Rz. 3

Der Rechtscharakter der Duldungspflicht wird deutlich am Inhalt der aus dem Steuerpflichtverhältnis resultierenden Pflichten. Dies sind außer der Duldungspflicht die Schuld und die Haftung. Der Rechtscharakter der Duldungspflicht muss sich also aus der inhaltlichen Gegenüberstellung mit den beiden anderen Pflichtverhältnissen ergeben.

Schuld ist die Verpflichtung zur Erfüllung der dem Schuldner aufgrund des gegen ihn bestehenden Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis obliegenden Leistungspflicht. Die durch den Verwaltungsakt = Steuerbescheid konkretisierte Leistungspflicht[1] kann von der Finanzbehörde, wenn sie nicht freiwillig erfüllt wird, vollstreckt werden.[2] Gegenstand der Vollstreckung ist das dem Schuldner zuzurechnende Vermögen. Der Schuldner hat also, wenn er die geschuldete Leistung nicht freiwillig erbringt, die Vollstreckung in das ihm zuzurechnende Vermögen zu dulden. Rechtlicher Bestandteil der Leistungspflicht des Schuldners ist insoweit also eine Duldungspflicht, ohne dass es einer besonderen Feststellung dieser Duldungspflicht durch einen gesonderten Verwaltungsakt bedarf.

 

Rz. 4

Haftung ist demgegenüber die Einstandspflicht für eine fremde Leistungspflicht, d. h. für die Leistungspflicht des Schuldners.[3] Der Haftungsschuldner hat für die Erfüllung des der Haftung zugrunde liegenden Anspruchs gegen den Schuldner einzustehen. Schuld und Haftung schließen sich begrifflich also gegenseitig aus.[4]

Die fremde Leistungspflicht wird bei der persönlichen Haftung insoweit zu einer eigenen – aktiven – Leistungspflicht. Erfüllt der Haftungsschuldner diese Leistungspflicht nicht, so sind sein Vermögen oder Teile des Vermögens dem Zugriff des Gläubigers unterworfen. Bei der Sachhaftung entfällt auch die eigene – aktive – Leistungspflicht des Haftungsschuldners, hier hat er nur die Verwertung der belasteten Sache zu dulden. Wie bei der Schuldnerstellung ergibt sich als Bestandteil der Haftung die Duldungspflicht. Auch insoweit bedarf es keiner besonderen Feststellung der Duldungspflicht für die Vollstreckung in das dem Haftungsschuldner zuzurechnende Vermögen, auf das sich die Haftung erstreckt.

 

Rz. 5

Die aus der Leistungspflicht resultierende immanente nicht selbstständige Duldungspflicht (s. Rz. 3, 4) besteht nur hinsichtlich des Vermögens oder der Vermögensteile des Leistungspflichtigen, die diesem gehören oder rechtlich zugerechnet werden. Die Vollstreckung der Finanzbehörde wegen Geldforderungen[5] könnte also durch den Leistungspflichtigen in zwei Ebenen ausgeschlossen werden:

  • durch Eigentumsübertragung hinsichtlich der Vermögensgegenstände. Diese Veränderung der Eigentumslage hindert zwar nicht die Pfändung, da diese nur auf den Gewahrsam[6] gestützt wird, wohl aber die Verwertung, da der neue Eigentümer seine Rechte nach § 262 AO geltend machen kann.
  • durch Gewahrsamsübertragung. Hat ein Dritter an den Gegenständen des beweglichen Vermögens, in die vollstreckt werden soll, Allein- oder Mitgewahrsam i. S. v. § 286 Abs. 1 AO[7] und ist dieser Dritte zur Herausgabe nicht bereit, so wäre hiermit eine Pfändung des Gegenstands nach § 281 Abs. 1 AO ausgeschlossen. Die Finanzbehörde könnte nur den Anspruch des Leistungspflichtigen gegen den Dritten auf Herausgabe des Gegenstands nach § 318 Abs. 1 AO pfänden. Aber auch gegen diese Pfändung könnte der Dritte gemäß § 262 AO sein aufgrund der zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Leistungspflichtigen bestehendes Recht zur Innehabung des Gewahrsams geltend machen und damit die Voll­streckung für die Dauer seiner Rechtsstellung ausschließen.
 

Rz. 6

Eine eigenständige steuerliche Duldungspflicht ist also dazu erforderlich, die Rechtsstellung eines Dritten, die der Vollstreckung der Finanzbehörde in diesen Gegenstand gemäß § 262 AO entgegenstehen würde, zu beseitigen und damit die Voll­streckung unmittelbar in den jeweiligen Vermögensgegenstand zu ermöglichen. Dritter i. d. S. ist demnach jeder, der hinsichtlich des konkreten seiner Vermögenssphäre zuzurechnenden Vermögensgegenstands für den bestimmten Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (ohne steuerliche Nebenleistungen) keine Leistungspflicht hat und damit nicht schon aufgrund dieser Rechtspflicht die Vollstreckung zu dulden hat. Bezogen auf den konkreten Vermögensgegenstand schließen sich Leistungspflicht (s. Rz. 3, 4a) und eigenständige steuerliche Duldungspflicht begrifflich gegenseitig aus. Die steuerliche Duldungspflicht besteht also wie bei der Haftung für eine fremde Leistungspflicht (s. Rz. 4). Im Unterschied zur persönlichen Haftung ist die Einstandspflicht des Duldungspflichtigen aber nicht als – aktive – Leistungspflicht (s. Rz. 4), sondern als passives Hinnehmenmüssen[8] der zwangsweisen Verwirklichung des Anspruchs gestaltet, um Vermögensgegenstände dem Zugriff der Finanzbehörde zu unterwerfen (s. Rz. 8). Diese rechtliche Pflichtengestaltung hindert nicht, dass der Duldungspflichtige befugt ist, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden[9], wodurch ihm ggf. ein privatrechtlic...

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