Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Fortschreibungen von Einheitswerten des kriegszerstörten oder kriegsbeschädigten Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 innerhalb des früheren Vereinigten Wirtschaftsgebietes sind der Berechnung der Grundsteuer erst vom Rechnungsjahr 1951 ab zugrunde zu legen.
Vor der Regelung der Grundsteuer durch das Gesetz vom 10. August 1951 (Bundesgesetzblatt 1951 I S. 515) konnte in den zu 1. bezeichneten Fällen im Grundsteuermeßbescheid nicht bestimmt werden, von wann an die Grundsteuer nach dem neuen Meßbetrag zu erheben sei. Es war daher zulässig und geboten, diese Frage im Steuermeßbescheid offenzulassen und hierauf hinzuweisen.
Normenkette
GrStG §§ 14, 33
Tatbestand
Wegen des Sachverhalts wird auf den Bescheid des Senats vom 13. Juni 1952 Bezug genommen. Die erneute Würdigung, insbesondere auch unter den von der Beschwerdeführerin (Bfin.) geltend gemachten Gesichtspunkten aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG), hat dem Senat keine Veranlassung gegeben, von der in dem Bescheid vertretenen Auffassung abzuweichen oder die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Für das Fabrikgrundstück ist wegen eines Kriegsschadens auf den Antrag der Beschwerdeführerin (Bfin.) als Eigentümerin der Einheitswert von 441.100 RM auf 289.900 DM auf den 21. Juni 1948 und zugleich entsprechend der Grundsteuermeßbetrag von 4.411 RM auf 2.298 DM fortgeschrieben worden.
Der Grundsteuermeßbescheid hat folgenden Satz enthalten: "über die Frage, ob und inwieweit auf Grund des Meßbescheides Grundsteuer erhoben wird, ergehen noch Bestimmungen der Landesregierung. Bis dahin regelt sich Ihre Grundsteuerzahlung noch nach dem bisherigen Verfahren."
In ihrer Sprungberufung hat sich die Bfin. gegen diesen Zusatz gewandt und beantragt, statt dessen zu bestimmen, daß die Fortschreibung des Meßbescheids für die Zeit ab 1. April 1949 gelte.
Die Berufung ist als unbegründet zurückgewiesen worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bfin. Sie wiederholt den Antrag aus dem Berufungsverfahren und hat gebeten, Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.
Die Bfin. begründet ihr Rechtsmittel unter Anführung von Einzelheiten wie folgt:
Das Gesetz des Wirtschaftsrats vom 10. März 1949 betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets - WiGBl. - 1949 S. 25) sowie das Grundsteueränderungsgesetz vom 10. August 1951 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I S. 463) hätten entgegen § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht den 1. Januar eines Jahres, sondern den Währungsstichtag als Feststellungszeitpunkt bestimmt, und die Fortschreibung der Einheitswerte wegen Kriegsschäden sei im Verhältnis zu der Fortschreibung aus anderen Gründen unbefriedigend geregelt worden. Ferner gehe der Erlaß vom 5. September 1949 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1949 S. 357), den der Direktor der Verwaltung für Finanzen zur Durchführung des genannten Fortschreibungsgesetzes erlassen habe, über den ihm vom Gesetz gezogenen Rahmen hinaus, indem er die Absendung von Grundsteuermeßbescheiden anordne, die nicht den Termin enthielten, von dem an die Grundsteuer zu erheben sei, anstatt den 1. April 1949 als Stichtag zu bestimmen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat es für angemessen erachtet, zunächst einen Vorbescheid zu erlassen.
Die angefochtene Entscheidung hat die Frage des Zeitpunktes des Beginns der Auswirkung des neuen Meßbetrages auf die Grundsteuer offengelassen. Dennoch ist die Bfin. als durch die Entscheidung beschwert anzusehen, weil ihr Antrag, als Termin den 1. April 1949 zu bestimmen, abgelehnt worden ist und sie ein berechtigtes Interesse daran gehabt hat, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt die Grundsteuer lediglich nach dem Restwert des kriegszerstörten Grundstücks zu entrichten, ohne auf Billigkeitsmaßnahmen angewiesen zu sein.
Das Gesetz vom 10. März 1949 zur Fortschreibung von Einheitswerten des Grundbesitzes ist ordnungsgemäß zustande gekommen und verkündet worden. Der Senat trägt keinerlei Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit des Gesetzes nach Form und Inhalt und hat es bereits wiederholt in den ihm vorgelegten Fällen angewandt. Auch die Bfin. selbst begehrt die Fortschreibung auf Grund des Gesetzes.
Eine andere Frage ist es, ob das Hinausschieben der Festsetzung des Zeitpunktes, von dem an die fortgeschriebenen Steuermeßbeträge der Berechnung der Grundsteuer zugrunde zu legen sind, von dem Gesetz getragen wird; denn ohne diese Voraussetzung würde die entsprechende Bestimmung des Direktors der Verwaltung für Finanzen vom 5. September 1949 in der Luft hängen und nichtig sein.
Das Gesetz vom 10. März 1949 enthält keine Bestimmung, die der erwähnten Hinausschiebung entgegenstünde. Es kommt letzten Endes darauf an, ob die von der Bfin. beanstandete, mit den Richtlinien des Direktors der Verwaltung für Finanzen übereinstimmende Fassung des Grundsteuermeßbescheides etwa den Vorschriften der Reichsabgabenordnung zuwiderläuft.
Das Hinausschieben der Bestimmung des maßgebenden Zeitpunktes hat offenbar darin seinen Grund gehabt, daß die Verwaltung für die Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes zu jener Zeit, zwei Tage vor dem ersten Zusammentritt des Bundestages der inzwischen geschaffenen Bundesrepublik Deutschland, abwarten wollte, daß der Bund die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für das Gebiet der Grundsteuer erhalten würde. Wenn sich der Direktor der Verwaltung für Finanzen unter diesen Umständen einer Bestimmung über die in den Ländern zu erhebende Grundsteuer enthielt, so entsprach dies verfassungsrechtlichen Grundsätzen.
Zu Unrecht hält die Bfin. es für unzulässig, gemäß der Anordnung vom 5. September 1949 in dem Fortschreibungsmeßbescheid die Frage des Termins der Anwendung auf die Grundsteuer offengelassen zu haben. Auch sonst braucht ein Steuerbescheid nicht sogleich in allen Punkten endgültig Klarheit zu schaffen. So kennt z. B. § 100 der Reichsabgabenordnung (AO) ganz allgemein den Fall, daß ein Steuerbescheid, gleichviel welcher Art, in der einen oder anderen Hinsicht nur vorläufig ist oder nur ein Teilgebiet regelt, indem er sich entweder vollständig oder teilweise eine endgültige Entscheidung vorbehält. So ist es zulässig, über einen Steueranspruch nur dem Grunde nach zu entscheiden oder die Berichtigung des festgesetzten Steuerbetrages vorzubehalten. Demgemäß ist es auch unbedenklich, nur den Meßbetrag der Grundsteuer zu bestimmen und den Termin des Wirksamwerdens für die Erhebung der Grundsteuer offenzulassen. Das Finanzamt und das Finanzgericht waren auch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) gar nicht in der Lage, einen Termin für den Beginn des Wirksamwerdens des Meßbescheides für die Heranziehung zur Grundsteuer zu bestimmen. Nach der genannten Vorschrift gilt die Fortschreibungsveranlagung von demjenigen Rechnungsjahr an, das ein Vierteljahr nach dem Fortschreibungszeitpunkt zu laufen beginnt. Fortschreibungszeitpunkt ist bei der Bfin. der Währungsstichtag gewesen. Das Rechnungsjahr 1949, auf dessen Beginn die Bgin. die Wirksamkeit des Meßbescheides abgestellt wissen will, hat indessen nicht ein Vierteljahr, sondern mehr als drei Vierteljahre nach dem 21. Juni 1948 zu laufen begonnen. Für diesen besonderen, in erster Linie für die Zwecke des Lastenausgleichs geschaffenen Fortschreibungszeitpunkt waren deshalb besondere Vorschriften hinsichtlich der Grundsteuer erforderlich. Da die Heranziehung zur Grundsteuer für ein ganzes Rechnungsjahr, von seinem Beginn an, zu erfolgen hat, ist auch nicht etwa an den 21. September 1948 als Beginn der Laufzeit der neuen Grundsteuer zu denken. Wie zweckmäßig der Vorbehalt in dem angefochtenen Grundsteuermeßbescheid gewesen ist, hat sich ja dann an § 33 Abs. 2 GrStG in der Fassung vom 10. August 1951 erwiesen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes zur änderung des Grundsteuergesetzes vom 10. August 1951 (BGBl. Teil I S. 463) besteht kein Zweifel darüber, daß dem Antrage der Bfin., als Termin für das Wirksamwerden der Einheitswertfortschreibung auf die Heranziehung zur Grundsteuer den 1. April 1949 festzusetzen, nicht stattgegeben werden darf; denn Art. III Abs. 2 a a. a. O. bestimmt ausdrücklich, daß die fortgeschriebenen Steuermeßbeträge, soweit es sich um Kriegszerstörung handelt, vom Rechnungsjahr 1951 ab der Berechnung der Grundsteuer zugrunde zu legen sind. Außerdem spricht Art. IV Abs. 2 a. a. O. klar aus, daß alle Vorschriften des änderungsgesetzes mit Ausnahme von Art. III Abs. 1 und Abs. 2 b a. a. O. erstmals für das Rechnungsjahr 1951 anzuwenden sind. Deshalb ist Art. III Abs. 2 a a. a. O. erstmals ab 1. April 1951 anzuwenden; die Zweifel von Hereth in Steuer und Wirtschaft 1952 Sp. 129 f. über die Auslegung des § 33 GrStG sind demnach unbegründet. Dies wird noch klarer an Hand der Begründung der Bundesregierung zum änderungsgesetz (Bundesanzeiger 1951 Nr. 164 S. 2, Bundessteuerblatt 1951 I S. 470 f.); dort heißt es:
"Da die Fortschreibung der Einheitswerte erst im Laufe der Rechnungsjahre 1950 und 1951 erfolgt, erscheint es unrichtig, die Fortschreibungsveranlagungen bei Kriegsschäden usw., obwohl sie auf den 21. Juni 1948 abgestellt sind, schon für das Rechnungsjahr 1949 der Grundsteuer zugrunde zu legen, für das in den meisten Fällen bereits Erlaß der Grundsteuer im Rahmen der Billigkeitsrichtlinien bewilligt worden ist. Die Grundsteuer soll nach den neuen Werten erstmals für das Rechnungsjahr 1951 erhoben werden.
Anders liegt der Sachverhalt bei den im Abschn. II des Gesetzes vom 10. März 1949 ... geregelten Tatbeständen. Hier handelt es sich um Fortschreibungen von Einheitswerten ..., deren Voraussetzungen bis zum 20. Juni 1948 vorgelegen haben müssen. Nach den §§ 14 und 15 GrStG würden im Laufe des Kalenderjahres 1948 verursachte Fortschreibungen ... auf den 1. Januar 1949, als den nach dem Reichsbewertungsgesetz maßgebenden Fortschreibungs- ... Zeitpunkt, abzustellen gewesen sein. Die Steuerpflicht hätte dann ... mit dem Rechnungsjahr 1949 begonnen. Daran ist in den Fällen des Abschn. II für die auf den 21. Juni 1948 abzustellenden Fortschreibungs- ... Veranlagungen festzuhalten."
Die Rb. war deshalb mit der Kostenfolge des § 307 AO als unbegründet zurückzuweisen, und zwar mit der Maßgabe, daß der Grundsteuermeßbetrag erstmals für das Rechnungsjahr 1951 auf die Grundsteuerberechnung anzuwenden ist. Für die Rechnungsjahre 1949 und 1950 ist die Bfin. noch auf die Anwendung der einschlägigen Billigkeitsmaßnahmen angewiesen.
Darin ist allerdings der Bfin. beizutreten: Der Gesetzgeber ist, wie die amtliche Begründung des Gesetzes zur änderung des Grundsteuergesetzes vom 10. August 1951 (Bundesanzeiger 1951 Nr. 164 S. 2) ergibt, bei der Bestimmung, daß der neue Grundsteuermeßbetrag bei kriegsbeschädigten Grundstücken erst vom 1. April 1951 ab sich auswirken soll, von der Erwägung ausgegangen, daß für die Zeit bis dahin die Grundsteuer in solchen Fällen im Rahmen der Billigkeitsrichtlinien erlassen worden sei. Wenn die Stadtgemeinde X, wie die Bfin. vorgetragen hat, nicht entsprechend verfahren sein sollte, so bleibt für die Bfin. nur der Weg, die Entscheidung der Stadt X anzufechten. Der Bundesfinanzhof ist im vorliegenden Verfahren über den Grundsteuermeßbescheid nicht in der Lage, die Entscheidung der Stadt X abzuändern.
Fundstellen
Haufe-Index 407516 |
BStBl III 1952, 304 |
BFHE 1953, 793 |
BFHE 56, 793 |