Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, daß ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden steht, rechtfertigt für sich allein noch keine Minderbewertung des Gebäudes.

 

Normenkette

BewG §§ 10, 9, 50, 70/3

 

Tatbestand

I. Bescheid

Streitig ist die Fortschreibung der Einheitswerte für die von der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf staatseigenem Gelände errichteten Betriebsgebäude auf den 1. Januar 1952 und 1. Januar 1953. Die Bfin. unterhält auf dem Pachtgrundstück eine Betriebstätte mit umfangreichen Betriebsvorrichtungen für den Umschlag und die Lagerung von Treibstoffen nebst den erforderlichen Betriebs- und Verwaltungsgebäuden. Das derzeitige Pachtverhältnis beruht auf dem am 15. Januar 1889 geschlossenen Vertrag (Hauptvertrag) nebst 14 Nachtragsverträgen und dem am 31. Dezember 1924 geschlossenen Mietvertrag nebst 6 Nachtragsverträgen. Der Hauptvertrag war für die ersten 10 Jahre unkündbar. Später wurde halbjährliche Kündigung und hinsichtlich eines Lagerplatzes vierteljährliche Kündigung vereinbart. Die Betriebstätte der Bfin. bzw. deren Rechtsvorgänger befindet sich seit 68 Jahren auf dem bezeichneten Gelände im Hafengebiet. Im Laufe der Zeit sind von der Bgin. mit großem Kostenaufwand Betriebsanlagen errichtet worden, und nach Beschädigung und teilweiser Zerstörung infolge von Kriegsereignissen wurden erneut von der Bgin. große Beträge für den Wiederaufbau sowie die Erweiterung der Anlagen investiert. Vertragsgegner der Bgin. war an den hier maßgebenden Stichtagen das Staatliche Hafenamt, eine Dienststelle des Landes X., dessen Aufgabe die Verwaltung des Hafens ist. Das Finanzamt hat auf Grund der zur Beseitigung der Kriegsschäden vorgenommenen baulichen Maßnahmen Wertfortschreibungen für die auf fremdem Grund und Boden errichteten Baulichkeiten der Bfin. vorgenommen. Hierbei wurde der auf den 1. Januar 1946 festgestellte Einheitswert des Gebäudes von 10.800 RM zum 1. Januar 1952 auf 89.700 DM und zum 1. Januar 1953 auf 136.900 DM nach dem für die Bewertung von Fabrikgrundstücken maßgebenden Weil"chen Verfahren fortgeschrieben. Die Bfin. hat gegen diese Wertfortschreibungen Sprungberufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, daß bei Errechnung des Ausgangswerts aus dem Realwert neben den bereits zugelassenen Sonderabschlägen noch ein Abschlag von mindestens 5 v. H. des Realwerts deshalb vorzunehmen sei, weil ihre sämtlichen Gebäude auf fremdem Grund und Boden ständen, damit ihre Verfügungsgewalt an den Gebäuden beschränkt sei und bei Vertragsablauf Abbruchgefahr bestehe. Im Bezirk verschiedener Oberfinanzdirektionen würden aus diesen Gründen bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden Abschläge bis zu 15 v. H. ohne Antrag gewährt. Auf die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit einer Kündigung des Pachtverhältnisses durch das Hafenamt komme es nicht an. Allein maßgebend sei die objektive Möglichkeit eines Abbruchs der Gebäude.

Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist im wesentlichen wie folgt begründet: Die vertragliche Verpflichtung zum Abbruch eines auf fremdem Grund und Boden errichteten Betriebsgebäudes sei grundsätzlich durch einen Abschlag zu berücksichtigen. Voraussetzung sei indessen, daß der Eigentümer eines solchen Gebäudes durch die vertragliche Verpflichtung auch tatsächlich belastet sei. Wenn im konkreten Fall keine tatsächliche Kündigungs- und Abbruchgefahr bestehe, sei die Vornahme eines Abschlags nicht gerechtfertigt. Im Streitfalle habe die Bfin. an den Stichtagen nicht mit Kündigung des Pachtverhältnisses und einer sich daraus ergebenden Abbruchgefahr für ihre Gebäude zu rechnen brauchen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde. Die Bfin. verbleibt bei ihrer Rechtsauffassung, daß der geforderte Abschlag gewährt werden müsse, weil die Errichtung auf fremdem Grund und Boden in jedem Falle den gemeinen Wert der Gebäude mindere. Ob die Kündbarkeit und Abbruchgefahr mehr oder weniger in den Bereich der Möglichkeit gerückt sei, könne nur in der Höhe des Abschlages zum Ausdruck kommen.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Der Vorinstanz ist darin zuzustimmen, daß die für ein Gebäude bestehende Abbruchgefahr regelmäßig den Gebäudewert mindert. Der Senat kann aber nicht der Ansicht der Bfin. zustimmen, daß Kündigungsmöglichkeit hinsichtlich des Pachtvertrages und Abbruchgefahr bezüglich der Gebäude in jedem Falle zu einer Minderbewertung der auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäude führen müssen. Die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung des Pachtverhältnisses und die daraus resultierende Abbruchgefahr müssen in jedem einzelnen Falle besonders gewürdigt und berücksichtigt werden. Hierauf hat bereits der Reichsfinanzhof in seinem zur Vermögensteuer ergangenen Urteil I A 167/25 S vom 30. April 1926 (RStBl 1926 S. 221, Slg. Bd. 19 S. 86) hingewiesen. Ebenso hat der erkennende Senat in seinem Urteil III 217/52 U vom 23. Oktober 1953 (BStBl 1953 III S. 352, Slg. Bd. 58 S. 158) die Bedeutung der Ernstlichkeit einer Abbruchverpflichtung unterstrichen. Im Streitfall hat das Finanzgericht eingehend begründet, weshalb tatsächlich und wirtschaftlich mit einer Kündigung des Pachtverhältnisses und einer von der Bfin. zu besorgenden Abbruchgefahr nicht zu rechnen ist. Das Finanzgericht hat insbesondere auf die Dauer des Pachtvertrages seit 1889 bzw. 1924 sowie auf den kostspieligen Wiederaufbau der kriegszerstörten Gebäude durch die Bfin. hingewiesen. Damit habe die Bfin., bei der man wirtschaftliches Handeln unterstellen müsse, zu erkennen gegeben, daß sie selbst nicht mit einer Kündigung und dem Abbruch der Gebäude rechne. Es komme hinzu, daß Vertragspartner der Bfin. das Land X sei, das den mit dem Warenumschlag befaßten Gewerbezweigen Grundstück zu äußerst niedrigen Miet- und Pachtbeträgen zur Verfügung gestellt habe. Diese Betriebe könnten damit rechnen, daß das Land nicht willkürlich von seinem formalen Kündigungsrecht Gebrauch machen werde. Diese Annahme werde noch dadurch bestätigt, daß seit Jahrzehnten keine vorzeitige Kündigung durch das Hafenamt erfolgt sei. Wenn das Finanzgericht auf Grund dieser Umstände zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Kündigungsmöglichkeit mit der Folge des Abbruchs der Gebäude an den Stichtagen keine tatsächliche und wirtschaftliche Belastung für die Bfin. dargestellt habe, so läßt diese Würdigung des Sachverhalts keinen Rechtsirrtum oder sonstigen Rechtsbeschwerdegrund erkennen. Die für Gebäude auf fremdem Grund und Boden bestehenden zivilrechtlichen Bestimmungen können das Verlangen der Bfin. nach einem Sonderabschlag nicht rechtfertigen. Darauf, ob von einigen Oberfinanzdirektionen allgemein Abschläge für Gebäude auf fremdem Grund und Boden zugelassen werden, kommt es nicht an.

II. Urteil Wegen des Sachverhaltes wird auf den Bescheid vom 14. November 1958 Bezug genommen. Der Vertreter der Beschwerdeführerin (Bfin.) hat in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen auf folgende Punkte hingewiesen: Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs müsse bei der Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden nach dem gemeinen Wert eine rechtlich bestehende Abbruchverpflichtung des Gebäudeeigentümers grundsätzlich beachtet werden. Ferner könnten die bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden gegebenen wirtschaftlichen Beschränkungen, insbesondere auf dem Gebiet der Kreditbeschaffung, nicht unberücksichtigt bleiben. Die bewertungsrechtliche Fiktion des § 50 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) habe zur Folge, daß einerseits das Gebäude, andererseits der Grund und Boden als selbständige wirtschaftliche Einheit zu behandeln seien. Hinsichtlich des Grund und Bodens werde von Rößler (Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - A 1954 S. 9) die zutreffende Auffassung vertreten, daß bei der der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entsprechenden Behandlung des Grund und Bodens als unbebautes Grundstück die Tatsache des Vorhandenseins eines von einem Dritten errichteten Gebäudes für sich allein bereits wertmindernd wirke. Dementsprechend müsse auf der anderen Seite auch bei der Einheitsbewertung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden dieser Tatsache durch einen Sonderabschlag Rechnung getragen werden.

Der Vertreter des Finanzamts hat darauf hingewiesen, daß die Bfin. im Streitfall mit einer Kündigung des Vertrages durch den Eigentümer des Grund und Bodens nicht zu rechnen brauche. Die Kreditbeschaffungsbeschränkungen hätten mit dem Sachwert des Gebäudes nichts zu tun. Der Rechtsauffassung, daß bei der Bewertung des Grund und Bodens allein wegen des Aufstehens eines Gebäudes in fremder Hand ein Abschlag vom gemeinen Wert vorzunehmen sei, könne nicht beigetreten werden (DStZ A 1956 S. 358).

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.

Der Senat verbleibt bei seiner Rechtsauffassung, daß die Kündigungsmöglichkeit hinsichtlich des der Errichtung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden zugrunde liegenden Pachtvertrages und die daraus resultierende Abbruchverpflichtung allein noch nicht die Minderbewertung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden rechtfertigen, sondern nur dann, wenn bereits am Stichtage die Kündigung des Pachtverhältnisses und die Abbruchgefahr hinsichtlich der Gebäude mit einiger Wahrscheinlichkeit zu besorgen waren. Dies ergibt sich besonders aus dem Urteil des erkennenden Senats III 217/52 U vom 23. Oktober 1953 (BStBl 1953 III S. 352, Slg. Bd. 58 S. 158). Der abweichenden Auslegung dieser Entscheidung durch die Bfin. vermag der Senat nicht zu folgen. Im Streitfalle hat das Finanzgericht eingehend begründet, weshalb tatsächlich und wirtschaftlich mit einer Kündigung des Pachtverhältnisses und einer von der Bfin. zu besorgenden Abbruchgefahr nicht zu rechnen ist. Das Finanzgericht hat insbesondere auf die Dauer des Pachtvertrages seit 1889 bzw. 1924 sowie auf den kostspieligen Wiederaufbau der kriegszerstörten Gebäude durch die Bfin. hingewiesen. Damit habe die Bfin., bei der man wirtschaftliches Handeln unterstellen müsse, zu erkennen gegeben, daß sie selbst nicht mit einer Kündigung und dem Abbruch der Gebäude rechne. Es komme hinzu, daß Vertragspartner der Bfin. das Land X sei, das den mit dem Warenumschlag befaßten Gewerbezweigen Grundstücke zu äußerst niedrigen Miet- und Pachtverträgen zur Verfügung gestellt habe. Diese Betriebe könnten damit rechnen, daß das Land nicht willkürlich von seinem formalen Kündigungsrecht Gebrauch machen werde. Diese Annahme werde noch dadurch bestätigt, daß seit Jahrzehnten keine vorzeitige Kündigung durch das Hafenamt erfolgt sei. Wenn das Finanzgericht auf Grund dieser Umstände zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Kündigungsmöglichkeit mit der Folge des Abbruchs der Gebäude an den Stichtagen keine tatsächlich und wirtschaftliche Belastung für die Bfin. dargestellt habe, so läßt diese Würdigung des Sachverhaltes keinen Rechtsirrtum oder sonstigen Rechtsbeschwerdegrund erkennen. Auch darin stimmt der Senat der Bfin. nicht zu, daß die Beschränkungen in der Verfügungsbefugnis und Kreditbeschaffung bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden allein schon die Gewährung des geforderten Sonderabschlages rechtfertigten. Es handelt sich bei diesen Beschränkungen nicht um Eigenschaften des Gebäudes. Sie gehören daher auch nicht zu den sich aus der Beschaffenheit des Gebäudes ergebenden Umständen, die für die Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr maßgeblich sind (ß 10 Abs. 2 Satz 1 BewG). In jedem Falle müßte bei einer gedachten Veräußerung der Gebäude ein Erwerber unterstellt werden, der an den Gebäuden interessiert wäre, z. B. ein dem Unternehmerkreis der Bfin. angehöriger Erwerber. Der Senat vermag nicht anzuerkennen, daß ein solcher qualifizierter Erwerber allein schon wegen der Errichtung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden einen Abschlag vom Sachwert der in hervorragender Lage befindlichen Gebäude vornehmen würde. Es trifft auch nicht zu, daß bei der Bewertung des Grund und Bodens, auf dem ein Dritter ein Gebäude errichtet hat, allein wegen dieser Tatsache ein Wertabschlag vorgenommen werden müßte. Hierauf hat bereits der Vertreter des Finanzamts in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen. Darauf, ob von verschiedenen Oberfinanzdirektionen allgemein Abschläge für Gebäude auf fremdem Grund und Boden zugelassen worden sind, kommt es für die Entscheidung des Streitfalles nicht an.

 

Fundstellen

BStBl III 1959, 190

BFHE 1959, 496

BFHE 68, 494

StRK, BewG:10 R 9

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