Entscheidungsstichwort (Thema)

Endgültige Bestellung als Steuerberater eines vorläufig bestellten Steuerbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

Eine vorläufige Bestellung als Steuerbevollmächtigter ist nicht deshalb nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG zurückzunehmen, weil die dieser Bestellung vorausgegangene Zulassung als Helfer in Steuersachen, die noch unter der Geltung des § 107 a AO DDR 1970 beantragt worden war, erst nach Wegfall dieser Rechtsgrundlage und nach dem Inkrafttreten der StBerO erteilt worden ist. Ein Bewerber, der beide Übergangsprüfungen gemäß § 40 a StBerG bestanden hat, kann deshalb mangels Fehlens von Widerrufsgründen endgültig als Steuerberater bestellt werden.

 

Normenkette

StBerG §§ 40a, 46 Abs. 1 S. 2; StBerO § 19 Abs. 1-2, § 70 Abs. 1 S. 2; AO DDR 1970 § 107a; MdF-AnO vom 7. 2. 1990

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der seine Berufsausbildung in den alten Bundesländern absolviert hat, beantragte mit Schreiben vom 18. Juni 1990 die Zulassung als Helfer in Steuersachen gemäß der Anordnung des Ministers der Finanzen der DDR über die Zulassung zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit als Helfer in Steuer sachen und die Registrierung von Stundenbuchhaltern (MdF-AnO) vom 7. Februar 1990 (Gesetzesblatt der DDR -- GBl DDR -- I Nr. 12 S. 92). Am 6. August 1990 wurde der Kläger vom Finanzamt (FA) A prüfungsfrei rückwirkend zum 1. August 1990 als "Helfer zu Steuersachen" bestellt. Später wurde der Kläger antragsgemäß gemäß § 19 Abs. 2 der Steuerberatungsordnung der DDR (StBerO) -- GBl DDR vom 27. Juli 1990, Sonderdruck (SDr) Nr. 1455 -- zum Steuerbevollmächtigten umbestellt, worüber ihm nach Ablegung einer Eignungsprüfung vom FA B am 24. November 1990 eine Bestellungsurkunde erteilt wurde.

Am 22. Februar 1995 nahm die Oberfinanzdirektion die Bestellung als Steuerbevollmächtigter zurück; das Rücknahmeverfahren ruht zur Zeit. Inzwischen hat der Kläger beide Übergangsprüfungen gemäß § 40 a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) bestanden. Sein Antrag auf endgültige Bestellung als Steuerberater wurde von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzministerium -- FinMin --) unter Hinweis auf das Rücknahmeverfahren mit Bescheid vom 22. Juli 1996 abgelehnt. Die dagegen erhobene Verpflichtungsklage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf endgültige Bestellung als Steuerberater, da Gründe für eine Rücknahme seiner vorläufigen Bestellung vorlägen (§ 40 a Abs. 1 Satz 5, § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG). Die Bestellung als Helfer in Steuersachen und damit auch die Bestellung als Steuerbevollmächtigter seien rechtswidrig. Der MdF-AnO vom 7. Februar 1990 als Rechtsgrundlage für die Bestellung als Helfer in Steuersachen sei mit dem Außerkrafttreten des § 107 a der Abgabenordnung der DDR vom 18. September 1970 -- AO DDR 1970 -- (GBl DDR, SDr Nr. 681) am 1. Juli 1990 die Grundlage entzogen worden. Zum Zeitpunkt beider Bestellungen des Klägers sei bereits die am 27. Juli 1990 in Kraft getretene StBerO gültig gewesen, die einen Helfer in Steuersachen nicht mehr gekannt habe, so daß der Bestellung des Klägers vom 6. August 1990 die Rechtsgrundlage gefehlt habe. Die Bestellung als Helfer in Steuersachen sei auch deshalb rechtswidrig, weil der Kläger nicht die in § 2 MdF-AnO geforderte mehrjährige praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR nachweisen könnte und er nach dem ihm erteilten vorläufigen Personalausweis der DDR noch Bürger der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) gewesen sei.

Der Kläger hätte die Rechtswidrigkeit der Bestellung mangels Rechtsgrundlage kennen müssen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG), da mit der Veröffentlichung der StBerO der gute Glaube an ein Fortbestehen der MdF-AnO vom 7. Februar 1990 zerstört worden sei. Die Rechtswidrigkeit der Zulassung als Helfer in Steuersachen erfasse auch die darauf beruhende nachfolgende Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter.

Die Zulassung könne auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes wegen der rechtzeitigen Antragstellung noch im Juni 1990 beansprucht werden. Zwar werde der Vortrag des Klägers, die Verzögerung seiner Bestellung als Helfer in Steuersachen beruhe nur auf der Krankheit der zuständigen Sachbearbeiterin und er habe sich ständig nach dem Bearbeitungsstand erkundigt, als wahr unterstellt. Die Bestellung nach der alten Rechtslage wäre aber auch wegen Fehlens der DDR- Staatsbürgerschaft und von Kenntnissen im Steuerrecht der DDR rechtswidrig gewesen, so daß der Kläger auf sie keinen Anspruch gehabt habe.

Mit der Revision macht der Kläger u. a. geltend, er habe -- entgegen der Auffassung des FG -- die Rechtswidrigkeit seiner Bestellung nicht erkennen müssen, da auch nach Inkrafttreten der StBerO die Rechtslage insoweit weiter unklar gewesen sei, als die MdF-AnO vom 7. Februar 1990 nach § 70 StBerO für andere als die in § 19 StBerO genannten Bewerber, lediglich mit dem nunmehr geltenden Bestellungstitel "Steuerbevollmächtigter", unverändert weiter gegolten habe. Das Bestellungserfordernis der DDR-Staatsbürgerschaft sei erst am 27. August 1990 in die StBerO eingefügt worden. Im übrigen könne es für die Beurteilung des Kennens oder Kennenmüssens der Rechtswidrigkeit der Bestellung jedenfalls dann nicht auf den Zeitpunkt der Bestellung ankommen, wenn allein die Behörde die rechtzeitige Bestellung verzögert habe und der Antragsteller hierdurch in seiner Rechtsposition eine Schlechterstellung erfahren habe. Er habe nach seinem Antrag vom 18. Juni 1990 aufgrund der Bestellungsgepflogenheiten der Behörde jedenfalls vor Inkrafttreten der StBerO auf die Bestellung als Helfer in Steuersachen vertrauen dürfen. Ferner bestehe unabhängig von der persönlichen Situation, dem Verhalten und dem Wissen des Betroffenen ein objektiver und ein subjektiver Vertrauensschutz für den Begünstigten, der hier eingreife, weil die Rücknahme der Bestellung durch Bescheid vom 22. Februar 1995 als verspätet angesehen werden müsse.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des ablehnenden Bescheids des FinMin dieses zu verpflichten, ihn endgültig als Steuerberater zu bestellen.

Das FinMin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es meint, der Kläger hätte erkennen können, daß seine Bestellungen zum Helfer in Steuersachen sowie zum Steuerbevollmächtigten rechtswidrig waren, weil sowohl eine Bestellung nach der StBerO als auch nach der MdF- AnO nur für solche Bewerber in Betracht käme, die in der DDR die dort bestehenden Bürgerrechte besaßen und Tätigkeiten auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR ausgeübt hätten. Für die Beurteilung des Kennenmüssens der Rechtswidrigkeit der Bestellung komme es auf den Zeitpunkt der Bestellung auch dann an, wenn sich der Bestellungszeitpunkt aus behördeninternen Gründen verzögert habe. Nach den danach maßgeblichen Vorschriften der StBerO habe eine Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter nicht vorgenommen werden dürfen, weil der Verweis des § 70 StBerO auf die MdF-AnO vom 7. Februar 1990 sich lediglich auf das Verfahren für die Bestellung des nach § 19 StBerO möglichen Personenkreises bezogen habe, zu dem der Kläger nicht gehöre. Selbst wenn die Rechtslage im Bestellungszeitpunkt unklar gewesen sein sollte, habe sich kein Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers bilden können. Der Berufsangehörige habe dann nicht von der Rechtmäßigkeit seiner Bestellung ausgehen können, sondern damit rechnen müssen, daß sie auch rechtswidrig sein und zurückgenommen werden könnte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die Vorinstanz und das FinMin sind zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Kläger keinen Anspruch auf die endgültige Bestellung als Steuerberater habe, weil seine vorläufige Bestellung als Steuerbevollmächtigter deshalb zurückgenommen werden müsse, weil die dieser Bestellung vorausgegangene Zulassung als Helfer in Steuersachen mangels Rechtsgrundlage sowie wegen Fehlens der Staatsbürgerschaft der DDR und von Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR rechtswidrig sei und der Kläger diese Gründe für die Rechtswidrigkeit seiner Zulassung hätte kennen müssen.

1. Nach § 40 a Abs. 1 Satz 3 StBerG sind vorläufig bestellte Steuerberater und Steuerbevollmächtigte endgültig als Steuerberater zu bestellen, wenn sie an einem von der zuständigen Steuerberaterkammer durchgeführten Seminar (Grundlagen- und Aufbauteil) erfolgreich teilgenommen haben. Der Kläger ist vorläufig bestellter Steuerbevollmächtigter i. S. des § 40 a Abs. 1 Satz 1 StBerG und hat nach den Feststellungen des FG an beiden Teilen des Seminars erfolgreich teilgenommen. Die beantragte endgültige Bestellung als Steuerberater setzt jedoch gemäß § 40 a Abs. 1 Satz 5 StBerG ferner voraus, daß Gründe für die Rücknahme der vorläufigen Bestellung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht vorliegen.

Eine vorläufige Bestellung ist gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 erste Alternative StBerG zurückzunehmen, wenn sie rechtswidrig war und der Begünstigte die Rechtswidrigkeit kannte oder kennen mußte. Im Streitfall reichen die vom FinMin und vom FG für die Rechtswidrigkeit der Bestellung angeführten Umstände als Rücknahmegrund im Sinne dieser Vorschrift nicht aus. Auch wenn sie bewirkt haben, daß die Bestellung als Helfer in Steuersachen und damit auch die Bestellung als Steuerbevollmächtigter rechtswidrig war, hätte der Kläger die Rechtswidrigkeit seiner Bestellung nicht kennen müssen, so daß auf der Grundlage des bisher vom FG festgestellten Sachverhalts eine endgültigte Bestellung des Klägers als Steuerberater in Betracht kommt.

2. a) Als Rechtsgrundlage für die der Bestellung als Steuerbevollmächtigter vorausgegangene Zulassung als Helfer in Steuersachen, auf die sich der Kläger beruft, kommt -- wie das FG ausgeführt hat -- allein § 107 a AO DDR 1970 i. V. m. der MdF- AnO vom 7. Februar 1990 in Betracht. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag des Klägers (hier am 6. August 1990) war zwar die Rechtsgrundlage für eine Zulassung als Helfer in Steuersachen entfallen, weil die AO DDR 1970 am 1. Juli 1990 außer Kraft getreten war (§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung der DDR vom 22. Juni 1990, GBl DDR, SDr Nr. 1428) und die mit ihrer Veröffentlichung am 27. Juli 1990 in Kraft getretene StBerO (§ 69) nur noch eine Bestellung als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter vorsah (vgl. §§ 13, 19, 20 Abs. 1 StBerO). Die MdF-AnO vom 7. Februar 1990 über die Zulassung als Helfer in Steuersachen fand nunmehr gemäß § 70 Abs. 1 StBerO bis zum 31. Dezember 1990 nur noch für die Prüfung und Bestellung von Steuerbevollmächtigten weiterhin Anwendung. Die fehlende Rechtsgrundlage für eine nach Inkrafttreten der StBerO verliehene Berufsbezeichnung Helfer in Steuersachen (die im Streitfall verwendete Bezeichnung Helfer "zu" Steuersachen ist -- wie das FG ausgeführt hat -- als bloße Falschbezeichnung unerheblich) macht aber -- wie der Senat mit Urteilen vom 26. März 1996 VII R 40/95 (BFH/NV 1996, 853) und vom 5. November 1996 VII R 36/96 (BFH/NV 1997, 266) entschieden hat -- die Bestellung nicht nichtig, sondern allenfalls rechtswidrig.

Bei dieser Beurteilung hat der Senat u. a. darauf abgestellt, daß der Zulassungsantrag -- wie auch im Streitfall geschehen -- schon vor dem Wegfall der gesetzlichen Grundlage für eine derartige Berufszulassung gestellt worden war. Hat ein Bewerber seinen Antrag auf Berufszulassung so rechtzeitig bei der zuständigen Finanzbehörde gestellt, daß im Falle der Bearbeitung mit einer der Bedeutung der Angelegenheit entsprechenden und gebotenen Beschleunigung eine Entscheidung noch vor einer eingetretenen Rechtsänderung erwartet werden konnte, so ist nach der Rechtsprechung des Senats diese Entscheidung nach der alten Rechtslage zu treffen, falls diese für den Bewerber günstiger ist (vgl. Urteil vom 22. März 1966 VII 265/63, BFHE 85, 239, BStBl III 1966, 296). Es kann dahinstehen, ob im Streitfall eine Entscheidung über den von dem Kläger am 18. Juni 1990 gestellten Zulassungsantrag bei zügiger Bearbeitung noch unter der Geltung des § 107 a AO DDR 1970 -- d. h. vor dem 1. Juli 1990 -- erwartet werden konnte und deshalb ein Anspruch auf Zulassung als Helfer in Steuersachen in Betracht kam. Um die Frage der Nichtigkeit der nachfolgend nach dieser Vorschrift erteilten Berufszulassung zu verneinen, reicht es jedenfalls aus, daß im Hinblick auf den rechtzeitig gestellten Antrag eine Entscheidung, wie sie schließlich von dem FA A als Zulassungsbehörde getroffen worden ist, rechtlich möglich war.

b) Da nach den vorstehenden Ausführungen die Zulassung des Klägers als Helfer in Steuersachen nicht nichtig, sondern rechtswirksam war, ist der Kläger gemäß § 19 Abs. 1 und 2 StBerG kraft Gesetzes als Steuerbevollmächtigter zu behandeln, der nach § 40 a Abs. 1 Satz 1 StBerG als vorläufig bestellt gilt (Senatsurteile in BFH/NV 1996, 853, und vom 5. November 1996 VII R 36/96). Seine nachfolgende (ausdrückliche) Bestellung als Steuerbevollmächtigter durch das FA B am 24. November 1990 hatte demgegenüber nur deklaratorische Bedeutung, so daß es auf deren Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit nicht ankommt.

Nach der Rechtsprechung des Senats erfaßt aber eine Rechtswidrigkeit der Zulassung als Helfer in Steuersachen auch die daraus folgende Bestellung als Steuerbevollmächtigter nach § 19 Abs. 1 und 2 StBerO, so daß ein derartiger Rechtsmangel auch der gesetzlichen Bestellung als Steuerbevollmächtigter anhaftet (vgl. die vorstehend zitierten Entscheidungen und Senatsurteil vom 7. März 1996 VII R 61, 62/95, BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334, 337). Daraus folgt, daß die vorläufige Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter (§ 40 a Abs. 1 Satz 1 StBerG, § 19 Abs. 1 und 2 StBerO) zurückzunehmen ist, wenn hinsichtlich der vorangegangenen Zulassung als Helfer in Steuersachen ein Rücknahmegrund nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG gegeben ist.

3. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG ist eine vorläufige Bestellung zurückzunehmen, wenn sie rechtswidrig ist und der Begünstigte die Umstände kannte oder kennen mußte, die die Rechtswidrigkeit begründen, oder wenn die Bestellung von einer sachlich unzuständigen Behörde ausgesprochen wurde und die zuständige Behörde die Bestellung nicht hätte aussprechen dürfen. Der Senat hat die erste Alternative dieser Rücknahmevorschrift, die nach Auffassung des FG und der Verwaltungsbehörden im Streitfall in Betracht kommt, einschränkend dahin ausgelegt, daß die rechtswidrige Bestellung nur dann zurückzunehmen ist, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit als solche (d. h. nicht nur die "Umstände") kannte oder kennen mußte (vgl. Urteil in BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334, 337, m. w. N.).

a) Nach der auf der Grundlage des § 107 a AO DDR 1970 ergangenen MdF-AnO vom 7. Februar 1990 war gemäß § 2 die Erteilung der Zulassung als Helfer in Steuer sachen an den Nachweis einer entsprechenden fachlichen Qualifikation -- je nach Vorbildung eine mindestens zweijährige bzw. mindestens zehnjährige praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts -- und die Ablegung einer Eignungsprüfung geknüpft. Die Prüfungskommission war aber berechtigt, den Antragsteller bei nachgewiesener fachlicher Eignung von der Prüfung zu befreien.

Der erkennende Senat hat in Anwendung der StBerO für die Bestellung als Steuer berater oder Steuerbevollmächtigter entschieden, daß eine Bestellung nach dieser Verordnung nur für Bürger der DDR in Betracht kam und daß die als Zulassungsvoraussetzung geforderte praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der ehemaligen DDR gewonnen sein muß (vgl. Urteile vom 11. Mai 1993 VII R 98/92, BFH/NV 1994, 194; vom 4. November 1993 VII R 26/93, BFH/NV 1994, 663; vom 1. Februar 1994 VII R 27/93, BFHE 173, 471, BStBl II 1994, 822). Die vorstehende Auslegung gilt nach den zitierten Entscheidungen auch für die MdF-AnO vom 7. Februar 1990, die gemäß § 70 Abs. 1 StBerO bis zum 31. Dezember 1990 für die Prüfung und Bestellung von Steuerbevollmächtigten weiterhin Anwendung fand. Das bedeutet, daß die in § 2 Abs. 2 Buchst. 1 MdF-AnO als Zulassungsvoraussetzung geforderte praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR gewonnen sein muß; daß die in der MdF-AnO getroffenen Regelungen nur für Bürger der DDR anzuwenden sind, ist nunmehr in § 70 Abs. 1 Satz 2 StBerO (eingefügt durch die Berichtigung vom 27. August 1990, GBl DDR 1990, 1257) ausdrücklich bestimmt. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats wäre demnach die Zulassung des Klägers als Helfer in Steuersachen -- abgesehen von dem Außerkrafttreten des § 107 a AO DDR 1970 -- auch deshalb rechtswidrig gewesen, weil der Kläger die Zulassungsvoraussetzungen der Staatsbürgerschaft der DDR und einer mehrjährigen praktischen Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR nicht erfüllt.

b) In seinem Urteil in BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334 hat der Senat aber entschieden, daß die Rücknahme einer rechtswidrigen (vorläufigen) Bestellung als Steuerbevollmächtigter nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht ohne weiteres darauf gestützt werden kann, der Betroffene habe im Zeitpunkt seiner Zulassung als Helfer in Steuersachen die in den maßgeblichen Vorschriften nicht wörtlich aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen (hier: Bürger der DDR zu sein und Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR zu haben) gekannt oder kennen müssen. Hinsichtlich der hier fehlenden Zulassungsvoraussetzungen hat der Senat ausgeführt, daß dem dortigen Kläger, der vor Inkrafttreten der StBerO zum Helfer in Steuersachen zugelassen worden war, die Rechtswidrigkeit seiner Zulassung nicht erkennbar gewesen sei, weil die MdF-AnO hinsichtlich ihres Geltungsbereichs nur von "Bürgern, die den Antrag stellen" gesprochen habe und als Zulassungsvoraussetzung lediglich "praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts" gefordert habe und der Senat erst mit den oben (vgl. 3. a) zitierten Urteilen -- erstmals im Jahre 1993 -- entschieden habe, daß die Regelung nur für Bürger der DDR anzuwenden sei und die vorgeschriebenen Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR gewonnen sein mußten. Die Rechtsauslegung, wie sie vom Senat schließlich vertreten worden sei, sei für den damaligen Kläger nicht vorhersehbar (erkennbar) gewesen. Denn mit den genannten Entscheidungen sei die Rechtslage nach Inkrafttreten der StBerO und unter Einbeziehung der in dieser enthaltenen Vorschriften über die Berufszulassung zu beurteilen gewesen.

Im Streitfall ist der Kläger zwar erst am 6. August 1990, und damit nach Inkrafttreten der StBerO als Helfer in Steuersachen zugelassen worden, so daß in dem für die Kenntnis der Rechtswidrigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Berufszulassung auch für ihn eine Mitberücksichtigung der Vorschriften der StBerO möglich gewesen wäre. Der Senat ist aber der Auffassung, daß auch von einem Bewerber um die Zulassung zu einem steuerberatenden Beruf nicht erwartet werden konnte, daß er die vom Bundesfinanzhof in späteren Entscheidungen vorgenommene Auslegung der MdF-AnO über deren Wortlaut hinaus im Lichte der Vorschriften der StBerO bei seiner Einschätzung der Rechtslage in ähnlicher Weise vorwegnehmen mußte. Wie bereits in dem Senatsurteil in BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334, 338 ausgeführt, war deshalb hinsichtlich der in § 2 Abs. 2 Buchst. a MdF-AnO vorgeschriebenen Erfahrung auf dem "Gebiet des Steuerrechts" nach Abschluß des Vertrages über die Währungsunion und hier kurz vor der Wiedervereinigung die Auffassung des Klägers vertretbar, daß diese Zulassungsvoraussetzung sich nicht nur auf das -- dort nicht ausdrücklich genannte -- Steuerrecht der DDR beziehe (ebenso Senatsurteil vom 5. November 1996 VII R 36/96). Das gilt im Streitfall um so mehr, als der Kläger aufgrund seines am 18. Juni 1990 gestellten Zulassungsantrags nach dem Senatsurteil in BFHE 85, 239, BStBl III 1966, 296 davon ausgehen konnte, daß sein Antrag nach der bisherigen Rechtslage, also ohne Berücksichtigung der erst am 27. Juli 1990 in kraft getretenen Vorschriften der StBerO, beschieden werden würde. Daß die MdF-AnO nur für Bürger der DDR gelten sollte, ist ohnehin erst nach der Bestellung des Klägers als Helfer in Steuersachen am 27. August 1990 in § 70 Abs. 1 Satz 2 StBerO klargestellt worden.

Da hier -- im Gegensatz zu den bisherigen Entscheidungen des Senats über die Rücknahme der Bestellung als Steuerberater, bei denen sich die Kenntnis der Rechtswidrigkeit aus der klaren und eindeutigen Regelung des nach § 15 Abs. 2 StBerO begünstigten Personenkreises (Berufskatalog) ergab (vgl. Senatsurteil vom 7. März 1995 VII R 4/94, BFHE 177, 180, 184, BStBl II 1995, 421) -- dem Kläger hinsichtlich seiner Zulassung als Helfer in Steuersachen mit dem § 107 a AO DDR 1970 und der MdF- AnO vom 7. Februar 1990 nicht derartige eindeutige Vorschriften entgegengehalten werden können, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der Zulassung bereits nach dem klaren Wortlaut der Bestimmungen ergibt, kann hier nicht davon ausgegangen werden, daß er dies kannte oder kennen mußte.

c) Nach den Senatsurteilen in BFH/NV 1996, 853 und vom 5. November 1996 VII R 36/96 ergibt sich allein daraus, daß die Zulassung als Helfer in Steuersachen nach Wegfall der maßgeblichen Rechtsgrundlage (§ 107 a AO DDR 1970) ausgesprochen wird, nicht, daß der Begünstigte ihre Rechtswidrigkeit kannte oder kennen mußte. Das gilt insbesondere dann, wenn der Zulassungsantrag -- wie im Streitfall -- zu einem Zeitpunkt gestellt worden ist, in dem die AO DDR 1970 noch gültig war. Da im Streitfall --wie oben (2. a) ausgeführt -- eine Zulassung als Helfer in Steuersachen aufgrund der im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechtslage aus der Sicht des Klägers jedenfalls denkbar und rechtlich möglich war, kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger die Rechtswidrigkeit der Bestellung, die sich bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt ergab, hätte kennen müssen. Ob der Kläger gemäß dem Senatsurteil in BFHE 85, 239, BStBl III 1966, 296 noch einen Rechtsanspruch auf die Bestellung als Helfer in Steuersachen hatte, ist für die Frage der Kenntnis oder des Kennenmüssens der Rechtswidrigkeit gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht entscheidend.

4. Da somit die vom FG und vom FinMin angeführten Gründe eine Rücknahme der vorläufigen Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter nach § 46 Abs. 1 Satz 2 erste Alternative StBerG nicht rechtfertigen, kommt aufgrund der erfolgreichen Teilnahme an dem Übergangsseminar seine endgültige Bestellung als Steuerberater nach § 40 a Abs. 1 Sätze 3 und 4 StBerG in Betracht. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben.

Der Senat kann nicht abschließend über das Verpflichtungsbegehren entscheiden, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß sonstige, bisher nicht geprüfte Gründe für die Rücknahme der Bestellung vorliegen bzw. der beantragten endgültigen Bestellung entgegenstehen. Insbesondere fehlen -- mit Ausnahme der schließlich noch abgelegten Eignungsprüfung -- Feststellungen des FG über die für die Zulassung als Helfer in Steuersachen gemäß § 2 Abs. 2 MdF- AnO vorausgesetzte fachliche Qualifikation des Klägers (Vorbildung und Dauer der praktischen Erfahrung auf dem Gebiet des Steuerrechts). Der ablehnende Bescheid des FinMin vom 22. Juli 1996, der auch nur Ausführungen hinsichtlich der vom Senat abgelehnten Rücknahmegründe enthält, war demnach aufzuheben und das FinMin gemäß § 101 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu verpflichten, über das Begehren des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 1987 IX R 103/85, BFHE 150, 124, 129, BStBl II 1987, 707, 709; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 101 Rz. 4).

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das FinMin zu tragen, da der Kläger nach den bisher erkennbaren Streitpunkten voll obsiegt und die verbleibende mangelnde Spruchreife von der Verwaltung zu vertreten ist (§§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO; vgl. Gräber/von Groll, a. a. O., § 101 Rz. 8).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422127

BFH/NV 1997, 532

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