Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbösernde kraftfahrzeugsteuerrechtliche Änderungsfestsetzung

 

Leitsatz (NV)

Zur Frage der Rechtmäßigkeit einer verbösernden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Änderungsfestsetzung bei nachträglich erkannter, möglicherweise aber nicht genügend aufgeklärter Fahrzeugbeschaffenheit (Berichtigung einer Veranlagung aus 1988).

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; KraftStG § 8

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hält seit 1988 einen Geländewagen Typ "Nissan", der aufgrund von Umbauten (Entfernung der hinteren Sitzbank und der Sitzgurte; Einbau einer Trennwand), die der frühere Halter veranlaßt hatte, als Lastkraftwagen zugelassen und dementsprechend vom beklagten und revisionsklagenden Finanzamt (FA) gewichtbesteuert worden war (Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 30. September 1988). Später stufte das FA, nachdem es sich im Rahmen einer allgemeinen -- landesweiten -- Überprüfung (März 1996) vom Kläger und von der Zulassungsstelle nähere Daten beschafft hatte, das Fahrzeug kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Personenkraftwagen ein und besteuerte es, auf §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt, nach dem Hubraum, zuletzt noch für die Zeit vom 15. August 1992 bis 31. Dezember 1995 sowie ab 1. Januar 1996 (Änderungsbescheid vom 13. Mai 1996 i. d. F. der Einspruchs entscheidung vom 20. September 1996). Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im wesentlichen -- hinsichtlich der Änderungsfestsetzung bis 31. März 1996 -- statt, mit der Begründung, daß das Fahrzeug zwar trotz des Umbaus kraftfahrzeugsteuerrechtlich ein Personenkraftwagen geblieben sei (was die entsprechende Besteuerung für den Entrichtungszeitraum ab 1. April 1996 rechtfertige), eine Änderungsfestsetzung für den zurückliegenden Zeitraum aber wegen Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht ausscheide. Schon im August 1988 sei das FA über die verkehrsrechtliche Einstufung unterrichtet worden (Datenaustausch), schon damals hätte die Überprüfung stattfinden können. Die Begründung der Vorentscheidung entspricht im übrigen der des in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 309 veröffentlichten Urteils der Vorinstanz in einem Parallelfall; auf sie wird verwiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision wendet sich das FA gegen die Vorentscheidung. Deren Begründung sei nicht schlüssig, soweit auf erst 1992/93 ergangene Verwaltungsanweisungen zur kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Behandlung umgebauter Fahrzeuge abgestellt werde. Diese hätten zudem den "Altbestand" noch nicht betroffen; insoweit seien die Voraussetzungen für eine Überprüfung erst ab Ende 1995 geschaffen worden. Die Voraussetzungen einer Änderungsfestsetzung lägen vor.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er schließt sich der Vorentscheidung an und trägt vor, das FA habe das Fahrzeug 1988 zunächst als Personenkraftwagen behandelt und es erst aufgrund eines Einspruchs als Lastkraftwagen eingestuft. Nur diese Einstufung sei im übrigen sachgerecht ("Pick-up"- Fahrzeug).

 

Entscheidungsgründe

Zu entscheiden ist nur über die Revision des FA. Der Kläger vertritt zwar weiterhin die Ansicht, daß sein Fahrzeug als Lastkraftwagen anzusehen sei, hat aber gegen die Vorentscheidung, soweit sie ihn beschwert -- die auch ohne ausdrückliche Tenorierung erfolgte teilweise Klageabweisung (Besteuerung ab 1. April 1996) --, keine Revision eingelegt.

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichts ordnung -- FGO --). Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um das Ergebnis, zu dem das FG gelangt ist -- Unzulässigkeit der mit der angegriffenen Veranlagung vorgenommenen Änderungsfestsetzung (§173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) bis 31. März 1996 wegen unzureichender finanzamtlicher Ermittlung -- zu rechtfertigen.

In seinem Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97 (abgedruckt in Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1997, 298) -- Abschn. II Nr. 2 -- hat der Senat erkannt, daß die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflicht verletzt, wenn sie der Kraftfahrzeugsteuer veranlagung unter Verzicht auf für die Beurteilung notwendige Daten die verkehrsrechtliche Einstufung des umgebauten Fahrzeugs (LKW) zugrunde legt; eine verbösernde Änderungsfestsetzung wegen nachträglich erkannter Unerheblichkeit der Umbauten scheidet damit aus. Der Senat hat in dieser Entscheidung an sein Urteil vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90 (BFHE 166, 395, 398, BStBl II 1992, 324) angeknüpft und wiederholt, daß die Ermittlungspflicht nur dann verletzt ist, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach Sachlage aufdrängen, nicht nachgeht. Einen Ermittlungsmangel hat der Senat im Falle VII R 1/97 bejaht, weil nach den festgestellten Umständen zwingend eine nähere Aufklärung über Art und Umfang der vorgenommenen Umbauten erforderlich war (im Rahmen einer Besteuerung im Jahre 1989).

Die Grundsätze des Senatsurteils in VII R 1/97 können auch im Streitfall -- bezogen auf die Besteuerung im Jahre 1988 -- herangezogen werden. Erforderlich sind aber Feststellungen, aus denen sich in nachvollziehbarer Weise ergibt, daß das FA zwangsläufig zu Zweifeln an der Bewertung des umgebauten Fahrzeugs als Lastkraftwagen gelangen mußte. Solche Feststellungen hat das FG nicht in ausreichendem Maße getroffen. Das FG hat lediglich ausgeführt, daß das FA aufgrund der Mitteilung der Zulassungsstelle (Fahrzeugveränderung) über "genügend Daten und Anhaltspunkte" verfügt habe, um eine Überprüfung vorzunehmen (vgl. auch EFG 1997, 309, 310). Daß diese Überprüfung aus der Sicht des FA aber auch veranlaßt war, läßt sich der Vorentscheidung nicht entnehmen. Insbesondere fehlt eine Angabe der Gründe, aus denen sich die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ergab (etwa eine frühere Besteuerung des Fahrzeugs als PKW durch das FA oder auch beim FA vorliegende Erkenntnisse). Die Bezugnahme auf aufsichtsbehördliche Hinweise "zumindest seit 1992/93" reicht nicht aus, da es hier um eine frühere Besteuerung aus dem Jahre 1988 geht.

Im zweiten Rechtsgang wird das FG die hiernach erforderlichen Feststellungen nachzuholen und auf ihrer Grundlage neu zu entscheiden haben. Im übrigen wird -- ohne Bindungswirkung (§126 Abs. 5 FGO) -- auf die vom Senat inzwischen bestätigten Urteile des FG Nürnberg vom 12. November 1996 VI 174/96 und 188/96 (EFG 1997, 497, 499) -- zu §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (Rechtserheblichkeit der neuen Tatsache) -- verwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67093

BFH/NV 1998, 219

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