Rz. 329

Die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 S. 1 AO bezieht sich – neben den in Abs. 3 S. 1 aufgeführten Zinsen (vgl. Rz. 337ff.) – nur auf die hinterzogenen Steuern, also auf den durch die vorsätzliche Hinterziehung bewirkten Verkürzungsbetrag (zur Nachzahlungspflicht für strafrechtlich verjährte Zeiträume vgl. Rz. 332a ff.). Wird im Zusammenhang mit der Selbstanzeige zugleich eine Steuerverkürzung aufgedeckt, auf die sich der Hinterziehungsvorsatz nicht erstreckte, die unverschuldet oder nur fahrlässig bewirkt wurde, so muss eine Aufteilung erfolgen. Dementsprechend ist die im Rahmen der Nachzahlungspflicht zu entrichtende Steuer auch nicht zwingend mit der im Rahmen der Veranlagung z. B. auf eine Außenprüfung hin festgesetzten Mehrsteuern identisch.[1]

Hinsichtlich des nicht hinterzogenen Betrags kommt mangels Nachentrichtungspflicht eine Fristsetzung nicht in Betracht. Bezüglich der leichtfertig verkürzten Steuer ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Nachentrichtungspflicht aus § 378 Abs. 3 S. 2 AO ergibt.

Wurde die Steuerhinterziehung durch die Verkürzung ausländischer Steuern gem. § 370 Abs. 6 AO begangen, sind auch diese im Rahmen des § 371 Abs. 3 Satz 1 AO nachzuleisten, allerdings nicht als Zahlung an den deutschen Fiskus, sondern an den ausländischen Staat.

 

Rz. 330

Die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO besteht für den Selbstanzeigenden nur hinsichtlich des zu seinen Gunsten aus dem Verkürzungsbetrag erlangten unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil (Rz. 319ff.). Entspricht der Vorteil wertmäßig nicht dem gesamten Taterfolg, so hat der Selbstanzeigende nur einen Anteil zu entrichten.[2]

 
Praxis-Beispiel

A hinterzieht zugunsten des B ohne dessen Wissen 100.000 EUR USt. Hiervon unterschlägt er für sich 50.000 EUR, sodass die Nachentrichtungspflicht auch nur in dieser Höhe gegeben ist.

 

Rz. 331

Bei mehreren Tatbeteiligten ist die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO somit ebenfalls nur anteilig entsprechend dem Vorteil aus der Steuerhinterziehung gegeben.[3] Straffrei wird derjenige Selbstanzeigende, der seinen Tatbeitrag korrigiert und seinen Vorteil zurückerstattet. Unerheblich ist insoweit, dass der Selbstanzeigende steuerlich ggf. als Gesamtschuldner für den gesamten Verkürzungsbetrag haftet.[4]

 

Rz. 332

Im Fall einer Steuerhinterziehung auf Zeit ist für die Nachentrichtungspflicht der nachzuentrichtende Betrag maßgeblich[5] und nicht nur der Zinsschaden.[6] Da der Täter den wirtschaftlichen Vorteil aus der Nichtzahlung des gesamten Betrages und nicht nur den (Zins-)Vorteil aus der verspäteten Zahlung hat, muss er folgerichtig auch den gesamten Betrag der verkürzten Steuer nachentrichten. Würde man die Nachentrichtung des Zinsvorteils ausreichen lassen, so könnte der Tatbeteiligte den Differenzbetrag behalten und wäre trotzdem straffrei – ein Ergebnis, das dem Schadensausgleichsgedanken des § 371 AO und dem Schutzzweck des § 370 AO[7] widerspricht.

Bei der Bestimmung des nachzuzahlenden Betrags ist insoweit allerdings das Kompensationsverbot nicht zu berücksichtigen. Anderenfalls müßte der Täter zur Erlangung der Straffreiheit Nachzahlungen entrichten, die der Fiskus in Ermangelung einer Rechtsgrundlage zum Behaltendürfen umgehend wieder erstatten müßte (vgl. Rz. 335).

 

Rz. 332a

Es ist umstritten, ob die Nachzahlungspflicht auch strafrechtlich verjährte Jahre umfasst, die innerhalb des zehnjährigen Mindestberichtigungszeitraumes des § 371 Abs. 1 AO liegen.[8] Die Gegenansicht, nach der strafrechtlich verjährte Jahre unberücksichtigt bleiben und allein strafrechtlich (noch) verfolgbare Jahre für eine wirksame Selbstanzeige nachzuzahlen sind, beruft sich auf den Wortlaut des § 371 Abs. 3 AO. Danach wird geltend gemacht, dass in § 371 Abs. 3 AO allein von "der Tat" und nicht von "Taten" die Rede sei, so dass sich aus dem Wortlaut der Norm nur der Bezug auf die unverjährten Zeiträume ergebe.[9]

 

Rz. 332b

Für die Beschränkung auf strafrechtlich unverjährte Jahre werden zahlreiche nachvollziehbare Argumente angeführt. So gehe aus dem Terminus "der Tat" nicht hervor, ob es sich um verjährte oder um unverjährte Taten handele. Auch aus dem Singular lasse sich nichts ableiten, da es sich auch im Rahmen der strafrechtlich unverjährten Steuerhinterziehungen um "Taten" handele. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass die in § 371 Abs. 1 AO geregelte Berichtigungserklärung und die Nachzahlungspflicht des § 371 Abs. 3 AO sich gesetzessystematisch aufeinander beziehen. Der Gesetzgeber entkoppelte die Selbstanzeige im Rahmen der Novellierung zum 1.1.2015 von der strafrechtlichen Verjährung und orientierte sie – z. B. im Hinblick auf den an der steuerlichen Verjährung angelehnten zehnjährigen Mindestberichtigungszeitraum und die Einbeziehung der Zinsen in den § 371 Abs. 3 AO – an steuerlichen Überlegungen.[10] Diese Auslegung sei auch mit dem Wortlaut des § 371 AO zu vereinbaren, da in § 371 Abs. 1 AO ausdrücklich auf "unverjährte" Zeiträume Bezug genommen wird – eine Differenzierung, die sic...

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