Leitsatz

Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 2 Abs. 2 BierStG 1993 i.d.F. des Art. 15 HBeglG 2004 vom 29.12.2003 (BGBl I 2003, 3076) mit Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 2, Art. 42 Abs. 1 S. 1 und Art. 76 Abs. 1 GG vereinbar ist.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 BierStG 1993, Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 2, Art. 42 Abs. 1 S. 1, Art. 76 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1, § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG

 

Sachverhalt

Durch Art. 15 HBeglG 2004 ist das BierStG dahin geändert worden, dass die ermäßigten Biersteuersätze für kleine Brauereien abgebaut worden sind. Diese Änderung ist im Vermittlungsausschuss beschlossen worden. Sie war Inhalt des sog. Koch/Steinbrück-Papiers, wo im Rahmen des für notwendig erklärten umfassenden Subventionsabbaus vorgesehen war, dass § 2 BierStG 1993 mit dem Ziel geändert werden sollte, die gestaffelten Steuersätze in drei Schritten um jeweils 4 % zu erhöhen; für diesen nur schrittweisen Abbau wurde als Zielsetzung auf den Schutz der mittelständischen Brauereien verwiesen.

Das Koch/Steinbrück-Papier ist im Haushalts- und Finanzausschuss vorgestellt, die Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 aber weder dort noch in den drei Lesungen des HBeglG 2004 im Plenum des Bundestags ausdrücklich beraten worden.

Das BVerfG hat die ebenfalls im Koch/Steinbrück-Papier vorgesehene, im Vermittlungsausschuss als Bestandteil des HBeglG 2004 beschlossene Änderung des PBefG für formell verfassungswidrig erklärt, weil es an der Einbringung und parlamentarischen Behandlung einer diesbezüglichen Gesetzesinitiative fehle. Im Beschluss des BVerG vom 08.12.2009, 2 BvR 758/07 (BVerfGE 125, 104) ist die Entstehung und parlamentarische Behandlung des Koch/Steinbrück-Papiers im Einzelnen dargestellt.

 

Entscheidung

Nachdem Einspruch und Klage (Sächsisches FG, ­Urteil vom 05.08.2009, 7 K 1262/04, Haufe-Index 2220044) erfolglos blieben, legt der BFH die insoweit in gleicher Weise zustande gekommene Änderung des BierStG dem BVerfG zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit und für eine ggf. zu treffende Fortgeltungsanordnung, wie sie beim PBefG erlassen worden ist, vor. Gegenstand seines Verfahrens ist ein auf die geänderte Steuerstaffel gestützter Biersteuerbescheid.

 

Hinweis

Der BFH hält die Änderung des BierStG durch das HBeglG 2004 aus den Gründen für formell verfassungswidrig, die das BVerfG gegen die dort vorgenommene Änderung des PBefG angeführt hat, weil nämlich eine entsprechende Gesetzesinitiative nicht ordnungsgemäß in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht und beraten worden sei, sodass der Vermittlungsausschuss die betreffende Änderung nicht habe beschließen dürfen.

Dass der BFH angesichts dieses Präjudizes die Änderung des BierStG nicht für verfassungsgemäß halten konnte, liegt auf der Hand, wenn auch gegen die Verfassungsmäßigkeit der Änderung des PBefG nach Ansicht des BVerfG des Weiteren die mangelnde Bestimmtheit des Änderungsvorschlags im Koch/Steinbrück-Papier gesprochen hat, an welcher der Änderungsvorschlag zum BierStGnicht leidet.

Die eigentlich kritische Frage des Vorlagebeschlusses ist deshalb nicht die nach der formellen Verfassungsmäßigkeit der Änderung des BierStG (an der materiellen Verfassungsmäßigkeit derselben bestehen kaum ernstliche Zweifel), sondern ob angesichts der dargestellten Entscheidung des BVerfG überhaupt noch eine Vorlage nach Art. 100 GG vonnöten ist. Denn die Verfassungswidrigkeit der Änderung des BierStG dürfte eine denknotwendige, logische Folge der Entscheidung zum PBefG sein!

Gleichwohl hat der BFH vorgelegt, und zwar in der Erwägung, dass sich "der Tenor der Entscheidung des BVerfG ausschließlich auf § 45a … PBefG bezieht und andere Bestimmungen nicht in Bezug genommen werden" (wie könnten sie auch!). Der BFH stellt also gleichsam auf eine streng formelle Betrachtung ab. Diese dürfte bei Normverwerfungsentscheidungen dem Respekt vor dem Gesetzgeber geschuldet sein, dessen Gesetze nur durch einen förmlichen, ausdrücklichen Beschluss des BVerfG gem. Art. 100 GG für ungültig erklärt werden können, nicht durch bloße Schlussfolgerungen aus Entscheidungen des BVerfG, so zwingend sie auch erscheinen mögen.

Ob die Notwendigkeit, über eine vorläufige Fortgeltung des verfassungswidrigen HBeglG 2004 auch hinsichtlich des BierStG zu entscheiden, die Vorlage (zusätzlich) erforderlich machte, wie der BFH andeutet, mag man bestreiten können, weil sich eine solche Anordnung gerade nicht gegen den Gesetzgeber richtet und in Art. 100 GG ohnehin nicht ausdrücklich benannt wird. Und wie das BVerfG die Fortgeltungsfrage beantworten wird, dürfte angesichts seiner Rechtsprechung und erst recht der Entscheidung zum PBefG kaum zweifelhaft sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 15.02.2011 – VII R 44/09

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