Entscheidungsstichwort (Thema)

Polizeizulage keine (teilweise) steuerbefreite Aufwandsentschädigung

 

Leitsatz (NV)

Die Stellenzulage für Polizeivollzugsbeamte nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B (Polizeizulage) ist in vollem Umfang steuerpflichtiger Arbeitslohn und keine (teilweise) steuerbefreite Aufwandsentschädigung.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 12 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1985 bis 1987 als Polizist im Außendienst (Streifendienst) tätig. Er erhielt eine Stellenzulage für Polizeivollzugsbeamte nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen (BBesO) A und B (im folgenden: Polizeizulage). Diese Vorschrift lautet in der in den Streitjahren gültigen Fassung:

9. Zulage für Polizeivollzugsbeamte

(1) Die Polizeivollzugsbeamten..., soweit diesen Beamten Dienstbezüge nach der Bundesbesoldungsordnung A zustehen, erhalten nach einer Dienstzeit von einem Jahr eine Stellenzulage (Polizeizulage) von 60 Deutsche Mark, nach einer Dienstzeit von zwei Jahren eine Stellenzulage von 120 Deutsche Mark...

(2) ...

(3) Durch die Stellenzulagen werden die Besonderheiten des Vollzugsdienstes und des Zollgrenzdienstes, insbesondere der mit dem Posten- und Streifendienst sowie dem Nachtdienst verbundene Aufwand sowie der Aufwand für Verzehr mit abgegolten.

Die Polizeizulage wurde vom Arbeitgeber des Klägers in voller Höhe (120 DM monatlich) dem Lohnsteuerabzug unterworfen und in den Einkommensteuerveranlagungen der Streitjahre versteuert.

Gleichzeitig mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1988 beantragte der Kläger, die Steuerfestsetzung für alle rechtlich möglichen Ausgleichs- und Veranlagungsjahre nach § 173 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ändern und die Polizeizulage in Höhe von 60 DM monatlich steuerfrei zu belassen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es meinte, die Polizeizulage sei im Streitfall nach § 3 Nr. 12 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 60 DM monatlich als steuerfrei zu behandeln, weil sie zumindest insoweit eine Aufwandsentschädigung darstelle, als sie an Beamte gewährt werde, die ständig Außendienst verrichteten.

Das FA stützt seine Revision auf eine Verletzung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG und macht geltend: Auf die dem Kläger gewährte Zulage hätten auch solche Personen einen Anspruch, die nicht im Außendienst tätig seien. Die Polizeizulage werde im Hinblick auf die besonderen Anforderungen im Polizeidienst gezahlt. Sie sei nicht - auch nicht teilweise - dazu bestimmt, steuerlich relevanten Aufwand abzugelten. Sie sei vielmehr - wie andere Zulagen auch - Teil des eigentlichen Gehalts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Polizeizulage gemäß Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den BBesO A und B ist in vollem Umfang steuerpflichtiger Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Der Senat vermag nicht der Auffassung der Vorinstanz zu folgen, daß sie jedenfalls bei im Außendienst tätigen Beamten zu 50 v.H. steuerbefreit sei.

1. Nach der für eine Steuerbefreiung der Polizeizulage allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen gezahlt werden, steuerfrei, soweit nicht festgestellt wird, daß sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Das FG ist zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteil vom 9. Juli 1992 IV R 7/91, BFHE 169, 144, BStBl II 1993, 50) davon ausgegangen, daß nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG - im Wege verfassungskonformer Auslegung - nur die Erstattung solcher Aufwendungen von der Steuer befreit ist, die als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar sind. Dem FG ist auch einzuräumen, daß der Wortlaut der Nr. 9 Abs. 3 der Vorbemerkungen zu den BBesO A und B, wonach durch die Stellenzulage die Besonderheiten des jeweiligen Dienstes, insbesondere der mit dem Posten- und Streifendienst sowie dem Nachtdienst verbundene Aufwand sowie der Aufwand für Verzehr mit abgegolten werden, es als denkbar erscheinen läßt, die Polizeizulage zumindest zum Teil als Aufwandsentschädigung i.S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG zu verstehen.

Die folgenden Gesichtspunkte legen es in ihrer Summe nach Ansicht des Senats jedoch näher, die Polizeizulage nicht als pauschalen Werbungskostenersatz zu beurteilen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) schließt die Gewährung der Polizeizulage die zusätzliche Geltendmachung von Erstattungsansprüchen, die für alle Beamten in gesetzlicher oder in anderer Weise besonders vorgesehen sind, nicht aus (Urteile vom 26. Juni 1981 6 C 85.79, BVerwGE 62, 354, und vom 24. Januar 1985 2 C 9.84, Zeitschrift für Beamtenrecht - ZBR - 1985, 197). Das BVerwG (a.a.O.) geht davon aus, daß die Zuordnung der Ämter der in Abs. 1 der Nr. 9 der Vorbemerkung zu den BBesO A und B bezeichneten Beamten zu den Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A das typische Erscheinungsbild des mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betrauten Beamten und Soldaten nicht hinreichend berücksichtige; es sei deshalb eine zusätzliche pauschalierte Besoldungsleistung gerechtfertigt, die die von der allgemeinen Ämterbewertung nicht erfaßten Besonderheiten des jeweiligen Dienstes dieser Beamten abgelten solle. Unter Besonderheiten des... Dienstes im Sinne dieser Regelung seien die typischen zusätzlichen Anforderungen zu verstehen, die an jeden mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betrauten Beamten zu stellen seien, von der allgemeinen Ämterbewertung aber nicht erfaßt würden. Dazu gehörten beispielsweise das Erfordernis, in schwierigen Situationen unter physischer und psychischer Belastung schnell verantwortliche, möglicherweise einschneidende Maßnahmen treffen zu müssen, und die Bereitschaft, in Erfüllung der übertragenen Aufaben ggf. Leben und Gesundheit einzusetzen.

Diese Ausführungen des BVerwG deuten darauf hin, die Polizeizulage ihrem Rechtscharakter nach als Vergütung für besondere Anforderungen und nicht als eine Entschädigung für als Werbungskosten abziehbare Aufwendungen zu verstehen. Zwar besteht nach geltendem Recht keine vollständige Deckungsgleichheit zwischen den für alle Beamten bestehenden Erstattungsansprüchen gegenüber ihrem Arbeitgeber und den Aufwendungen, die Arbeitnehmer als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 EStG bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 EStG) abziehen können. Doch legt die Annahme des BVerwG, daß mit der Polizeizulage nicht die nach den allgemeinen Vorschriften bestehenden Erstattungsansprüche eines Beamten gegenüber seinem Arbeitgeber abgegolten werden sollen, das Verständnis nahe, daß Gleiches auch für die Werbungskosten gilt. Denn anderenfalls müßte die Polizeizulage so verstanden werden, daß mit ihr Werbungskosten des Empfängers nur soweit pauschal abgegolten werden sollen, als nicht nach den für alle Beamten geltenden Vorschriften ein Rechtsanspruch auf Erstattung gegenüber dem Arbeitgeber besteht. Eine derartige Auslegung erschiene jedoch eher gekünstelt.

b) Auf jeden Fall spricht der Umstand, daß die Polizeizulage mit Wirkung ab dem 1. Januar 1990 (Fünftes Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990, BGBl I 1990, 967, 969) ruhegehaltsfähig ist, dafür, daß es sich bei dieser Leistung des Arbeitgebers nicht um einen pauschalen Werbungskostenersatz handelt. Denn es wäre nicht sachgerecht, auch Ruhestandsbeamten solche Leistungen zu gewähren, die ihrer Rechtsnatur nach dazu bestimmt sind, pauschal Aufwendungen abzugelten, die tatsächlich nur bei aktiv tätigen Beamten anfallen können.

c) Schließlich wird die Annahme, daß es sich bei der Polizeizulage auch nicht teilweise um eine pauschale Aufwandsentschädigung i.S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG handelt, auch durch die in Abs. 2 der Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den BBesO A und B getroffenen Regelung untermauert. Danach wird die Stellenzulage nach Abs. 1 nicht neben einer Stellenzulage nach Nr. 8 gewährt. Die Zulage nach Nr. 8 erhalten Beamte und Soldaten bei Sicherheitsdiensten. Durch die sog. Sicherheitszulage werden die mit dem Dienst bei Sicherheitsbehörden allgemein verbundenen Erschwernisse und Aufwendungen abgegolten. Es leuchtet nicht ein, daß eine derartige Sicherheitszulage eine Zulage verdrängen könnte, wenn es deren Zweck wäre, als Werbungskosten abziehbare Aufwendungen pauschal zu ersetzen.

2. Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da bei Anwendung der angeführten Grundsätze die Polizeizulage nicht, und zwar auch nicht teilweise, gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerbefreit ist.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 312

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