Rz. 8

Die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs nach § 33 FGO ist eine von Amts wegen von den FG in erster Instanz zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung für Klageverfahren und Nebenverfahren. Allerdings führt die Unzulässigkeit des Finanzrechtswegs nicht zur sonst erforderlichen Klageabweisung bei Nichtvorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen, sondern das angerufene FG hat von Amts wegen nach Anhörung der Beteiligten die Unzulässigkeit des Finanzrechtswegs auszusprechen und eine sog. Rechtswegverweisung gem. § 155 FGO i. V. m. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG durch Beschluss an das zuständige Gericht des nach Ansicht des verweisenden FG zulässigen Rechtswegs vorzunehmen.

 
Praxis-Beispiel

Der Entscheidungstenor könnte wie folgt lauten:

"Der Finanzrechtsweg ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das [zuständige Gericht] verwiesen. [Die Beschwerde wird zugelassen]."

 

Rz. 8a

Wenn mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gleichzeitig die Hauptsache vom Kläger bei einem unzuständigen FG anhängig gemacht worden ist, hat das angerufene Gericht vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag von Amts wegen die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu prüfen und gem. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG durch Beschluss vorab über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu befinden und den Rechtsstreit (Hauptsache- und Nebenverfahren) an das Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Allein dieses Gericht, das auch eine Entscheidung in der Hauptsache selbst zu treffen hat, ist berufen, die erforderlichen Erfolgsaussichten des Klagebegehrens und die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu prüfen und einer Entscheidung zuzuführen.[1]

 

Rz. 8b

Der Verweisungsbeschluss ist gem. § 17a Abs. 4 S. 2 GVG zwingend zu begründen (Rz. 15) und kann nach § 17a Abs. 4 S. 1 GVG ohne mündliche Verhandlung ergehen. Das ebenfalls zwingend erforderliche rechtliche Gehör kann jedenfalls im Eilverfahren auch telefonisch gewährt werden.[2] Sowohl eine fehlende Begründung als auch die unterlassene Gewährung des rechtlichen Gehörs führt allerdings nicht zur Nichtigkeit des Verweisungsbeschlusses, sondern nur zu dessen Anfechtbarkeit.[3] Allerdings entfällt in diesen Fällen die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses (Rz. 15).

Eine Kostenentscheidung ist wegen der Regelung in § 17b Abs. 2 GVG nicht erforderlich (Rz. 24). Ein Rechtsmittel gegen den finanzgerichtlichen Verweisungsbeschluss ist nur zulässig, wenn er vom FG zugelassen worden ist (Rz. 20 ff.).

 

Rz. 8c

Sofern innerhalb des nach Ansicht des verweisenden FG zulässigen Rechtswegs mehrere Gerichte sachlich oder örtlich zuständig sein könnten, wird gem. § 17a Abs. 2 S. 2 GVG an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom verweisenden FG zu bestimmende Gericht. Widerspricht ein Beteiligter der beabsichtigten Verweisung oder begehrt er ausdrücklich eine Entscheidung des verweisenden Gerichts, hindert ein solcher Umstand die Verweisung nicht.[4]

Sofern ein Beteiligter allerdings die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs rügt, muss das FG zwingend vorab durch Verweisungsbeschluss nach § 17a Abs. 2 S. 1 GVG (Rz. 9ff.) oder durch Beschluss nach § 17a Abs. 3 S. 1 GVG (Rz. 18–19) entscheiden.[5]

 

Rz. 9

Bei Unzulässigkeit des Rechtswegs steht dem angerufenen Gericht insoweit auch nicht die Befugnis zu, über die weitere Zulässigkeit der Klage im Übrigen zu entscheiden. Das angerufene Gericht hat nach dem Wortlaut des § 17a Abs. 2 GVG über die Entscheidung über den Rechtsweg hinaus keine Prüfungskompetenz, so dass dem angerufenen Gericht bei Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht die Befugnis zusteht, über die weitere Zulässigkeit des gerichtlichen Rechtsbehelfs im Übrigen zu entscheiden.[6] Die grundsätzliche Beschränkung auf die Prüfung des zutreffenden Rechtswegs ist zudem eine Konsequenz aus dem Erfordernis, dass der gesetzliche Richter darüber zu entscheiden hat, ob die Klage zulässig und begründet ist. Ausnahmsweise gilt dies jedoch nicht, wenn der Finanzrechtsweg, nach Erschöpfen des Zivilrechtswegs, bewusst gewählt wird, um unabhängig von einem Steuerrechtsverhältnis das Bestehen eines zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses klären zu lassen. In diesem Fall des Missbrauchs des Rechtswegs ist die Klage ausnahmsweise als unzulässig abzuweisen.[7]

 

Rz. 10

Grundsätzlich ist der gesamte Rechtsstreit im Falle der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu verweisen. In den Fällen der objektiven oder subjektiven Klagehäufung ist die Prüfung der Unzulässigkeit des Finanzrechtswegs nach § 33 FGO hinsichtlich jedes einzelnen Streitgegenstands bzw. Streitverhältnisses vorzunehmen und ggf. nach vorhergehender Trennung der Verfahren nach § 73 FGO eine (Teil-)Verweisung nach § 17a Abs. 2 S. 1 GVG vorzunehmen.[8]

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