden Grundstücke erklärt. Am gleichen Tage schlossen der Kläger und sein Sohn privatschriftlich einen weiteren Vertrag, ausweislich dessen der Kläger seinen Sohn in das "geschäftliche Unternehmen" als "Teilhaber" aufnahm. Der Gesellschaftsvertrag wurde mit Wirkung auf den 1. Januar 1968 geschlossen. Der Kläger stellte seinem Sohn aus seinem Kapitalkonto "einen Betrag in Höhe von 25 000 DM zur Verfügung".

Der Kläger hat über das Zustandekommen der drei genannten Verträge folgendes vorgetragen:

Der Vertrag vom 27. Dezember 1967 sei von einem Fachanwalt für Steuerrecht entworfen worden, dem nicht bekannt gewesen sei, daß er, der Kläger, seinen Sohn als Gesellschafter habe aufnehmen wollen. Der Rechtsanwalt habe deshalb den Eintritt des Sohnes in das Unternehmen in dem von ihm vorbereiteten Vertragsentwurf nicht berücksichtigen können. Die Gesellschafter hätten die Unterlagen kurz vor Weihnachten 1967 zur Vorbereitung der erforderlichen Auflassungserklärungen an einen Notar, einem der beiden Prozeßbevollmächtigten des Klägers, übersandt. Nach Vorbereitung der Urkunden seien die Gesellschafter sodann am 29. Dezember 1967 zur Abgabe der erforderlichen Erklärungen zur notariellen Urkunde erschienen, nachdem sie zuvor am 27. Dezember 1967 den vorbereiteten Vertrag über die Auflösung der Gesellschaft unterzeichnet hätten. Dem Notar habe der Kläger erklärt, daß er die Absicht habe, seinen Sohn, der schon längere Zeit in dem Betrieb tätig gewesen sei, als Teilhaber aufzunehmen. Der Notar habe veranlaßt, daß ein von ihm nunmehr entworfener Vertrag über die Aufnahme des Sohnes noch am gleichen Tage unterzeichnet werde. Die bereits vorbereiteten Dokumente (Auflassung und Anmeldung zum Handelsregister) hätten jedoch wegen der im Büro des Notars herrschenden Weihnachtsruhe nicht mehr geändert werden können. So sei auch die Anmeldung zum Handelsregister in der vorbereiteten Form unterzeichnet worden.

Mit dieser Anmeldung zum Handelsregister zeigten die bisherigen Gesellschafter der OHG an, daß zwei Gesellschafter ausgeschieden seien und daß der Kläger das Geschäft als Einzelfirma unter der bisherigen Firma (ohne Zusatz OHG) fortführe.

Am 12. Januar 1968 wurde angezeigt, daß der Kläger seinen Sohn in das als Alleininhaber übernommene Unternehmen aufgenommen habe.

Das beklagte Finanzamt hat angenommen, daß im Wege der Anwachsung Grundstückseigentum auf den Kläger übergegangen sei und Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 6 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Hessen in Höhe von 8 866,70 DM entstanden sei.

Der Einspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, es läge nur ein nicht zur Grunderwerbsteuerpflicht führender Gesellschafterwechsel vor, ist ohne Erfolg geblieben.

Die Klage ist vom Finanzgericht abgewiesen worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Grunderwerbsteuer ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG Hessen dadurch entstanden, daß der Kläger mit Ablauf des 31. Dezember 1967 im Wege der Anwachsung (§ 142 HGB i. V. m. § 738 BGB) Alleineigentümer der Grundstücke geworden ist, die zuvor der OHG gehörten. Die zwischen dem Kläger und seinen beiden Brüdern sowie die zwischen dem Kläger und seinem Sohn getroffenen Abmachungen sind eindeutig. Sie ergeben, daß die beiden Brüder des Klägers mit Ablauf des 31. Dezember 1967 aus der OHG unter Übernahme des Handelsgeschäftes durch den Kläger ausgeschieden sind, wodurch es zur Anwachsung auf den Kläger gekommen ist, und daß der Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 1968 zusammen mit seinem Sohn eine neue OHG gegründet hat, die berechtigt war, die bisherige Firma fortzuführen. Da der Kläger infolge der Anwachsung Alleineigentümer der Betriebsgrundstücke geworden ist, wurde das Grundbuch unrichtig (vgl. § 15 der Grundbuchverfügung vom 8. August 1935, RMBl 1935, 637). Die von dem Kläger und seinem Sohn neu gegründete OHG hätte nur im Wege der Auflassung und Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch Eigentümerin der Betriebsgrundstücke werden können.

Die Identität der OHG hätte nur dann gewahrt und damit die Anwachsung auf den Kläger vermieden werden können, wenn der Sohn des Klägers Gesellschafter geworden wäre, ehe die Brüder des Klägers aus der OHG ausschieden. Wird mit Hueck (Das Recht der offenen Handelsgesellschaften, 4. Aufl., § 27 II 5 S. 399) und Fischer (Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 130 Anm. 12) entgegen Huber (Vermögensanteil, Kapitalanteil, Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts S. 403) dieser Weg zur Erhaltung einer OHG trotz Ausscheidens aller Gesellschafter (bis auf einen) bejaht, so kann die Identität der Personengesellschaft gleichwohl nur dann erhalten bleiben, wenn die OHG zu jedem Zeitpunkt mindestens zwei Gesellschafter hat. Das wäre in der vorliegenden Sache nur dann der Fall gewesen, wenn der Sohn des Klägers vor dem Ausscheiden der Brüder des Klägers durch Vereinbarung mit allen drei Brüdern oder durch Vereinbarung mit dem Kläger unter Zustimmung der Brüder Gesellschafter geworden wäre. Die geschlossenen Verträge lassen eine derartige Auslegung jedoch nicht zu.

Auch die Anmeldungen zum Handelsregister gehen nicht von der fortdauernden Identität der OHG aus. Selbst bei der Anmeldung vom 12. Januar 1968, bei der man nicht mehr von der Weihnachtsruhe in dem Büro des Notars betroffen gewesen sein konnte, ging man davon aus, daß der Kläger unmittelbar vor dem Eintritt seines Sohnes in das Handelsgeschäft Alleininhaber des Unternehmens war.

Irgendwelche konkreten Tatsachen dafür, daß der Kläger, seine Brüder und sein Sohn die abgegebenen Willenserklärungen übereinstimmend dahin aufgefaßt hätten, der Sohn des Klägers sei zunächst in die aus dem Kläger und seinen Brüdern bestehende OHG eingetreten und die Brüder des Klägers seien im unmittelbaren Anschluß daran aus der nunmehr aus vier Personen bestehenden OHG ausgetreten, daß also der übereinstimmende Wille aller vier Gesellschafter nicht mit den unterschriebenen Erklärungen in Einklang gestanden habe, sind nicht vorgetragen worden. Im wesentlichen ist dem Vortrag des Klägers nur zu entnehmen, daß der Notar am 29. Dezember 1967 das Erforderliche veranlaßt habe, damit der Kläger seinen Sohn in das Unternehmen aufnehmen konnte. Es sind jedoch keine Tatsachen dafür vorgetragen worden, daß die am 29. Dezember 1967 von dem Kläger und seinen Brüdern bzw. von dem Kläger und seinem Sohn unterschriebenen Verträge andere Willenserklärungen enthielten, als diese Personen sie einvernehmlich hätten abgeben wollen. Auch wenn die Gesellschafter von der (unrichtigen) rechtlichen Vorstellung ausgegangen sein sollten, die zwischen dem Kläger und seinem Sohn vereinbarte OHG sei mit der vorher bestehenden OHG aufgrund der von ihnen geschlossenen Verträge identisch, so könnte daraus nicht gefolgert werden, daß sie andere Verträge gewollt hätten, als sie sie tatsächlich geschlossen haben. Haben die Gesellschafter sich über die Rechtsfolgen ihrer eindeutigen Erklärung geirrt, so liegt lediglich ein Motivirrtum vor, der die rechtliche Wirksamkeit des Erklärten nicht beeinträchtigt. Die tatsächlich abgegebenen Willenserklärungen bestimmen die Rechtsfolgen und nicht rechtliche Vorstellungen der beteiligten Personen über das angestrebte Ziel.

Daraus, daß die Beteiligten (oder ihre Berater) nicht den steuerlich günstigsten Weg gefunden haben, kann nicht das Recht des Klägers hergeleitet werden, so behandelt zu werden, als wäre der günstigste Weg gefunden und beschritten worden. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG Hessen knüpft an den (zivilrechtlichen) Eigentumsübergang an. Wirtschaftliche oder sonstige Überlegungen können deshalb nicht dazu führen, den Eigentumsübergang grunderwerbsteuerrechtlich als nicht geschehen anzusehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72973

BStBl II 1979, 81

BFHE 1979, 232

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