Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Erstrecken sich Betriebsanlagen eines Gewerbebetriebs, in denen eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet wird, in engem räumlichem Zusammenhang auf das Gebiet mehrerer Gemeinden, so ist in der Regel eine mehrgemeindliche Betriebstätte (ß 30 GewStG) anzunehmen.

Im Rahmen des § 30 GewStG können nur Lasten berücksichtigt werden, die der Gemeinde aus dem Vorhandensein eines Gewerbebetriebs erwachsen. Hierunter fallen in der Regel nicht solche finanziellen Aufwendungen, die lediglich entstanden sind, um den Gewerbebetrieb erst anzusiedeln.

 

Normenkette

GewStG § 30

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Firma A. in den Streitjahren eine mehrgemeindliche Betriebstätte (ß 30 GewStG) hatte und ob gegebenenfalls die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge zutreffend auf die Gemeinden B. und C. zerlegt wurden.

Die Firma A. betrieb in den Jahren 1956 und 1957 auf einem Grundstück, das sich über die Markungsgrenze zwischen den Gemeinden B. und C. erstreckt, ein gewerbliches Unternehmen mit folgenden Betriebszweigen: Generalvertretung einer Schlepperfabrik, Einzel- und Großhandel mit Landmaschinen, Reparatur landwirtschaftlicher Maschinen sowie Autohandel mit Reparaturwerkstätte. Autohandel und Autoreparatur wurden im Juli 1957 aufgegeben. Das gesamte Gebiet der Firma umfaßt 95 a 62 qm. Davon liegen 74 a 78 qm auf Markung C. und 21 a 14 qm auf Markung B. Nach einem bei den Akten befindlichen Lageplan ist die Fläche mit drei Gebäuden überbaut, nämlich einem Werkstattgebäude mit Lagerschuppen, einer Werkstatthalle mit Bürobau sowie dem privaten Wohnhaus des Firmeninhabers.

Bei der Zerlegung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge ging das Finanzamt davon aus, daß der Betrieb der Firma A. eine mehrgemeindliche Betriebstätte darstelle (ß 30 GewStG). Entsprechend einer Anweisung der Oberfinanzdirektion wurden die Zerlegungsanteile, soweit sie nicht auf einen hier nicht streitigen Zweigbetrieb entfallen, zu 25 v. H. nach der Zahl der in B. und C. wohnenden Arbeitnehmer, zu 25 v. H. nach der Zahl der Schulkinder dieser Arbeitnehmer und zu 50 v. H. nach den auf die Gemeinden entfallenden Anteilen am Einheitswert des Betriebsgrundstückes zerlegt. Danach erhielten beide Gemeinden abgerundet je 50 v. H. der Zerlegungsanteile.

Mit ihren Beschwerden gegen die Zerlegungsbescheide machte die Bfin. geltend, eine mehrgemeindliche Betriebstätte liege nicht vor; vielmehr bildeten die Grundstücksteile auf Markung B. und Markung C. jeweils trotz des räumlichen Zusammenhangs zwei selbständige Betriebstätten, die durch den Hofraum getrennt würden. Auf dem Grundstücksteil, der in B. liege, werde ausschließlich die Landmaschinenreparaturwerkstätte betrieben, während sich im Grundstücksteil C. ausschließlich der Landmaschinenhandel und die Generalvertretung abwickle. Beide Tätigkeiten hätten nichts miteinander zu tun. Es sei eine Zerlegung nach Arbeitslöhnen gemäß § 29 Abs. 1 Ziff. 2 GewStG durchzuführen.

Für den Fall, daß ihrer Rechtsansicht nicht gefolgt werde, dürfe bei einer etwaigen Zerlegung gemäß § 30 GewStG der Zerlegungsfaktor Arbeitnehmer und Schulkinder nicht mit 50 v. H. angesetzt werden. Da der Geschäftserfolg der Firma A. in der Hauptsache auf der Tüchtigkeit der außerhalb des Niederlassungsorts wohnenden Vertreter beruhe, entsprächen die finanziellen Belastungen, die durch die Arbeitnehmer und Schulkinder entstünden, keinesfalls einem so hohen Anteil am einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag. Auch sei die Zahl dieser Personen verhältnismäßig gering. Der Arbeitnehmer-Faktor sei daher mit 20 v. H. des Gewerbesteuermeßbetrags angemessen berücksichtigt. Der restliche Meßbetrag müsse nach den Anteilen am Einheitswert der Betriebsgrundstücke und nach dem Verhältnis der beweglichen Betriebsanlagen zerlegt werden. Im Hinblick auf die großen Opfer, die sie habe leisten müssen, um die Firma A. zu einer Niederlassung in ihrem Ort zu bewegen, begehre sie außerdem zusätzlich eine Erhöhung des Zerlegungsanteils um 5 v. H. des Meßbetrags.

Die Stadt B. trat der Auffassung der Bfin. entgegen. Die Oberfinanzdirektion bejahte in ihrer Beschwerdeentscheidung das Vorliegen einer mehrgemeindlichen Betriebstätte. Sie führte aus, nach Einstellung des Autohandels und der Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte im Jahre 1957 werde der dafür verwendete Gebäudeteil auf Markung B. für die Instandsetzung von Landmaschinen benützt; der angrenzende Lagerschuppen diene schon seit 1956 der Landmaschinenhandlung. In den Gebäuden auf Markung C befinde sich außer den Büroräumen eine weitere Werkstatthalle für die Reparatur von Landmaschinen. Neben dem räumlichen Zusammenhang beider Grundstücksteile bestehe auch hinsichtlich der Tätigkeiten ein organisatorischer Zusammenhang. Der Betrieb stehe unter der einheitlichen Leitung des Firmeninhabers. Auch im übrigen organisatorischen Aufbau (gemeinsames Büro, gemeinsamer Schriftverkehr, gemeinsames Rechnungswesen usw.) komme die enge Verknüpfung der Unternehmensbereiche zum Ausdruck. Auf Grund der Zugehörigkeit sämtlicher Betriebsteile zu derselben Branche stelle sich das Unternehmen dem Betrachter als ein in sich geschlossener Betrieb dar. Bei der Zerlegung teilte die Oberfinanzdirektion die Hälfte des Meßbetrags nach den Sachwerten (Einheitswert der Betriebsgrundstücke) und die andere Hälfte nach der Zahl der Arbeitnehmer auf. Auf dieser Grundlage errechnete sich für die Bfin. ein Zerlegungsanteil von 53 v. H. im Jahr 1956 und 56 v. H. im Jahr 1957.

Mit ihrer weiteren Beschwerde macht die Gemeinde C. geltend, bei der Beurteilung, ob eine mehrgemeindliche Betriebstätte vorliege, dürfe nicht darauf abgestellt werden, daß Reparaturwerkstätte und Landmaschinenhandel unter einer gemeinsamen Oberleitung stünden. Damit sei nur der einheitliche Betrieb, aber nicht die einheitliche Betriebstätte dargetan. Auch bei räumlicher Verbundenheit könnten, wenn besondere Umstände vorlägen, verschiedene Betriebstätten bestehen (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I B 34/50 U vom 18. April 1951, BStBl 1951 III S. 124, Slg. Bd. 55 S. 322). Dies treffe hier zu. Es könne nachgewiesen werden, daß die Markungsgrenze zwischen zwei organisatorisch und wirtschaftlich selbständigen Teilen (Maschinenhandel in C. und Reparaturbetrieb in B.) verlaufe. Hiervon abgesehen, werde der Faktor Arbeitnehmer von der Oberfinanzdirektion überbewertet. Die Firma A. habe insgesamt nur 15 Arbeitnehmer beschäftigt, so daß auf jeden einzelnen 1/30 des gesamten einheitlichen Steuermeßbetrags entfalle. Dies entspreche nicht dem nach § 33 GewStG zu beachtenden Grundsatz der Gerechtigkeit und Billigkeit. Im Rahmen dieses Grundsatzes müßten auch die Opfer berücksichtigt werden, die sie für die Ansiedlung der Firma A. gebracht habe.

 

Entscheidungsgründe

Die weitere Beschwerde der Bfin. ist nicht begründet.

Die Oberfinanzdirektion ist zu Recht davon ausgegangen, daß im Streitfall eine mehrgemeindliche Betriebstätte (ß 30 GewStG) gegeben ist. Unter welchen Voraussetzungen sich eine Betriebstätte auf mehrere Gemeinden erstreckt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist dies dann anzunehmen, wenn in räumlicher, organisatorischer, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht ein einheitliches Ganzes besteht (Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 186/53 U vom 13. Juli / 26. Oktober 1954, BStBl 1954 III S. 372, Slg. Bd. 59 S. 421). Es ist unbestritten, daß im vorliegenden Fall ein durch die Erdoberfläche hergestellter räumlicher Zusammenhang von Betriebsanlagen besteht, auf denen jeweils eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet wird. In einem solchen Fall ist in der Regel eine einheitliche Betriebstätte anzunehmen. Nur wenn ganz besonders gelagerte Verhältnisse vorliegen, kann trotz der räumlichen Verbundenheit eine Mehrzahl von Betriebstätten angenommen werden (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I B 34/50 U, a. a. O.; I B 218/56 U vom 26. November 1957, BStBl 1958 III S. 261, Slg. Bd. 66 S 679). Solche besonderen Verhältnisse sind hier nicht zu erkennen. Die Oberfinanzdirektion ist auf Grund des ihr vorliegenden Lageplanes davon ausgegangen, daß der auf Markung B. befindliche Lagerschuppen der Firma A. in den Streitjahren dem Landmaschinenhandel gedient hat. Hierauf hatte die Stadt B. im Beschwerdeverfahren mit ihrem Schriftsatz vom 8. Februar 1960 hingewiesen. Die Oberfinanzdirektion hat die Bfin. mit Schreiben vom 8. März 1960 um Stellungnahme hierzu gebeten. Die Bfin. hat sich jedoch nicht substantiiert geäußert. Im Gegenteil hat sie in ihrem Schriftsatz im Verfahren der weiteren Beschwerde die diesbezüglichen Ausführungen der Oberfinanzdirektion zu I. der Beschwerdeentscheidung als im wesentlichen richtig bezeichnet. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß sich der Landmaschinenhandel auch auf das Gebiet der Stadt B. erstreckt hat.

Der Senat vermag der Bfin. auch insoweit nicht zu folgen, als sie sich gegen den von der Oberfinanzdirektion angewandten Zerlegungsmaßstab wendet. Die Zerlegung muß sich nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebstätte erwachsenden Gemeindelasten richten (ß 30 GewStG). Welcher Maßstab im einzelnen anzulegen ist, um dieses Ziel zu erreichen, bestimmt das Gesetz nicht. Damit ist dem Ermessen der Finanzbehörden ein weiter Spielraum eingeräumt, der nach § 33 GewStG nur insofern eingeschränkt wird, als die Zerlegung nicht zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führen darf. Indessen darf die Zerlegung, auch wenn § 30 GewStG nur einen groben Maßstab aufstellt (Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 218/56 U, a. a. O.), nicht nach freiem Belieben vorgenommen werden, sondern muß den Grundsätzen entsprechen, die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 30 GewStG ausgesprochen worden sind.

Die Entscheidung der Vorinstanz, die dem Faktor Arbeitnehmer und dem Faktor Betriebsanlagen gleiches Gewicht beimißt, steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Der Einwand der Bfin., der Faktor Arbeitnehmer sei von der Oberfinanzdirektion überbewertet worden, geht fehl. Die Rechtsprechung hat vielmehr dem Wohnen der Arbeitnehmer und den für die Gemeinden damit verbundenen Lasten stets eine wesentliche Bedeutung beigemessen (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I 473/38 vom 28. Februar 1939, RStBl 1939 S. 1056; I 328/39 vom 7. Mai 1940, RStBl 1940 S. 714, Slg. Bd. 48 S. 317; Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I B 34/50 U, a. a. O.; I B 186/53 U, a. a. O.; I B 218/56 U, a. a. O.; I B 321/61 vom 27. Februar 1963, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 30 Rechtsspruch 13). Welches Gewicht den Lasten aus dem Wohnen der Arbeitnehmer gegenüber denjenigen aus den Betriebsanlagen zukommt, wird im einzelnen schwer zu ermitteln sein. Im Rahmen des groben Maßstabes nach § 30 GewStG ist es in der Regel nicht zu beanstanden, wenn auf beide Faktoren je zur Hälfte abgestellt wird, wobei die Oberfinanzdirektion zu Recht im Sinne des Faktors Betriebsanlagen auf einen Ansatz des beweglichen Anlagevermögens deshalb verzichtet hat, weil dies verhältnismäßig geringfügig ist. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dieses Vorgehen im Streitfall zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führt. Der Hinweis der Bfin. auf die geringe Zahl der Arbeitnehmer vermag nicht zu überzeugen. Die Zahl der Arbeitnehmer allein sagt noch nichts darüber, ob die Lasten, die mit den Betriebsanlagen verbunden sind, gegenüber denjenigen überwiegen, die aus dem Wohnen der Arbeitnehmer herrühren. Häufig wird vielmehr gerade die Zahl der Arbeitnehmer auch Rückschlüsse auf den Zuschnitt des Betriebs und damit auf die Lasten zulassen, die den Gemeinden aus den Betriebsanlagen erwachsen. Bei der Natur der im Streitfall ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten ist jedenfalls nicht zwingend zu schließen, daß die Oberfinanzdirektion den Faktor Betriebsanlagen in stärkerem Masse hätte berücksichtigen müssen. Schließlich kann bei der Zerlegung auch nicht der Aufwand berücksichtigt werden, den die Bfin. geleistet hat, um die Ansiedlung der Firma A. auf ihrem Gebiet zu erreichen. Nach dem Sinn und Zweck der Gewerbesteuer, die den Gewerbebetrieb als solchen erfaßt und nach dem Wortlaut des § 30 GewStG, können im Rahmen des § 30 GewStG nur Lasten berücksichtigt werden, die den Gemeinden aus dem Vorhandensein des Betriebs erwachsen. Hierunter fallen in der Regel nicht solche finanziellen Aufwendungen, die lediglich entstanden sind, um den Gewerbebetrieb erst anzusiedeln.

Die weitere Beschwerde war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411414

BStBl III 1965, 113

BFHE 1965, 310

BFHE 81, 310

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