Mit dem Thema "Schwerbehinderung von Mitarbeitern" wird der Steuerberater in der Lohnbuchhaltung (Urlaubstage) und bei der betriebswirtschaftlichen Beratung größerer Unternehmen konfrontiert im Zusammenhang mit der Frage, ob Neueinstellungen sinnvoll sind. Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob sie freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen können.[1] Nach dem Inkrafttreten des AGG kann sich auf die Schutzvorschriften für schwerbehinderte Menschen nur berufen, wer unter den Anwendungsbereich des SGB IX fällt. Das sind schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 oder die diesen durch ein förmliches Verfahren gleichgestellte Menschen. Wer nicht zu diesem Personenkreis gehört, kann sich zur Abwehr einer Benachteiligung wegen Behinderung auf das AGG berufen.[2]

Das BAG hat ent­schie­den, dass die Fra­ge nach ei­ner Schwer­be­hin­de­rung zu­läs­sig ist, wenn das Ar­beits­ver­hält­nis be­reits 6 Mo­na­te be­steht.[3]

Wesentliche Inhalte

Jeder Arbeitgeber mit mindestens 20 regelmäßigen Arbeitsplätzen ist gem. § 154 Abs. 1 SGB IX verpflichtet, mindestens 5 % der Arbeitsplätze (§ 156 SGB IX) mit Schwerbehinderten zu besetzen. Ausbildungsplätze zählen nicht als Arbeitsplätze (§ 157 Abs. 1 SGB IX). Die Pflichtquote gilt sogar dann, wenn aufgrund der betrieblichen Struktur Schwerbehinderte gar nicht beschäftigt werden können.

Für jeden nicht besetzten Pflichtplatz muss der Arbeitgeber monatlich eine Ausgleichsabgabe von 125 bis 320 EUR zahlen (§ 160 Abs. 2 SGB IX). Schwerbehinderte haben Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Schwerbehinderte müssen nicht mehr als 8 Stunden täglich arbeiten. Der Ar­beit­ge­ber muss ei­nen Ar­beit­neh­mer nur dann auf den Ver­fall des Zu­satz­ur­laubs hin­wei­sen, wenn er von der Schwer­be­hin­de­rung Kennt­nis hat.[4]

Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören (§ 178 Abs. 2 SGB IX). Wird eine Führungsposition besetzt, muss die Schwerbehindertenvertretung nur dann am Besetzungsverfahren beteiligt werden, wenn die Aufgabe besondere Schwerbehinderten spezifische Führungsanforderungen stellt. Das kann z. B. der Fall sein, wenn es zu den Aufgaben der Führungskraft gehört, Arbeitsplätze behinderungsgerecht zu gestalten.[5]

 
Achtung

Haftungsfalle

Der Steuerberater wird auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf[6] hingewiesen.

Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Steuerberatungsgesellschaft die Grenze zur unerlaubten Rechtsberatung dadurch überschritten, dass sie den Hinweis erteilt hat, dass eine Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nur nach Antrag und mit der Zustimmung des Integrationsamts möglich ist und zudem die Formulierung und Einreichung des Antrags selbst vorgenommen hat.

Das SGB IX gewährt dem schwerbehinderten Mitarbeiter einen besonderen Kündigungsschutz, der neben die allgemeinen Kündigungsschutzregeln[7] tritt. Eine Kündigung darf erst ausgesprochen werden, wenn die Hauptfürsorgestelle zuvor zugestimmt hat.

Der Arbeitgeber muss die Zustimmung beim zuständigen Integrationsamt (§ 168 SGB IX, § 170 SGB IX) schriftlich beantragen. Der Antrag ist unter Darlegung der Kündigungsgründe und Beweismittel zu begründen.

Bei einer fristgemäßen Kündigung muss der Arbeitgeber zudem eine Kündigungsfrist von mindestens 4 Wochen einhalten (§ 169 SGB IX). Längere gesetzliche, tarifliche oder einzelvertragliche Kündigungsfristen bleiben unberührt. Das Integrationsamt soll die Entscheidung, falls erforderlich, aufgrund mündlicher Verhandlung, innerhalb eines Monats vom Tag des Eingangs des Antrags an treffen (§ 171 Abs. 1 SGB IX).

Bei einer fristlosen Kündigung gilt: Die Zustimmung muss innerhalb von 2 Wochen seit Kenntnis des Kündigungsgrunds beantragt werden (§ 174 Abs. 2 SGB IX).

Die Hauptfürsorgestelle hat ihre Entscheidung dann binnen 2 Wochen nach Antragseingang zu treffen. Hält die Behörde diese Frist nicht ein, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 174 Abs. 3 SGB IX).

Der besondere Kündigungsschutz gilt nicht in den ersten 6 Monaten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (§ 1 KSchG).

Das Recht des Arbeitnehmers, sich erstmalig nach Zugang der Kündigung auf eine Schwerbehinderung und damit auf den Sonderkündigungsschutz  zu berufen, unterliegt der Verwirkung. Als Maßstab für die Rechtzeitigkeit der Mitteilung ist von der 3-Wochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG auszugehen.[8]

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, innerhalb der ersten 6 Monate eines Arbeitsverhältnisses das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX a. F. (aktuell: § 167 SGB IX) durchzuführen.[9]

Die durch das Integrationsamt einmal erteilte Zustimmung zur Kündigung – vorbehaltlich ihrer Nichtigkeit – entfaltet so lange Wirksamkeit, wie sie nicht rechtskräftig aufgehoben ist. Für die Berechtigung des Arbeitgebers, auf der Grundlage des Zustimmungsbescheids die Kündi...

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