Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Aussetzung der Vollziehung von bloß ablehnenden Bescheiden

 

Leitsatz (NV)

1. Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 abgelehnt wird, kann nicht in der Form der Aussetzung der Vollziehung gewährt werden.

2. Eine Umdeutung eines beim BFH gestellten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung als Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung kommt nicht in Betracht, weil für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung stets das FG zuständig ist.

 

Normenkette

FGO §§ 69, 114

 

Tatbestand

Der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) setzte mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Bescheid vom 3. Mai 1990 für das Streitjahr 1987 den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag erklärungsgemäß auf ... DM und die Gewerbesteuer auf ... DM fest. Das FA lehnte den Antrag der Antragstellerin vom 23. November 1990, den Bescheid aufzuheben, da sie der Gewerbesteuer nicht unterliege, mit Bescheid vom 6. Dezember 1990 ab. Einspruch und (Verpflichtungs-)Klage blieben ohne Erfolg; über die gegen das Urteil des Finanzgerichts gerichtete Revision IV R 85/93 hat der erkennende Senat noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren unter Hinweis auf die anhängige Revision die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuer 1987.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. a) Eine Aussetzung der Vollziehung setzt voraus, daß der Verwaltungsakt, dessen Vollziehung ausgesetzt werden soll, angefochten worden ist (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 3. Mai 1990 ist demnach unzulässig, weil er mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist unanfechtbar geworden ist (z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. März 1971 II B 47/69, BFHE 101, 346, BStBl II 1971, 334). Nichts anderes ergibt sich daraus, daß Steuerfestsetzungen, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit nur formell bestandskräftig werden (z. B. BFH- Urteil vom 19. Dezember 1985 V R 167/82, BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420, 424); denn ein bloßer Antrag auf Aufhebung oder Änderung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ermöglicht keine Aussetzung der Vollziehung (Woerner/Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl., S. 63 m. w. N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 164 AO 1977 Tz. 8).

b) Eine Aussetzung der Vollziehung des ablehnenden Bescheids vom 6. Dezember 1990 kommt ebenfalls nicht in Betracht. Allerdings ist dieser Bescheid noch nicht bestandskräftig. Das Begehren der Antragstellerin scheitert jedoch daran, daß ein Verwaltungsakt, der sich auf eine Negation beschränkt, keinen vollziehbaren Inhalt hat. Das gilt insbesondere für Verwaltungsakte, mit denen -- wie im Streitfall -- ein Antrag auf Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes abgelehnt wird (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH- Beschlüsse in BFHE 101, 346, BStBl II 1971, 334, und vom 27. März 1991 I B 187/90, BFHE 164, 173, BStBl II 1991, 643).

2. Unter den gegebenen Umständen kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung auch nicht in einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) umgedeutet werden. Zwar kann dem FA unter bestimmten Voraussetzungen durch einstweilige Anordnung untersagt werden, eine unanfechtbar festgesetzte Steuer einzuziehen (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Juli 1971 II B 2/71, BFHE 102, 238, BStBl II 1971, 633). Für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist aber nur das Gericht der Hauptsache zuständig. Das ist das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 114 Abs. 2 Satz 2 FGO), selbst wenn das Hauptsacheverfahren bereits vor dem BFH schwebt (z. B. BFH-Beschluß vom 2. Februar 1988 V S 21/87, BFH/NV 1989, 29 m. w. N.). Im Streitfall scheidet schon wegen Fehlens dieser Zuständigkeitsvoraussetzung eine Umdeutung aus.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 409

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