Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei den in der DMEB bewerteten Apothekenrealrechten, für die Anschaffungskosten nicht festgestellt werden können, kann nach der Entwertung dieser Rechte durch die Einführung der Niederlassungsfreiheit der Ansatz eines Geschäftswerts in den Bilanzen gerechtfertigt sein. Der VI. Senat schließt sich den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 372/60 S vom 26. September 1963 (BStBl 1963 III S. 565) an.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewertung des Apothekenrealrechts der Apotheke in X. auf den 31. Dezember 1956. Der Apotheker A. und seine Ehefrau haben die Apotheke und das zu ihr gehörende Realrecht im Jahre 1919 gekauft. Nach dem Tode des Ehemannes im Jahre 1943 wurde die Apotheke zunächst verpachtet. Vom 1. Juli 1950 bis zu ihrem Tode im Jahre 1955 führte seine Witwe die Apotheke fort. In der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1950 wurde auf Grund des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 505/53 U vom 9. Dezember 1955 (BStBl 1956 III S. 18, Slg. Bd. 62 S. 46) das Realrecht mit 1/3 seines früheren Wertes, nämlich mit 61 600 DM, bewertet. In der Bilanz der Erbengemeinschaft zum 31. Dezember 1956 wurde der bis dahin mit 61 600 DM fortgeführte Restwert des Apothekenrealrechts auf einen Erinnerungswert von 1 DM abgeschrieben. Das Finanzamt erkannte diese Abschreibung nicht an, da durch die Herabsetzung des früheren Bilanzwerts von 185 000 DM auf 61 600 DM die Wertminderung des Realrechts durch die Einführung der Niederlassungsfreiheit ausreichend berücksichtigt sei.

Die Sprungberufung der Bgin. hatte Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Durch die Einführung der Gewerbefreiheit seien die Apothekenrealrechte im Jahre 1949 in der früheren amerikanischen Besatzungszone stark entwertet worden. Zum 31. Dezember 1949 sei im allgemeinen eine Abschreibung um 2/3 des in der DM- Eröffnungsbilanz (DMEB) angesetzten Wertes zugelassen worden. Die Einheitswerte dieser Rechte seien dagegen auf den 1. Januar 1950 auf 0 DM fortgeschrieben worden; gleichzeitig sei bei der Einheitsbewertung aber ein Firmenwert in Höhe des Betrages angesetzt worden, auf den das bisherige Apothekenrealrecht in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1949 abgeschrieben gewesen sei. Die Bgin. sehe demgegenüber das in der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1950 aktivierte Drittel des bisherigen Wertes des Apothekenrealrechts als dessen Restwert an. Diese Auffassung sei nicht abwegig, da die Eigentümer von Realrechtsapotheken im Jahre 1950 noch die Hoffnung hätten haben können, daß in der früheren amerikanischen Besatzungszone die Niederlassungsfreiheit wieder beseitigt würde. Die Bemühungen des Verbands der Apothekenrealrechtsbesitzer hätten auch zum Erlaß des Gesetzes vom 13. Januar 1953 über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken geführt, das dann allerdings durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvF 3/53 vom 30. Mai 1956 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1956 S. 1025) für nichtig erklärt worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil I C 221/54 vom 22. November 1956 (NJW 1957 S. 356) die Zulässigkeit der Prüfung des Bedürfnisses für die Errichtung einer Apotheke verneint, was vom Bundesverfassungsgericht durch das Urteil 1 BvR 596/56 vom 11. Juni 1958 (NJW 1958 S. 1035) bestätigt worden sei. Die völlige Entwertung der Apothekenrealrechte, die zwar bisher noch nicht formell aufgehoben worden seien, sei seit dem 22. November 1956 augenscheinlich. Der Einheitswert der Gewerbeberechtigung sei auf den 1. Januar 1946 nach der damals vorgesehenen Bewertungsmethode auf 185 000 RM ermittelt worden, nämlich auf 90 v. H. des Durchschnitts der in den Jahren 1937, 1938 und 1945 erzielten Umsätze, gleichgültig ob und in welcher Höhe sich damals bereits ein besonderer Geschäftswert gebildet gehabt habe. Im Streitfall ergebe sich aus dem Kaufvertrag vom Jahre 1919 nicht, welcher Betrag für das Realrecht bezahlt worden sei und ob hiervon ein Teil auf einen Geschäftswert entfallen sei. Wenn die Betriebserlaubnis einer Apotheke wegfalle oder wertlos werde, könne von dem bisherigen Bilanzwert des Realrechts nicht ein Teil als Geschäftswert weiterbestehen. Eine andere Frage sei allerdings, ob dann nicht ein besonderer Posten in die Bilanz als Geschäftswert eingesetzt werden könne oder müsse. Das sei aber mindestens dann zu verneinen, wenn - wie im Streitfalle - weder der Steuerpflichtige noch seine Rechtsvorgänger Aufwendungen für einen erworbenen (derivativen) Geschäftswert gemacht hätten.

Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb., das Finanzgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung des Apothekenrealrechts bejaht. Das eigentliche Apothekenbetriebsrecht sei zwar untrennbar mit dem Geschäftswert der Apotheke verbunden. Wenn beide auch nach außen eine Einheit bildeten, so sei nach der Entwertung des Realrechts doch der Geschäftswert erhalten geblieben, nicht zuletzt deshalb, weil die Apotheken auch zum Verkauf apothekenfreier Waren übergegangen seien. Gegen die Annahme der Wertlosigkeit der Apothekenrealrechte spreche übrigens, daß erwogen werde, die Realrechtsapotheken für die Werteinbuße ihrer Rechte zu entschädigen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. gegen das in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1960 S. 52 veröffentlichte Urteil des Finanzgerichts führt zu dessen Aufhebung.

Der IV. Senat hat in dem Grundsatzurteil IV 372/60 S vom 26. September 1963 (BStBl 1963 III S. 565) entschieden, daß bei der Abschreibung der durch die Einführung der Niederlassungsfreiheit für Apotheken entwerteten Apothekenrealrechte der unter Umständen im Bilanzposten "Betriebsrecht" mitbewertete Geschäftswert zu berücksichtigen ist. Es ist danach anzunehmen, daß das Realrecht und der Geschäftswert eine Einheit bilden, so daß nach der Entwertung des Realrechts noch ein Geschäftswert vorhanden sein kann, der einen entsprechenden Bilanzansatz rechtfertigt. Der VI. Senat tritt dieser Beurteilung bei.

Ein Geschäftswert kann zwar nach den allgemeinen Grundsätzen des Bilanzsteuerrechts nur aktiviert werden, wenn der Steuerpflichtige dafür Aufwendungen gemacht hat. Das ist nach der Feststellung des Finanzgerichts im Streitfall allerdings nicht der Fall. Wie in dem Urteil IV 372/60 S a. a. O. aber ausgeführt ist, gelten bei Apothekenbetriebsrechten, die vor der Währungsumstellung erworben wurden, die in der DMEB eingestellten Werte als Anschaffungskosten. Ein in der DMEB ausgewiesener Wert für ein Apothekenbetriebsrecht gilt daher als dessen Anschaffungspreis. Diese Betrachtung ist gerechtfertigt, weil auch hinsichtlich der Abschreibung der in der DMEB aktivierten Apothekenrealrechte kein Unterschied gemacht wird zwischen originären und käuflich erworbenen Realrechten. Der Betrag, den die Rechtsvorgängerin der Bgin. in ihrer DMEB zum 1. Juli 1950 als Wert des Apothekenbetriebsrechts aktiviert hat, umfaßte demnach unter Umständen auch einen Geschäftswert. Da sich die Apotheke in der früheren amerikanischen Besatzungszone befindet und deshalb die Entwertung des Betriebsrechts bereits im Laufe des Jahres 1949 eingetreten ist, dürfte sich dieser Wertansatz demnach sogar im wesentlichen auf den Geschäftswert bezogen haben. Wie in dem Urteil IV 372/60 S a. a. O. ausgeführt wurde, kann den Finanzverwaltungen im allgemeinen darin gefolgt werden, daß eine Abschreibung eines Apothekenbetriebsrechts auf weniger als 1/3 des letzten Einheitswerts nur dann in Betracht kommt, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, daß sich die Ertragslage seiner Apotheke infolge der Einführung der Niederlassungsfreiheit tatsächlich so verschlechtert hat, daß kein Erwerber zur Zeit der begehrten Abschreibung einen 1/3 des Einheitswerts entsprechenden Betrag für den Geschäftswert der Apotheke bezahlen würde. Da das Finanzgericht diese Frage infolge seiner anderen Rechtsauffassung nicht geprüft hat und auch die Bgin. keine Veranlassung hatte, sich hierzu zu äußern, hält es der Senat für geboten, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen, damit dieses noch prüft, ob im Streitfall besondere Verhältnisse vorliegen, die unter Abweichung von dem Regelfall eine unter 1/3 des letzten Einheitswerts liegende Bewertung des Geschäftswerts zum 31. Dezember 1956 rechtfertigen.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 223

BFHE 81, 620

DB 1965, 615

StRK, EStG:6/1/2 R 167

NWB, F. 17A S.1027 Nr. 1

BFH-N, (K) Nr. 955

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