Rz. 123

Art. 24ff. MwStSystRL regeln den Begriff der Dienstleistung. Art. 24 Abs. 1 MwStSystRL enthält die Grundsatzdefinition, dass jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands ist, als Dienstleistung behandelt wird. Die Leistung kann u. a. auch in der Abtretung eines unkörperlichen Gegenstands, in der Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen, und in der Ausführung eines Dienstes aufgrund einer behördlichen Anhörung oder kraft Gesetzes bestehen. Die Aufgabe der Milcherzeugung oder die Einschränkung der Kartoffelproduktion durch einen Landwirt gegen eine entsprechende Vergütung der öffentlichen Hand stellt keine Dienstleistung dar.[1] Überlässt der Unternehmer dem Erwerber eine zuvor entwickelte und in den Verkehr gebrachte, auf einem Datenträger gespeicherte Standardsoftware und passt er diese anschließend an die besonderen Bedürfnisse des Erwerbers an, liegt eine Dienstleistung und keine Lieferung vor, wenn die Anpassung der Software weder unbedeutend noch nebensächlich, sondern von ausschlaggebender Bedeutung ist.[2] Bei der Übertragung eines Versicherungsbestands zwischen zwei Versicherungsunternehmen handelt es sich um die Übertragung von Rechten und Pflichten, und damit um eine Dienstleistung und nicht um eine Lieferung.[3] Zur Abgrenzung zwischen Lieferungen und Dienstleistungen am Beispiel einer Reprografietätigkeit vgl. EuGH v. 11.2.2010.[4] Die Abgabe von Warengutscheinen, die ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer als Ersatz für die Auszahlung von Arbeitslohn in Bargeld aushändigt, stellt eine steuerbare Dienstleistung (keine Lieferung) dar.[5] Der Gutschein ermögliche es dem Arbeitnehmer, einen Gegenstand oder eine Dienstleistung in bestimmten Geschäften zu erwerben, sodass der Gutschein ihm ein zukünftiges und damit noch unbestimmtes Recht an Gegenständen oder Dienstleistungen verleiht. Diese Dienstleistung wird nach der EuGH-Rechtsprechung auch gegen Entgelt erbracht. Die Gegenleistung besteht in dem insoweit erfolgenden Verzicht des Arbeitnehmers auf Auszahlung eines Barlohns.

 

Rz. 124

Analog zu Art. 16 setzt Art. 26 MwStSystRL die Verwendung eines unternehmerischen Gegenstands für private Zwecke des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke einer Dienstleistung gleich, wenn der Gegenstand voll oder teilweise zum Abzug der Vorsteuer berechtigt hat. Einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt ist auch die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke. Auf ein etwaiges Vorsteuerabzugsrecht kommt es dabei nicht an.

Kann die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke nicht einer Dienstleistung gegen Entgelt nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. a MwStSyStRL gleichgestellt werden, weil der betreffende Gegenstand, anders als es die Vorschrift verlangt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, dann kann diese Verwendung nicht hilfsweise auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b MwStSyStRL einer entgeltlichen Dienstleistung gleichgestellt werden.[6]

 

Rz. 125

Art. 26 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL schließt die Besteuerung der Abschreibung eines Betriebsgegenstands als private Nutzung aus, wenn der Gegenstand wegen des Erwerbs von einer Privatperson nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hat.[7] Die Vorschrift schließt auch die Besteuerung der privaten Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands aus, soweit diese Verwendung Dienstleistungen umfasst, die der Unternehmer von Dritten zur Erhaltung oder zum Gebrauch des Gegenstands ohne die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat.[8]

 

Rz. 126

Die teilweise Nutzung eines Unternehmensgebäudes für private Wohnzwecke ist nicht einem steuerfreien Vermietungsumsatz gleichzustellen, sondern steuerpflichtig.[9] Daraus folgt, dass der Vorsteuerabzug auf die Anschaffungs- und laufenden Betriebskosten des Gebäudes entsprechend der Höhe des Privatanteils der Nutzung nicht ausgeschlossen ist. Art. 26 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL erfasst nicht nur den Fall des Steuerpflichtigen, der einen dem Unternehmen zugeordneten Gegenstand für seinen privaten Bedarf verwendet, sondern auch den Fall, in dem das Personal eines Unternehmers eine solche Verwendung vornimmt. Im letztgenannten Fall besteht auch keine Identität zwischen den betreffenden Personen, und der Fall, dass der Unternehmer eine juristische Person ist, schließt nicht aus, dass es zu einer Verwendung des Gegenstands zu privaten Zwecken durch das Personal des Steuerpflichtigen kommen kann. Der EuGH setzt damit einen Kapitalgesellschafter dem Personal der Gesellschaft gleich und begründet dies auch mit dem Neutralitätsgrundsatz, wonach die Unternehmereigenschaft von der Rechtsform des Unternehmens unabhängig ist. Diese Rechtsfolge gilt jedoch nicht, wenn zwischen der Gese...

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