Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblicher Grundstückshandel bei der Veräußerung von Miteigentumsanteilen über einen Bauträger

 

Leitsatz (NV)

1. Einem Grundstücksverkäufer kann die gewerbliche Tätigkeit eines Bauträgers nicht zugerechnet werden, wenn der Bauträger nicht in seinem Auftrag, sondern auf eigene Rechnung und Gefahr tätig wird.

2. Der Verkauf von Miteigentumsanteilen kann gewerblich sein, wenn der Verkäufer durch eine Bauvoranfrage das Grundstück baureif macht. Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung ist jedoch allein durch eine Bauvoranfrage nicht überschritten, wenn der Eigentümer die in ihr liegende Wertsteigerungschance des Grundstücks nicht selbst realisieren kann, da er zu einem Festpreis an von einem Bauträger zu benennende Dritte verkaufen muß.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) in der Einkommensteuersache 1982 sind Eheleute, die zusammen veranlagt wurden. Klägerin in der Gewerbesteuermeßbetragssache 1982 ist die Ehefrau. Die Eheleute erwarben im Dezember 1975 ein Einfamilienhaus mit Garage. In den Jahren 1976 bis 1978 führten sie größere Renovierungsarbeiten durch. Das Badezimmer wurde neu gestaltet, die Heizung erneuert, das Dach isoliert und neu gedeckt und das Haus teilweise verputzt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1978 übertrug der Kläger seinen Grundstücksanteil auf die Klägerin.

Ende 1979 faßten die Kläger den Entschluß, das zweigeschossige Einfamilienhaus zu verkaufen. Da der Kläger aufgrund einer Krankheit keine Treppen mehr steigen konnte, beabsichtigten sie, ein eingeschossiges Haus zu erwerben. Die Bank der Kläger vermittelte daraufhin den Kontakt zu der X-Vermögensanlage GmbH (X-GmbH). Die X- GmbH schlug den Klägern vor, das Einfamilienhaus abzureißen, das Grundstück an eine Bauherrengemeinschaft zur Errichtung eines Gebäudes mit Eigentumswohnungen zu veräußern und selbst eine der Eigentumswohnungen zu erwerben.

Die Kläger waren mit dem Plan der X- GmbH einverstanden. Zur Realisierung gab die Klägerin im Dezember 1979 ein notarielles Kaufvertragsangebot ab. Die Klägerin verpflichtete sich, Miteigentumsanteile des Grundstücks an von der X-GmbH zu benennende Dritte zu veräußern. Das Angebot war befristet bis zum 31. Dezember 1980. Der Kaufpreis für alle Anteile sollte ... DM betragen.

Im Januar 1980 reichte der Architekt A eine Bauvoranfrage ein. Die Bauvoranfrage war von der Klägerin unterschrieben. Der Architekt erhielt weder von der Klägerin noch von der X-GmbH ein Honorar. Nachdem die Bauvoranfrage positiv beschieden war, wurde das Grundstück neu vermessen. Im Anschluß hieran gab die Klägerin im Dezember 1980 ein neues befristetes Kaufvertragsangebot ab. Die angebotene Grundfläche wurde an die Planung angepaßt und der Grundstückspreis auf ins gesamt ... DM erhöht. Nach erneuter Fristverlängerung und Kaufpreisänderung wurde das Kaufvertragsangebot im Dezember 1981 zum Kaufpreis von ... DM angenommen. Unter Berücksichtigung späterer Änderungen verkaufte die Klägerin sechs Miteigentumsanteile. Einen Miteigentumsanteil behielt sie und nutzte die Wohnung, wie geplant, selbst.

An der Planung und Vertragsgestaltung durch die Bauherrengemeinschaft, dem Vertrieb der Eigentumswohnungen und der Suche nach den Käufern haben die Kläger nicht mitgewirkt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) sah den Verkauf der Miteigentumsanteile als gewerblichen Grundstückshandel an, da die Klägerin die Bebaubarkeit des Grundstücks durch eine Bauvoranfrage habe klären lassen.

Die Kläger trugen im gerichtlichen Verfahren vor, die Bauvoranfrage könne nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit führen. Der Architekt habe die Bauvoranfrage im Auftrag und im Interesse der X-GmbH betrieben. Der Architekt habe nur wegen Vermögensverfalls von der X-GmbH kein Honorar erhalten.

Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen statt. Das Urteil betr. Einkommensteuer ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1993, 304 veröffentlicht.

Das FG vertrat die Ansicht, aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Kauf und Verkauf des Grundstücks könne nicht auf eine Veräußerungsabsicht bereits zum Zeitpunkt des Kaufs geschlossen werden. Gewerblicher Grundstückshandel könne folglich nur vorliegen, wenn die Klägerin bei der Erschließung oder der künftigen Bebauung des Grundstücks aktiv mitgewirkt habe. Dabei brauche nicht aufgeklärt zu werden, ob die Bauvoranfrage im Auftrag der Klägerin oder der X-GmbH erfolgt sei. Selbst wenn ein Auftrag der Klägerin vorläge, sei dies allein zu wenig, um den gewerblichen Grundstückshandel bejahen zu können.

Mit den Revisionen macht das FA weiterhin geltend, es liege ein gewerblicher Grundstückshandel vor. Die positiv beschiedene Bauvoranfrage führe dazu, daß das daraufhin wie geplant bebaubare Grundstück als Wirtschaftsgut anderer Marktgängigkeit anzusehen sei. Dies zeige die Werterhöhung des Grundstücks nach Genehmigung der Bauvoranfrage deutlich.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen X R 34/93 und X R 35/93 werden gemäß § 73 Abs. 1, § 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die verbundenen Revisionen sind unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß kein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt. Die Klägerin handelte im Rahmen privater Vermögensverwaltung.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird bei dem Kauf und Verkauf sowohl unbebauter als auch bebauter Grundstücke der Bereich der privaten Vermögensverwaltung überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (BFH-Urteile vom 5. September 1990 X R 107--108/89, BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060; vom 17. Februar 1993 X R 108/90, BFH/NV 1994, 84, und Beschluß vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617 unter C I).

a) Soweit die Willensrichtung des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist, vor allem die bereits beim Grundstücksankauf bestehende Absicht, durch die spätere Veräußerung Gewinne zu erzielen, kann diese innere Tatsache nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden. Der Verkauf von mehr als drei Objekten innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs -- in der Regel fünf Jahren -- rechtfertigt es grundsätzlich, von einer bereits von Anfang an bestehenden Verkaufsabsicht auszugehen (z. B. BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060).

Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Kauf und Verkauf von Grundstücken ist insoweit allerdings nur ein Beweisanzeichen, das durch andere eindeutige gegenteilige Anhaltspunkte erschüttert werden kann. Bloße Behauptungen von Steuerpflichtigen reichen hierfür zwar nicht aus. Nachweisbare objektive Tatsachen können jedoch dazu führen, daß trotz eines zeitnahen Kaufs und Verkaufs von keiner anfänglichen Verkaufsabsicht auszugehen ist (Urteile vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143 unter 1 a cc, und vom 21. Mai 1993 VIII R 10/92, BFH/NV 1994, 94).

b) Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es kam aufgrund seiner gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellten Tatsachen zu dem Ergebnis, daß das Beweisanzeichen des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Grundstückskauf und Grundstücksverkauf ausnahmsweise widerlegt ist. Diese Sachverhaltswürdigung ist im Revisionsverfahren nicht zu beanstanden. Der Schluß, die Kläger hätten das Gebäude 1976 bis 1978 nicht aufwendig renoviert, wenn sie den Abriß und die Neuerrichtung eines Gebäudes geplant hätten, verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze.

2. Hat ein Steuerpflichtiger ein unbebautes Grundstück ohne Veräußerungsabsicht erworben, so führt die bloße Parzellierung auch bei einem Verkauf einer Vielzahl von Parzellen nicht zu gewerblichem Grundstückshandel. Eine private Vermögensverwaltung ist erst dann nicht mehr gegeben, wenn der Veräußerer Aktivitäten entfaltet, die über die bloße Parzellierung hinausgehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Veräußerer an der Erschließung oder der zukünftigen Bebauung aktiv mitwirkt (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 10. August 1983 I R 120/80, BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137 m. w. N., und vom 28. April 1988 IV R 130--131/86, BFH/NV 1989, 102).

a) Eine aktive Beteiligung hat der BFH insbesondere angenommen, wenn ein Steuerpflichtiger Miteigentumsanteile veräußert, nachdem er zuvor eine detaillierte Planung für die Bebauung veranlaßt hatte und die Käufer ihm gegenüber verpflichtet waren, das Grundstück im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft bzw. Bauherrengesellschaft zu bebauen (Beschluß vom 12. Februar 1990 X B 124/88, BFH/NV 1990, 640, und Urteil vom 16. April 1991 VIII R 74/87, BFHE 164, 347, BStBl II 1991, 844). Werden Dritte für den Steuerpflichtigen tätig, so muß er sich deren Aktivitäten zurechnen lassen (Urteile vom 14. November 1972 VIII R 71/72, BFHE 107, 501, BStBl II 1973, 239; vom 6. Februar 1986 IV R 133/85, BFHE 146, 244, BStBl II 1986, 666, und in BFH/NV 1990, 640).

Im Streitfall waren die Grundstückskäufer der Klägerin gegenüber nicht zu Baumaßnahmen oder sonstigen über die Käuferpflichten hinausgehenden Maßnahmen verpflichtet. Die Klägerin muß sich die Aktivitäten der X-GmbH nicht zurechnen lassen. Die X-GmbH wurde auf eigene Rechnung und Gefahr und nicht im Auftrag der Klägerin tätig. Das Bauherrenmodell wurde ausschließlich aufgrund der vertraglichen Beziehungen der Käufer mit der X-GmbH abgewickelt.

b) Im Urteil vom 8. Juli 1982 IV R 20/78 (BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700) hat der BFH eine Bauvoranfrage als Maßnahme der Baureifmachung zu den über eine private Vermögensverwaltung hinausgehenden Aktivitäten gezählt. Auch der erkennende Senat ist im Beschluß in BFH/NV 1990, 640 von dieser Ansicht ausgegangen. Hieran ist festzuhalten. Eine Bauvoranfrage ist zum Verkauf von Miteigentumsanteilen nicht erforderlich (vgl. BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137). Ein aufgrund einer Bauvoranfrage erteilter Vorbescheid ist demgemäß als ein Ausschnitt (vorweggenommener Teil) aus der späteren umfassenden Baugenehmigung (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Februar 1984 4 C 39/82, BVerwGE 69, 1, Neue Juristische Wochenschrift 1984, 1473) anzusehen und steuerlich wie ein Bauantrag zu beurteilen, mit dem auf die künftige Bebauung Einfluß genommen wird (vgl. BFH-Urteil vom 7. Februar 1973 I R 210/71, BFHE 109, 308, BStBl II 1973, 642).

Die Entscheidung, ob der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten ist, ist indessen gemäß ständiger Rechtsprechung nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu treffen (BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060, und in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617). Im Rahmen der Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls kam das FG zu dem zutreffenden Ergebnis, daß keine gewerbliche Tätigkeit vorliegt.

Die Bauvoranfrage war für die Klägerin kostenlos und mit keinem sonstigen Aufwand verbunden. Vor allem aber lag die Wertsteigerung des Grundstücks infolge der genehmigten Bauvoranfrage primär im Interesse der X-GmbH. Die X-GmbH war für die Realisierung des Bauvorhabens verantwortlich. Die Klägerin war der X-GmbH gegenüber an ihr Kaufvertragsangebot vom Dezember 1979 gebunden, das zeitlich vor der Bauvoranfrage lag. Damit hatte im Streitfall die X-GmbH die Chance, Käufer zu finden und durch die Wertsteigerung des Grundstücks Gewinne zu erzielen. Darin unterscheidet sich der Sachverhalt wesentlich von den Fällen, in denen Grundstücksverkäufer Aktivitäten entfalten, deren Wertsteigerungen ihnen bei planmäßigem Verlauf selbst zufließen.

Die Klägerin mußte mit der Annahme des ersten Kaufvertragsangebots vor Ablauf der Bindungsfrist rechnen. Sie hatte somit bereits vor der Bauvoranfrage die Wertsteigerungschance im Falle der Genehmigung des Vorhabens aus der Hand gegeben. Damit hat die Klägerin den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten (vgl. auch BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700, 703 letzter Absatz). Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß die Klägerin die Verlängerung der Bindungsfrist an das erste Kaufvertragsangebot zu einer Erhöhung des Grundstückspreises nutzen konnte.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 302

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