Rz. 15

§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG beruht auf Art. 12, Art. 131 i. V. m. Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und Buchst. k und Art. 371 i. V. m. Anhang X Teil B Nr. 9 MwStSystRL. Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten – obligatorisch – die Lieferung von anderen Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden als den in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL genannten. Bei den Gegenständen nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL handelt es sich um Gebäude oder Gebäudeteile und den dazugehörigen Grund und Boden vor dem Erstbezug. Die Mitgliedstaaten müssen also grundsätzlich alle Gebäude- oder Gebäudeteillieferungen einschließlich des dazugehörigen Grund und Bodens von der USt befreien, es sei denn, es handelt sich um Gebäude (oder Gebäudeteile) vor dem Erstbezug, d. h. um Neubauten. Da diese Neubauten von der Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL ausdrücklich ausgenommen sind, sind derartige Lieferungen grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Zum Anwendungsbereich der Steuerbefreiung für die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden hat der EuGH entschieden, dass mit dem Kriterium des "Erstbezugs" Neubauten, deren Bau und Vermarktung der MwSt unterliegen müssen, von Altbauten unterschieden werden können. Zu diesem Zweck legt dieses Kriterium den Zeitpunkt fest "an dem der Gegenstand die Produktionskette verlässt und in den Konsumbereich eintritt", nämlich "die Benutzung des Grundstücks durch seinen Eigentümer oder durch einen Mieter".[1] Daher ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL anwendbar auf die Lieferung von Immobilien, nachdem diese tatsächlich von ihrem Eigentümer oder ihrem Mieter genutzt worden sind. Dagegen ist die erste Lieferung eines Neubaus an den Endverbraucher nicht steuerfrei.[2]

 

Rz. 16

Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. k MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten (obligatorisch) die Lieferung unbebauter Grundstücke mit Ausnahme von Baugrundstücken i. S. d. Art. 12 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Als Baugrundstücke nach Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 3 MwStSystRL gelten erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten. Die Lieferungen von Baugrundstücken sind nach dem Unionsrecht demnach grundsätzlich steuerpflichtig. Nach dem EuGH-Urteil v. 28.3.1996[3] bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, den Begriff "Baugrundstück" zu definieren. Der EuGH hat weiter entschieden, dass die kraft Gesetzes und gegen Zahlung einer Entschädigung erfolgte Übertragung des Eigentums an einer Immobilie eines Unternehmers (hier der Gemeinde) auf den Fiskus in einer Situation, in der dieselbe Person gleichzeitig das enteignende Organ und die enteignete Gemeinde vertritt und in der Letztere in der Praxis die betreffende Immobilie weiterhin verwaltet, auch dann einen steuerbaren Umsatz darstellt, wenn die Leistung der Entschädigung nur in einer internen Umbuchung im Rahmen des Gemeindehaushalts besteht. Die Übertragung des Eigentumsrechts muss nicht notwendigerweise eine Übertragung im wirtschaftlichen Sinne sein. Art. 14 Abs. 2 MwStSystRL ist nach dem Urteil lex spezialis gegenüber Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL und geht dieser Vorschrift vor. Insbesondere nimmt die Definition der Lieferung in Art. 14 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL in keiner Weise auf die "Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen" Bezug, um die es in Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL geht.[4]

Die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, die zur Begleichung von Steuerrückständen von einem Unternehmer zugunsten des Fiskus oder einer Gebietskörperschaft eines Mitgliedstaats vorgenommen wird, ist nicht steuerbar, weil sie angesichts dessen, dass die Zahlung einer Steuerschuld einseitiger Natur ist, keine Lieferung eines Gegenstands gegen Entgelt darstellt. Die Zahlungsverpflichtung des Steuerpflichtigen als Schuldner einer Steuerforderung gegenüber der Steuerverwaltung ist einseitiger Natur, weil die Zahlung der Steuer durch den Steuerpflichtigen nur zum gesetzlichen Erlöschen der Forderung führt, auch wenn er seiner Zahlungsverpflichtung durch Hingabe eines Grundstücks an Zahlungs statt nachkommt. Eine Steuer führt unabhängig davon, ob sie auf einen Geldbetrag oder auf einen körperlichen Gegenstand erhoben wird, zu keiner Leistung der öffentlichen Hand und folglich auch zu keiner Gegenleistung des Steuerpflichtigen. Folglich handelt es sich nicht um ein Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Daher kann die Hingabe eines Gegenstandes an Zahlungs statt, die zum Erlöschen einer Steuerschuld führt, nicht als entgeltlicher Umsatz i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL angesehen und nicht mit MwSt besteuert werden. Hinsichtlich eines vorgenommenen Vorsteuerabzugs aus dem Erwerb des Grundstück verweist der EuGH auf die Möglichkeit der Entnahmebesteuerung nach Art. 16 MwStSystRL bei der Übertragung des Grundstücks auf die öffentliche Hand.[5]

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