Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiswürdigung, Verletzung rechtlichen Gehörs

 

Leitsatz (NV)

1. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen. Einwendungen gegen die Würdigung des Sachverhalts durch das FG betreffen daher einen materiellen Rechtsfehler, der nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers führen kann (st. Rspr., z. B. BFH-Beschluß vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671).

2. Sind die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, auf die sich das FG-Urteil stützt, in einem Erörterungstermin besprochen worden, liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Überraschungsentscheidung) auch dann nicht vor, wenn das FG von der im Erörterungstermin vom (verstorbenen) Berichterstatter angedeuteten, für den Beschwerdeführer günstigen Rechtsauffassung abweicht (Anschluß an BFH-Urteil vom 23. Mai 1996 IV R 87/93, BFHE 180, 396, BStBl II 1996, 523).

 

Normenkette

FGO §§ 76, 96, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügen, das finanzgerichtliche Urteil weiche von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab, ist die Beschwerde bereits unzulässig.

Eine Divergenz i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nur vor, wenn das Finanzgericht (FG) in seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem -- ebenfalls tragenden -- abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht (z. B. BFH-Beschluß vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, m. w. N.). In der Beschwerdeschrift muß die BFH-Entscheidung bezeichnet werden (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Das bedeutet, es sind Datum und Aktenzeichen oder die Fundstelle der Entscheidung anzugeben und die voneinander abweichenden Rechtssätze darzulegen (BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Die Darlegung, das FG weiche "von den von ihm selbst zitierten" BFH-Urteilen ab, genügt nicht.

2. Die gerügten Verfahrensmängel (Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags, Nichtberücksichtigung des Akteninhalts bzw. des Gesamtergebnisses des Verfahrens -- §96 FGO --, unvollständige Ermittlung des Sachverhalts -- §76 FGO --) rechtfertigen ebenfalls keine Zulassung der Revision.

Die Kläger tragen vor, der Kläger habe sich im Erörterungstermin auf das Zeugnis seiner Schwiegereltern bezogen. Im Protokoll über den Erörterungstermin ist vermerkt, der Kläger habe angekündigt, eine schriftliche Stellungnahme seiner Schwiegereltern vorzulegen, aus der sich die Nutzungsverhältnisse des Gebäudes A.-Straße 1 ergäben. Die Schwiegereltern haben schriftlich erklärt, das Schlafzimmer und Badezimmer im Erdgeschoß sei ausschließlich ihrer Nutzung vorbehalten, während Küche und Wohnzimmer zunächst mit der Tochter (der Klägerin) allein und später auch mit deren Familie gemeinschaftlich genutzt worden sei; die Räume im Obergeschoß habe die Tochter zunächst allein und später zusammen mit ihrer Familie ausschließlich genutzt.

Diesen Sachverhalt hat das FG seinem Urteil zugrunde gelegt. Es hat jedoch aufgrund des "Gesamtbilds der Verhältnisse" und der "Verkehrsanschauung" die Nutzung des Gebäudes A.-Straße 1 durch die Kläger als Mitbenutzung einer den Eltern überlassenen Wohnung gewürdigt. Es hat seine Auffassung insbesondere darauf gestützt, daß den Klägern im Gebäude A.-Straße 3 eine ausreichend große Familienwohnung zur Verfügung stand und beide Doppelhaushälften nicht unmittelbar miteinander verbunden waren. Daß unter diesen Umständen die Kläger auch in dem Gebäude A.-Straße 1, in dem die Eltern der Klägerin wohnten, einen Haushalt führten, erschien dem FG nicht überzeugend. Die Einwendungen der Kläger betreffen daher die Würdigung des Sachverhalts durch das FG und somit einen materiellen Rechtsfehler, der nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führen kann. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung durch den BFH im Rahmen einer Verfahrensrevision entzogen (st. Rspr., z. B. BFH-Beschluß in BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671).

3. Auch auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann die Zulassung der Revision nicht gestützt werden.

Im Streitfall wurde rechtliches Gehör unter anderem durch einen Erörterungstermin gewährt, in dem die streitigen Sach- und Rechtsfragen besprochen wurden. Das FG durfte danach und nach dem Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden. In der Bewertung der Sach- und Rechtsfragen war es frei, auch wenn der verstorbene ehemalige Berichterstatter im Erörterungstermin angedeutet hat, daß er die Sach- und Rechtsfragen in einem für die Kläger günstigen Sinne bewerte. Dadurch wird die Entscheidungskompetenz des Vollsenats nicht berührt. Da die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte, auf die sich das Urteil stützt, Gegenstand des umfassenden mündlichen und schriftlichen Vorbringens der Beteiligten waren, ist das finanzgerichtliche Urteil auch keine "Überraschungsentscheidung" (BFH-Urteil vom 23. Mai 1996 IV R 87/93, BFHE 180, 396, BStBl II 1996, 523).

4. Die Entscheidung ergeht im übrigen nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 605

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