Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002
Leitsatz (NV)
Gegen die sog. Fünftel-Regelung in § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 bestehen jedenfalls dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Ausgleichszahlungen nach § 89b HGB in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 geleistet wurden.
Normenkette
EStG § 34; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12, 14, 20 Abs. 3; HGB § 89b; StEntlG 1999/2000/2002
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden im Streitjahr 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der im Jahr 1935 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1968 für verschiedene Versicherungsgesellschaften als Vertreter tätig. Zum 30. September 2000 gab er diese Tätigkeiten auf. Seit 1. Februar 2000 bezieht er eine Altersrente und seit dem 1. Mai 2000 eine weitere Rente aus Versicherungsverträgen.
In der Einkommensteuererklärung für 2000 erklärte der Kläger u.a. gewerbliche Einkünfte in Höhe von … DM. Für die darin enthaltenen Ausgleichszahlungen nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB) in Höhe von … DM beantragte er die begünstigte Besteuerung für außerordentliche Einkünfte nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versteuerte in dem Einkommensteuerbescheid für 2000 den Betrag von … DM mit dem ermäßigten Steuersatz (sog. Fünftel-Regelung) nach § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304). Mit dem dagegen gerichteten Einspruch begehrten die Kläger die Besteuerung der Ausgleichszahlungen, wie sie nach § 34 EStG in der im Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Fassung möglich war und wie sie ab dem Veranlagungszeitraum 2001 für Veräußerungsgewinne mit gewissen Modifikationen (u.a. Mindeststeuersatz, Mindestalter des Steuerpflichtigen und Begrenzung der Höhe der außerordentlichen Einkünfte) durch § 34 Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuersenkungsergänzungsgesetzes (StSenkErgG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1812, BStBl I 2001, 25) wieder eingeführt wurde. Diesen Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) hat die dagegen erhobene Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1441 veröffentlichtem Urteil abgewiesen. Die vom FA durchgeführte Besteuerung des Einkommens des Klägers entspreche den für diesen Veranlagungszeitraum geltenden Regelungen. Entgegen der Auffassung der Kläger sei § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 auch verfassungsgemäß.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 verletze die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) abgeleiteten Prinzipien des Rückwirkungsverbotes und des Vertrauensschutzes. Auch die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG, die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und der Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG seien tangiert.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 4. April 2003 aufzuheben und unter Änderung des Bescheids vom 2. Januar 2002 die Einkommensteuer für das Jahr 2000 auf … DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass das FA die außerordentlichen Einkünfte des Klägers entsprechend den gesetzlichen Vorgaben besteuert hat und § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 verfassungsgemäß ist.
1. § 34 Abs. 1 EStG hat seit 1998 in den folgenden Fassungen gegolten:
a) Gemäß § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des --für den Veranlagungszeitraum 1998 geltenden-- Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) war die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Dieser betrug für den Teil der außerordentlichen Einkünfte, der den Betrag von 15 Mio. DM nicht überstieg, die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergeben hätte, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen gewesen wäre.
b) Gemäß § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 beträgt ab dem Veranlagungszeitraum 1999 die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte.
Diese sog. Fünftel-Regelung, aufgrund derer außerordentliche Einkünfte rechnerisch auf einen Zeitraum von fünf Jahren verteilt werden, wurde eingeführt, weil die mit der Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes verbundene Entlastung der außerordentlichen Einkünfte regelmäßig über den Ausgleich der mit dem zusammengeballten Bezug verbundenen Progressionsnachteile hinausgegangen war. Insbesondere Steuerpflichtige, die dem Spitzensteuersatz unterlagen, wurden nach Auffassung des Gesetzgebers übermäßig begünstigt. Außerdem wurde die bisherige Regelung wegen der unterschiedlichen Entlastung außerordentlicher Einkünfte und der Einkünfte aus mehrjähriger Tätigkeit für zu kompliziert gehalten (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BTDrucks 14/23, 183).
c) Mit dem StSenkErgG wurde diese gesetzgeberische Entscheidung revidiert. Durch den neu eingefügten Abs. 3 des § 34 EStG wurde der halbe Steuersatz für Veräußerungsgewinne i.S. von § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des StSenkErgG in eingeschränktem Umfang wieder eingeführt. Auf Antrag kann ab dem Veranlagungszeitraum 2001 die auf den Teil der außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, der den Betrag von insgesamt 10 Mio. DM (2006: 5 Mio. €) nicht übersteigt, entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Der ermäßigte Steuersatz beträgt nach § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. des StSenkErgG die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre. In jedem Fall ist auf die außerordentlichen Einkünfte jedoch eine Steuer in Höhe des Mindeststeuersatzes (2001: 19,9 v.H.; ab 2005: 15 v.H.) zu entrichten.
Mit dieser Neuregelung war beabsichtigt, dem Mittelstand einen Ausgleich für die ab dem Jahre 2002 geltende Besteuerung von Kapitalgesellschaften zu gewähren, deren systematische Grundlage durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) mit dem Halbeinkünfteverfahren grundlegend geändert worden war. Die Neuregelung bezog in dieses Verfahren auch die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ein. Als Folge dieses Systemwechsels konnte der Gesetzgeber eine auf diese Personengruppe beschränkte Altersvorsorgekomponente einführen; er war weder verpflichtet, diese Regelung auf die Jahre 1999 und 2000 zu erstrecken (vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Juli 2002 XI B 68/02, BFH/NV 2002, 1568), noch musste er für diesen Zeitraum aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung einen weiteren Personenkreis in diese Regelung einbeziehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Februar 2003 VIII B 253/02, BFH/NV 2003, 624, unter II.2.b bb der Gründe; vom 1. September 2004 VIII B 64/04, BFH/NV 2004, 1650, unter II.2.b aa der Gründe).
2. Durch die ermäßigte Besteuerung der Ausgleichszahlungen nach der Fünftel-Regelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 werden keine von der Verfassung geschützten Rechte der Kläger verletzt. Es verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 12 und 14 GG, dass Zahlungen gemäß § 89b HGB ab dem Veranlagungszeitraum 1999 nicht mehr dem halben Steuersatz unterworfen werden. Auch das Rechtsstaatsprinzip ist nicht verletzt.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 110, unter C.I., m.w.N.).
Der von Teilen der Literatur (Jahndorf/Lorscheider, Finanz-Rundschau --FR-- 2000, 433, 435 ff.; Birk/Kulosa, FR 1999, 433, 440; offen Wendt, FR 1999, 333, 337 ff.) erhobene Vorwurf, der sprunghafte Verlauf der Grenzsteuerbelastung für das um die außerordentlichen Einkünfte bereinigte zu versteuernde Einkommen (vgl. hierzu die von Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433, 435 ff., gebildeten Beispiele) verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, beruht auf der isolierten Beurteilung der auf einen Teil des zu versteuernden Einkommens, nämlich auf die laufenden Einkünfte, entfallenden steuerlichen Mehrbelastung. Maßstab für die Gleich- oder Ungleichbehandlung zweier Steuerpflichtiger ist indessen die Belastung des gesamten zu versteuernden Einkommens (Sieker, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 34 Rdnr. A 102). Vergleichsperson des Steuerpflichtigen, der neben außerordentlichen Einkünften weitere Einkünfte erzielt, die nicht steuerbegünstigt sind, ist der Steuerpflichtige mit einem gleich hohen zu versteuernden Einkommen ohne tarifbegünstigte außerordentliche Einkünfte. Im Vergleich zu diesem zahlt der Steuerpflichtige mit ermäßigt zu besteuernden Einkünften allenfalls eine gleich hohe Einkommensteuer, niemals ist er jedoch schlechter gestellt (Sieker, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 34 Rdnr. A 102). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ergibt sich daraus nicht.
Offenbleiben kann, ob Art. 3 Abs. 1 GG die Wiedereinführung des halben Steuersatzes auch für Ausgleichszahlungen nach § 89b HGB, die gesetzestechnisch Entschädigungen i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG sind, gebieten würde oder ob der Gesetzgeber --ohne Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz-- § 34 Abs. 3 EStG i.d.F. des StSenkErgG auf Veräußerungsgewinne i.S. von § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG beschränken durfte (vgl. hierzu Horn in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 34 EStG Anm. 4 und 74). § 34 Abs. 3 EStG i.d.F. des StSenkErgG wurde erst mit Wirkung ab 2001 eingeführt; im Streitjahr 2000 sind deshalb auch Veräußerungsgewinne i.S. von § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nach der sog. Fünftel-Regelung zu besteuern. Im Übrigen war es verfassungsrechtlich nicht geboten, § 34 Abs. 3 EStG i.d.F. des StSenkErgG rückwirkend wieder einzuführen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2003 X B 106/02, BFH/NV 2003, 618).
b) Steuerrechtliche Vorschriften sind nur dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie in engem Zusammenhang zur Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen. Deshalb können sie Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich auch dann berühren, wenn sie nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit abzielen, sondern nur in ihrer tatsächlichen Auswirkung geeignet sind, diese zu beeinträchtigen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29. November 1989 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar steht die Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte in einem gewissen Zusammenhang zur Berufsausübung. Dieser Zusammenhang führt aber im Regelfall --und so auch im Streitfall-- nicht dazu, dass die Belastungswirkung des § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 die Aufgabe der Berufstätigkeit als einzig wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung des Betroffenen nahelegen würde (a.A. Jahndorf/Lorscheider, FR 2000, 433, 439). Auch wenn die steuerliche Mehrbelastung in Ausnahmefällen zu einer mehr als hundertprozentigen Abschöpfung der nicht tarifermäßigt zu besteuernden Einkünfte führen kann (vgl. oben), beeinträchtigt die sog. Fünftel-Regelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 nicht die Berufsfreiheit. Der in Abhängigkeit von der Höhe der laufenden Einkünfte eintretende Anstieg der Steuerbelastung entfällt rechtlich als Teil der gesamten Einkommensteuer auf das gesamte zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen (Sieker, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 34 Rdnr. A 105). Zudem bleibt die sich bei Anwendung der sog. Fünftel-Regelung ergebende Gesamtsteuerbelastung regelmäßig hinter derjenigen zurück, die sich auf der Grundlage des allgemeinen Steuertarifs gemäß § 32a EStG ergeben würde (HHR/Horn, § 34 EStG Anm. 4).
c) Art. 14 GG ist nicht tangiert. Dieses Grundrecht schützt grundsätzlich nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, insbesondere nicht gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Einkommensteuer, es sei denn, sie würde den Betroffenen übermäßig belasten und ihn grundlegend in seinen Vermögensverhältnissen beeinträchtigen. Von einer in diesem Sinne erdrosselnden Wirkung der Einkommensteuer durch die Einführung der sog. Fünftel-Regelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 kann jedoch keine Rede sein (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 81, 108). Auch wenn man die Schutzwirkung des Eigentums weiter ausdehnt und aus Art. 14 GG das Verbot übermäßiger Besteuerung entnimmt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, BFH/NV 2006, Beilage 3, 368, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2006, 507), liegt es im Ermessen des Gesetzgebers, wie er außerordentliche Einkünfte besteuert. Ist gewährleistet, dass dem Steuerpflichtigen nach Abzug der Steuerbelastung ein --absolut und im Vergleich zu anderen Einkommensbeziehern-- hohes, frei verfügbares Einkommen bleibt, in dem sich die Privatnützigkeit des Einkommens ausdrückt, liegt ein Verfassungsverstoß nicht vor.
d) Den Systemwechsel vom halben Steuersatz zum Fünftelverfahren konnte der Gesetzgeber jederzeit vornehmen (BFH-Beschluss vom 7. März 2003 IV B 163/02, BFH/NV 2003, 777). Der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Vertrauensschutz steht einem Systemwechsel für die Zukunft grundsätzlich nicht entgegen. Auch bei unbefristeten und über Jahrzehnte wirkenden Steuervergünstigungen kann der Steuerpflichtige sich nicht darauf berufen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht mehr zu seinen Lasten verändert werden dürften (BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 3009).
e) Der XI. Senat des BFH hat mit Beschlüssen vom 6. November 2002 XI R 42/01 (BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257) und vom 2. August 2006 XI R 34/02 (BFH/NV 2006, 2184) bzw. XI R 30/03 (BFH/NV 2006, 2191) die Revisionsverfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die --höhere-- Besteuerung von Entschädigungen, die vor dem Beschluss des StEntlG 1999/2000/2002 durch den Bundestag am 4. März 1999 bzw. vor der Verkündung des Gesetzes am 31. März 1999 vereinbart und ausgezahlt worden sind, nach der sog. Fünftel-Regelung verfassungsgemäß ist oder gegen das Verbot der Rückwirkung von Steuergesetzen verstößt. Durch diese Vorlagefrage wird der Streitfall nicht berührt. Der Ausgleichsanspruch des Klägers ist frühestens mit der Beendigung des Handelsvertretervertrags am 30. September 2000 (vgl. zum Entstehen des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 2, 7. Aufl., Rz. 1625 ff.) und damit nach Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 entstanden.
3. Soweit im Einzelfall die seit Jahrzehnten geltende ermäßigte Besteuerung der Ausgleichszahlung nach § 89b HGB konkreter Bestandteil eines Konzepts der Altersversorgung des aus Altersgründen aus dem Berufsleben ausscheidenden Handelsvertreters war und der Wegfall dieses Besteuerungsverfahrens zu einer gravierenden Gefährdung seiner Altersversorgung führen würde, könnte dem Vertrauensschutzprinzip ggf. durch eine einzelfallbezogene Billigkeitsmaßnahme Rechnung getragen werden (vgl. u.a. zum Veräußerungs- oder Aufgabegewinn BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 777, unter 2.b der Gründe; für (Mit-)Unternehmer und Inhaber wesentlicher Beteiligungen BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1650). Indes ist in einem sich auf die Rechtmäßigkeitsprüfung eines Steuerbescheids beschränkten Verfahren kein Raum für eine auf § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte selbständig anfechtbare und von der Rechtmäßigkeitsprüfung unabhängige Billigkeitsentscheidung (Senatsurteil vom 31. Mai 2005 X R 26/04, BFH/NV 2005, 1789).
Fundstellen
Haufe-Index 1684050 |
BFH/NV 2007, 442 |
HFR 2007, 345 |