Entscheidungsstichwort (Thema)

EDV-Beratung als freiberufliche Tätigkeit

 

Leitsatz (NV)

1. Das Erstellen von Systemanalysen ist eine Tätigkeit, die der eines Ingenieurs ähnlich ist.

2. Zur Frage, wann die Berufsausbildung eines EDV-Beraters der eines Ingenieurs vergleichbar ist.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1975 bis 1977 als selbständiger Berater von Unternehmen im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung tätig. Die ihm gestellten Aufgaben umfaßten außer der gelegentlichen Ausbildung von Mitarbeitern der Auftraggeber im wesentlichen die Bereiche der Unternehmensberatung, die mit Hilfe der EDV bewältigt werden können, nämlich die Erstellung von Statistikprogrammen, Lohnabrechnungsprogrammen, Sammelprogrammen, die Organisation der Fakturierung, der Betriebsabrechnungen und Nachkalkulation, die Entwicklung und Erstellung von Programmsystemen für die Fertigungssteuerung und das Kassenwesen, die Einrichtung einer Datenbank, die Abwicklung des gesamten Ersatzteilwesens sowie Umstellungsarbeiten und Programmoptimierungen einschließlich Fehlersuche und Entwicklung von Testhilfen. Die Kenntnisse für seine Tätigkeit hatte sich der Kläger durch ein zehnsemestriges nicht abgeschlossenes Studium zur Vorbereitung auf den Beruf des Elektroingenieurs und Gewerbelehrers an den Technischen Hochschulen in . . ., durch ein praktische Berufstätigkeit als Programmierer im EDV-Bereich sowie durch Schulungs- und Fortbildungskurse (z. B. für Systemanalyse und für Elektronik und strukturierte Programmierung) angeeignet. Im Rahmen des Hochschulstudiums hatte der Kläger während zweier Semester auch einige betriebswirtschaftliche Fachvorlesungen (Einführung in die Volks- und Betriebswirtschaft, Bilanzen, Buchführung und industrielles Rechnungswesen) belegt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) war der Auffassung, daß die Tätigkeit des Klägers als gewerbliche zu beurteilen sei und er demnach Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Hiervon ausgehend erließ das FA die Einkommensteuerbescheide 1976 und 1977 und Gewerbesteuermeßbetragsbescheide 1975 bis 1977. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, daß seine Tätigkeit der des Diplom-Informatikers entspreche und er damit einen dem Ingenieur ähnlichen Beruf ausübe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil und die Gewerbesteuermeßbescheide 1975 bis 1977 aufzuheben und ferner die Einkommensteuer der Jahre 1976 und 1977 unter Berücksichtigung des Freibetrags nach § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Das FG hat zwar zutreffend entschieden, daß der Kläger keine Einkünfte aus wissenschaftlicher oder unterrichtender Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezogen hat. Dem FG ist ferner darin beizupflichten, daß der Kläger auch keine freiberuflichen Einkünfte aus der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts oder aus einer Berufstätigkeit, die dieser ähnlich ist, erzielt hat. Dabei kann dahinstehen, ob der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. z. B. Urteil vom 3. Dezember 1981 IV R 79/80, BFHE 134, 565, BStBl II 1982, 267) zu folgen ist, daß der EDV-Berater kein beratender Betriebswirt sei und auch keine Tätigkeit ausübe, die diesem Beruf ähnlich ist. Denn das FG hat festgestellt, daß der Kläger keine Berufsausbildung vorweisen konnte, die zur Ausübung der genannten Tätigkeiten erforderlich ist. Die hiergegen vom Kläger erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch; diese Entscheidung bedarf nach Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) keiner Begründung.

2. Die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Berufstätigkeit des Klägers als eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und damit als nicht gewerblich anzusehen ist.

a) ,,Ähnlich" i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist eine Tätigkeit, wenn sie in ihrer Gesamtheit dem Bild eines Katalogberufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG mit allen seinen Merkmalen vergleichbar ist (BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118). Setzt der Vergleichsberuf eine qualifizierte Ausbildung voraus, muß bei dem ähnlichen Beruf auch die Ausbildung vergleichbar sein (BFH-Urteil vom 20. April 1972 IV R 7/72, BFHE 105, 370, BStBl II 1972, 615).

Aufgabe des Ingenieurs ist es - wie das FG zutreffend ausgeführt hat -, auf der Grundlage natur- und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl., Stichwort ,,Ingenieur"). In dem Urteil vom 4. August 1983 IV R 6/80 (BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677) hat der BFH entschieden, daß ein selbständig tätiger Diplomat-Informatiker, dessen Ausbildung der Berufsausbildung der Ingenieure vergleichbar ist, eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt, wenn er Systemanalysen erarbeitet, aus denen sich ergibt, ob gewisse betriebliche Prozesse mit Hilfe von EDV-Anlagen vollziehbar sind. Die im Bereich der EDV mit Systemanalysen betrauten Personen werden ,,Systemanalytiker", ,,Systemorganisatoren" oder auch ,,Systemingenieure" genannt (Gabler, Wirtschaftslexikon, 11. Aufl., Stichwort ,,Systemanalyse"). Unter ,,Systemanalyse" im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung ist ,,die vorbereitende Tätigkeit für den Einsatz einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage oder für die elektronische Bearbeitung neuer Aufgaben" zu verstehen; ,,sie umfaßt im allgemeinen Aufnahme und Darstellung des Istzustandes, dessen Analyse, die Ausarbeitung optimaler, systembezogener (an den Möglichkeiten und Besonderheiten der elektronischen Datenverarbeitung sich orientierender) Abläufe bzw. Aufgabenlösungen" (Gabler, a.a.O.). Zur Tätigkeit der Systemanalytiker gehören auch die ,,wichtigen, vorbereitenden Organisationsarbeiten in Verbindung mit den Fachabteilungen" (Gabler, a.a.O., Stichwort: ,,Datenverarbeitungspersonal").

Demgegenüber hat das FG die Tätigkeit der EDV-Berater, soweit sie in der Prüfung, ob betriebswirtschaftliche Vorgänge durch den Einsatz von EDV-Anlagen bewältigt werden können und in der Entwicklung von Modellen zur Lösung derartiger Aufgabenstellungen besteht, nicht als eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen. Das angefochtene Urteil mußte deshalb bereits aus diesem Grund aufgehoben werden.

b) ,,Ähnlichkeit" bedeutet - wie bereits erwähnt - weiter, daß, falls der Vergleichsberuf eine qualifizierte Ausbildung erfordert, der Berufstätige eine vergleichbare Ausbildung vorweisen kann. Die Berufsausbildung des Ingenieurs setzt grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachschulstudium voraus. Eine solche Ausbildung ist deshalb - soll die Ähnlichkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bejaht werden - in der Regel auch für Ausübung des Berufs des Systemanalytikers erforderlich. Jedoch ist anerkannt, daß die Ausbildung in den ähnlichen Berufen nicht in der gleichen Weise erlangt sein muß wie die des Vergleichsberufs. Die Kenntnisse können z. B. auch durch Fernkurse oder durch Selbststudium erworben werden (vgl. z. B. Urteile in BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118; vom 16. Januar 1974 I R 106/72, BFHE 111, 316, BStBl II 1974, 293); dazu bedarf es jedoch einer substantiierten Darlegung der Art und Weise und des Inhalts dieses Studiums. Von diesen Grundsätzen ist das FG zwar ausgegangen. Es hat jedoch seine Entscheidung nicht auch auf die Berufsausbildung eines Ingenieurs, sondern nur auf die eines beratenden Betriebswirts bezogen.

3. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

Der Senat kann aus den Feststellungen des FG nicht entnehmen, ob der Kläger in dem dargestellten Sinne ähnlich wie ein Ingenieur tätig geworden ist. Hierzu bedarf es einer detaillierten Darlegung der dem Kläger übertragenen Aufgaben und der von ihm erarbeiteten Lösungsvorschläge.

Die Tatsachenfeststellungen des FG ergeben ferner nicht, ob die Berufsausbildung des Klägers mit der eines Ingenieurs vergleichbar ist. Bei der erneuten Entscheidung wird das FG eingehend zu prüfen haben, ob sich der Kläger Kenntnisse und Fähigkeiten angeeignet hat, die mit denen eines auf wissenschaftlicher Grundlage ausgebildeten Ingenieurs verglichen werden können.

Zur Nachholung der fehlenden Feststellungen wird die Sache an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 207

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge