Leitsatz (amtlich)

Erwirbt ein Ehegatte ein Grundstück von einer offenen Handelsgesellschaft, an der der andere, mit ihm in Gütergemeinschaft lebende Ehegatte beteiligt ist, wird die Steuer insoweit nicht erhoben, als der andere Ehegatte wegen des kraft Gesetzes (§ 1416 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 BGB) eintretenden Miterwerbs im Rahmen der Gütergemeinschaft keine größere Beteiligung erhalten hat, als er vorher als Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft an dem Grundstück gehabt hatte. Der vertragliche Erwerb des einen Ehegatten und der gesetzliche Erwerb des anderen werden unbeschadet des Rechtsgedankens des § 3 Nr. 3 Satz 2, Nr. 5 Satz 2 Nr. 6 Satz 3 GrEStG zusammengefaßt.

 

Normenkette

GrEStG § 6 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger lebte mit seiner Ehefrau in Gütergemein schaft. Die Ehefrau war persönlich haftende Gesellschaiterin einer offenen Handelsgesellschaft. Von dieser, vertreten durch die Ehefrau des Klägers und dem weiteren persönlich haftenden Gesellschafter, hat der Kläger im Jahr 1963 im Rahmen des Erwerbs eines Teilbetriebes der Gesellschaft ein Grundstück gekauft. Im Anschluß an die Auflassung hat der Kläger beantragt, seine Ehefrau als Miteigentümerin in das Grundbuch einzutragen.

Das FA (Beklagter) hat gegen den Kläger die Grunderwerbsteuer voll aus der gesamten Gegenleistung festgesetzt.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Übereinstimmend mit der Rechtsauffassung des Beklagten sah das FG den Fall des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht als gegeben an. Weder habe der Kläger als Vertreter seiner Ehefrau gehandelt noch folge aus § 1416 Abs. 2 BGB, daß das Grundstück unmittelbar von einer Gesamthand (OHG) auf eine andere Gesamthand (Gütergemeinschaft) übergegangen sei. Für die Besteuerung sei nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nur das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft maßgebend, bei dem der Kläger alleiniger Käufer gewesen sei.

Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG; § 6 GrEStG setze nicht voraus, daß die Gütergemeinschaft als solche Vertragspartner auf der Erwerberseite sein müsse. Da die Ehefrau des Klägers an der OHG zu 72,8 v. H. beteiligt gewesen sei, ihre Beteiligung an dem Grundstück im Rahmen der Gütergemeinschaft aber 50 v. H. betragen habe, sei gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG die Hälfte des Erwerbes grunderwerbsteuerfrei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Ansicht des FG ist die Steuervergünstigung des § 6 GrEStG anzuwenden. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben; die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Gemäß § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG wird beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand die Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, mit dem dieselben Personen an der einen und an der anderen Gesamthand beteiligt sind. Das gilt auch beim Übergang von einer Personengesellschaft auf Ehegatten in Gütergemeinschaft.

Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß die eheliche Gütergemeinschaft - im Gegensatz zu den Personengesellschaften und zur Erbengemeinschaft - nicht als selbständiger Rechtsträger anzusehen ist (Urteile des BFH vom 11. Juli 1962 II 127/60, HFR 1962, 351; vom 3. Mai 1963 II 2/61, HFR 1963, 341; vom 4. April 1967 II 49/63, BFHE 88, 388, und Beschluß vom 18. November 1969 II B 37/69, BFHE 97, 260) mit der Folge, daß nur der Kläger Steuerschuldner geworden ist (Urteil des BFH vom 19. Juli 1962 II 57/61 U, BFHE 75, 351, BStBl III 1962, 394), und daß der Kläger weder nach dem Inhalt der Kaufurkunde als Vertreter seiner Ehefrau aufgetreten ist noch die allgemeine Gütergemeinschaft ein Vertretungsrecht der Ehegatten untereinander bewirkt. Für die Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG kommt es aber nicht darauf an, wer gemäß § 15 GrEStG Steuerschuldner wird, sondern darauf, auf wen das Grundstück "übergeht". Beide Fragen sind voneinander unabhängig.

§§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG sollen Härten vermeiden, die sich zufolge § 1 Abs. 1 GrEStG bei formaler Betrachtung ergäben, wenn ein Grundstück zwischen Gesamthändern und der Gesamthand oder zwischen mehreren Gesamthänden, die ganz oder teilweise aus denselben Personen bestehen, umgesetzt wird (vgl. die Begründung zu § 5 GrEStG, RStBl 1940, 387 [398]). Der Zweck des § 6 Abs. 3 GrEStG läßt es folglich nicht zu, bei seiner Auslegung gerade zu dieser formalen Betrachtung zurückzukehren. Entscheidend ist vielmehr, daß der Kläger durch den Kauf des Grundstücks von vornherein nur die Rechtsmacht erlangt hat, die ihm als Glied der Gütergemeinschaft zustand. Bereits der durch den Kauf erlangte Anspruch auf Auflassung des Grundstücks fiel unmittelbar kraft Gesetzes in das Gesamtgut der Gütergemeinschaft (§ 1416 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 BGB). Geht man zivilrechtlich von einem Durchgangserwerb aus (vgl. Dölle, Familienrecht, Band I, 1964, § 70 III S. 905; Gernhuber, Familienrecht, 2. Aufl. 1971, § 38 III 2 S. 403, Soergel/Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl. 1971, § 1416 Rn. 4), war dieser für den Kläger ohne Wert; er hätte allenfalls dann praktische Bedeutung erlangen können, wenn der Kläger bereits vor Begründung der Gütergemeinschaft seinen Anspruch aus dem künftig abzuschließenden Kauf abgetreten oder verpfändet hätte, oder dieser gepfändet worden wäre.

Indem § 6 Abs. 3 GrEStG auf den "Übergang" des Grundstücks abstellt, verwendet er denselben Ausdruck, mit dem § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 4 GrEStG den dinglichen Erfolg eines Rechtsvorgangs beschreiben. In genau dem gleichen Sinne kann zwar der Begriff des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht verstanden werden. Denn das Grunderwerbsteuerrecht stellt in erster Linie auf das obligatorische Geschäft ab (§ 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 5); die Vergünstigung muß folglich schon bei diesem eingreifen. Wohl aber kann der Diktion der §§ 5, 6 GrEStG entnommen werden, daß die Vergünstigung um des Rechtserfolgs willen gewährt wird, der auf Grund des der Steuer unterliegenden Vorgangs eintritt oder eintreten wird.

§ 6 Abs. 3 GrEStG folgt demnach der gleichen Betrachtung, die § 3 Nr. 3 Satz 3, Nr. 5 Satz 2 und Nr. 6 Satz 3 GrEStG zugrunde liegt und in § 3 Nr. 7 Satz 2 GrEStG in Bezug genommen ist. Dort ist davon die Rede, daß Ehegatten auf Grund bestehenden Güterstands das Grundstück ohne besondere rechtsgeschäftliche Übertragung "miterwerben". Es wird also jeweils ein Ausdruck gebraucht, der den vertraglichen Erwerb des einen Ehegatten und den gesetzlichen Erwerb des andern Ehegatten zusammenfaßt. Das gleiche bringen §§ 5, 6 GrEStG dadurch zum Ausdruck, daß sie auf den "Übergang" des Grundstücks abheben.

Anders als zum Besteuerungstatbestand (§ 1 GrEStG) und zur Steuerschuldnerschaft (§ 15 Nr. 1 GrEStG) kommt es demnach nicht auf den Rechtsvorgang als solchen, sondern für die Vergünstigung des § 6 Abs. 3 GrEStG auf den durch den Rechtsvorgang erzielten oder künftig unmittelbar zu erzielenden Rechtserfolg an (vgl. zu § 9 Satz 2 GrEStG 1919 Urteil des RFH vom 27. September 1933 II A 223/33, RStBl 1934, 830). Das schließt zwar nicht aus, zufolge des in § 3 Nr. 3 Satz 3, Nr. 5 Satz 2, Nr. 6 Satz 3 GrEStG ausgedrückten Rechtsgedankens außer Betracht zu lassen, daß bei dem miterwerbenden Ehegatten die Voraussetzungen des § 6 GrEStG nicht erfüllt sind. Die in § 6 GrEStG zum Ausdruck kommende Gesamtbetrachtung schließt es aber aus, diese Vorschrift nicht anzuwenden, wenn und soweit bei dem miterwerbenden Ehegatten die Voraussetzungen der Vergünstigung erfüllt sind.

Demnach ist die Steuer im vorliegenden Fall insoweit nicht zu erheben, als die Ehefrau im Rahmen der ehelichen Gütergemeinschaft keine größere Beteiligung erhalten hat als sie vorher als Gesellschafterin der offenen Handelsgesellschaft gehabt hatte. Da das FG zur Höhe dieser Beteiligungen keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 150

BFHE 1975, 122

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