Rz. 34

Voraussetzung der Haftung des Unternehmers ist es, dass er gewusst hat oder beim Üben der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Kenntnis davon hätte haben müssen, dass der Rechnungsaussteller die in seiner Rechnung ausgewiesene USt nicht entrichtet hat und dieses auf dessen vorgefasster Absicht oder seinem vorsätzlichen Außerstandesetzen beruhte. Zu beachten ist, dass die Kenntnis ab Inkrafttreten des § 25d UStG zum 1.1.2002[1] maßgebend war. Das Kennenmüssen ist durch das StÄndG 2003[2] mWv 1.1.2004 hinzugekommen und kann daher erst auf Fälle mit Eingangsumsätzen des Unternehmers ab 1.1.2004 angewendet werden (siehe Rz. 36).

 

Rz. 35

Die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen muss sich auf alle übrigen Haftungsvoraussetzungen erstrecken. Das sind einerseits die objektiven Voraussetzungen wie die Nichtentrichtung der in der Rechnung gem. § 14 UStG ausgewiesenen USt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung. Andererseits müssen Kenntnis oder Kennen müssen sich auf die subjektiven Umstände beim Rechnungsaussteller beziehen, die die Nichtentrichtung auf eine vorgefasste Absicht hierzu oder auf ein vorsätzliches Außerstandesetzen zurückführt. Hinsichtlich dieser subjektiven Umstände ist also eine doppelstöckige subjektive Betrachtung erforderlich. Dieses erleichtert die Handhabung der Regelung nicht, wobei die Finanzbehörde bei der Haftungsinanspruchnahme des Unternehmers die Kenntnis bzw. das Kennen müssen des Unternehmers vom Vorsatz des Rechnungsausstellers zu beweisen hat.[3]

 

Rz. 36

Maßgebender Zeitpunkt für die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Unternehmers über die vorgefasste Absicht bzw. das Außerstandesetzen ist nach § 25d Abs. 1 S. 1 UStG der Augenblick des Abschlusses des Vertrags über den Eingangsumsatz des Unternehmers. Der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses muss für das Kennenmüssen nach dem 31.12.2003 liegen, da diese Alternative erst mWv 1.1.2004 eingefügt worden ist (vgl. Rz. 34). Der Eingangsumsatz verknüpft die Ausstellung der Rechnung und die vorsätzliche Nichtentrichtung der Steuer einerseits mit dem haftenden Unternehmer andererseits. Allerdings muss der Eingangsumsatz des potenziell Haftenden nicht die Kehrseite des Umsatzes des Rechnungsausstellers sein. Die Rechnung mit USt-Ausweis kann nämlich auch einen vorangegangenen Umsatz betreffen (vgl. Rz. 12).

 

Rz. 37

Dennoch muss der Eingangsumsatz des Haftenden in einem engen Zusammenhang mit dem Umsatz des Rechnungsausstellers stehen. Sonst würde allein die Kenntnis oder sogar das Kennenmüssen eines Unternehmers, dass ein anderer Unternehmer USt in Rechnungen ausweist und den Vorsatz der Nichtentrichtung hat, ihn zum Haftenden machen. Dies wäre mit Sicherheit verfassungs- und gemeinschaftsrechtlich unzulässig. Es muss sich also um Umsätze „in der Kette” handeln. Dabei kann es fraglich sein, ob diese Umsätze inhaltlich vollständig identisch sein müssen, wobei die Höhe des Entgelts sicher differieren kann. Der Umsatz des Rechnungsausstellers und der — spätere — Eingangsumsatz des Haftenden müssen, damit eine ausreichende Verknüpfung für die Haftung vorhanden ist, im Wesentlichen übereinstimmen. Das heißt, dass im Eingangsumsatz des Unternehmers der Umsatz des Rechnungsausstellers sich wiederfinden muss, wobei der Haftungsumfang sich nach der in der Rechnung ausgewiesenen und nicht entrichteten Steuer richten muss.[4] Im Fall der Identität zwischen dem Umsatz des Rechnungsausstellers und dem Eingangsumsatz des Haftenden ergeben sich solche Probleme nicht.

 

Rz. 38

Bei Leistungsketten muss jeder der Unternehmer in der Kette im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags über seinen Eingangsumsatz die Kenntnis gehabt haben bzw. nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen.[5] Nicht erforderlich ist es, dass der bzw. nachfolgende Unternehmer eine Kenntnis davon haben bzw. hätte haben müssen, dass vorangegangene Unternehmer in der Kette ihrerseits aufgrund ihrer Kenntnis oder ihres Kennenmüssens den Haftungstatbestand des § 25d UStG erfüllt haben.

[1] StVBG v. 19.12.2001, BGBl I 2001, 3922.
[2] StÄndG v. 15.12.2003, BGBl I 2003, 2645.
[3] Blesinger, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25d UStG Rz. 57.
[4] Gegenstandsidentität, siehe auch Rz. 12 und Nieskens, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 25d UStG Rz. 41.
[5] Blesinger, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25d UStG Rz. 62.

3.4.1 Kenntnis des Unternehmers

 

Rz. 39

Kenntnis des Unternehmers bedeutet sein positives Kennen der für die Haftung nach § 25d Abs. 1 S. 1 UStG erforderlichen Umstände. Für die Annahme einer Kenntnis muss der haftende Unternehmer also die Rechnungsausstellung mit USt-Ausweis, den unbedingten Vorsatz des Rechnungsausstellers zur Nichtentrichtung der Steuer bzw. dessen mindestens bedingten Vorsatz bezüglich des Außerstandesetzens gekannt haben. Die Formulierung in der Vorschrift mit „davon Kenntnis” ist zwar unscharf und lässt nicht eindeutig erkennen, ob sich die Kenntnis nur auf die vorsätzliche Nichtentrichtung oder auch auf den Steuerausweis in der Rechnung beziehen soll. M. E. ist die letztere Aus...

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