Rz. 296

Durch § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO in der seit dem 1. 1. 2015 geltenden Fassung hat der Gesetzgeber in dogmatisch problematischer Weise für diejenigen Fälle, die vom Gesetzgeber gem. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 6 AO[1] als Regelbeispiele für das Vorliegen eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung bewertet werden, einen weiteren Sperrgrund geschaffen. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO erfasst somit zunächst die Fälle des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 und 3 AO, die sich auf die Einschaltung von Amtsträgern beziehen. Der Fall, dass der Amtsträger seine Befugnisse oder seine Stellung zum Zweck der Steuerhinterziehung missbraucht, wird von § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AO erfasst[2], das "Spiegelbild" aufseiten des Stpfl., der die Mithilfe des Amtsträgers ausnutzt, von § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AO.[3] § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 AO erfasst hingegen die fortgesetzte Steuerhinterziehung unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege, die an den Tatbestand der Urkundenfälschung gem. § 267 StGB anknüpft.[4] § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO erfasst darüber hinaus die bandenmäßige Umsatz- und Verbrauchsteuerhinterziehung.[5]

Der mit Wirkung zum 25.6.2017 eingefügte § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO ist anwendbar in Fällen der Einschaltung von Drittstaaten-Gesellschaften i. S. d. § 138 Abs. 3 AO.[6] Indem sich § 398a AO auf § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO bezieht und damit die Erweiterung übernimmt, führt die Ergänzung des § 370 Abs. 3 S. 2 AO um die Nr. 6 zu einer Strafzuschlagsbewehrung, ohne dass § 398a AO einer textlichen Ergänzung bedurfte. Bei Selbstanzeigen in Drittstaat-Fällen ist somit stets die Entrichtung eines Strafzuschlags nach § 398a AO erforderlich, um ein Absehen von der Verfolgung zu erreichen.[7]

 

Rz. 297

Liegt einer dieser besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung vor, so führt aufgrund der besonderen Strafwürdigkeit dieser Fälle eine Selbstanzeige i. S. d. § 371 AO nicht mehr zur Strafbefreiung, sondern es ist nur ein Absehen von der Verfolgung nach § 398a AO möglich.

Von § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO ist hingegen der besonders schwere Fall des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO nicht erfasst, der im Fall einer Steuerhinterziehung großen Ausmaßes eingreift. Insoweit greift § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO ein (Rz. 283ff.).

 

Rz. 298

Darüber hinaus erfasst § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO nach seinem klaren Wortlaut auch nicht die unbenannten besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung.[8] Dass in diesen Fällen kein Ausschlussgrund eingreift, ist auch vor dem Hintergrund zutreffend, dass der Täter vor der späteren gerichtlichen Aburteilung – und somit auch bei Abgabe der Selbstanzeige – nicht wissen kann, ob ein solcher unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt.

[1] Die Erweiterung um Nr. 6 mit Wirkung zum 24.06.2017 basiert auf dem Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung (BGBl I 2017, 1682, Art. 1 Nr. 16) und stellt eine Folgeänderung im Hinblick auf die Erweiterung des § 370 Abs. 3 S. 2 AO dar.
[6] Webel/Dumke, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 370 AO Rz. 170d ff.
[7] Rolletschke/Roth, wistra 2017, 468, 472.

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