Rz. 181

Der Umfang der Ausschlusswirkung ergibt sich aus dem Inhalt der Prüfungsanordnung.[1] Diese besteht also nur für:

  • den in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO genannten Personenkreis, wobei die umfassende Aufzählung in Kombination mit der gewählten Oder-Verknüpfung dafür sorgt, dass die Bekanntgabe an einen der Genannten für alle Täter und Teilnehmer zur Sperre der Selbstanzeige führt[2];
  • die Besteuerungszeiträume, die durch die Prüfungsanordnung bestimmt sind. Wie sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Prüfungsanordnung und § 371 Abs. 2 S. 2 AO ergibt, ist für alle nicht durch die Prüfungsanordnung erfassten Steuerarten und Zeiträume die Selbstanzeige uneingeschränkt möglich und begründet insoweit die Anwartschaft auf Straffreiheit, wenn kein anderer Ausschlussgrund vorliegt.[3]
 
Praxis-Beispiel

Gemäß der Prüfungsanordnung umfasst die Prüfung Einkommen-, Umsatz- und GewSt für die Jahre 2011 bis 2013. Folglich hat der Stpfl. die Möglichkeit, auch für diese Steuerarten strafbefreiende Selbstanzeigen für die Zeiträume vor 2011 und nach 2013 abzugeben.

  • Die Selbstanzeige für die nicht gesperrten Zeiträume muss keine Angaben zu den gesperrten Jahren enthalten, wenn auch in diesen Jahren Steuern hinterzogen wurden. Vielmehr dürfte insoweit im Sinne einer zulässigen Teilselbstanzeige von einer Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot auszugehen sein, da es anderenfalls dazu käme, dass der Stpfl. Angaben zu Taten machen müsste, bzgl. derer keine Straffreiheit eintreten kann – ein Ergebnis, das nicht mit dem Rechtsgedanken des § 393 Abs. 1 S. 2 AO und dem Schutz vor Selbstbelastung im Strafverfahren vereinbar wäre.[4]
  • Im Gegensatz dazu bezog sich in der bis zum 1.1.2015 geltenden Fassung des § 371 AO die Sperrwirkung auch auf alle unverjährten Steuerstraftaten der betroffenen Steuerart(en), sofern die Prüfungsanordnung auch nur eine der Taten zum Gegenstand hatte. Dadurch wurden alle strafrechtlich unverjährten Zeiträume "infiziert". Diese Erstreckung über die in der Prüfungsanordnung genannten Besteuerungszeiträume hinaus ergab sich aus dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO ("eine") und dem Bestreben des Gesetzgebers, Hinterziehungstaktiken zu unterbinden.
  • die Steuerarten, die nach der Prüfungsanordnung geprüft werden sollen. Für alle anderen Steuerarten bleibt nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO und dem Willen des Gesetzgebers[5] die Selbstanzeige möglich. Durch die (Wieder-)Einführung der Bezugnahme auf die Prüfungsanordnung dürfte der Gesetzgeber auch die Rechtsprechung des BGH zum sachlichen Zusammenhang obsolet gemacht haben.[6] Danach waren im Rahmen der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung des § 371 AO auch diejenigen Steuerarten gesperrt, die mit den geprüften in einem sachlichen Zusammenhang standen. Es war darauf abzustellen, welche Steuerarten unter Berücksichtigung des Prüfungsziels einerseits und der steuerlichen Gegebenheiten des Stpfl. andererseits beim üblichen Gang der Außenprüfung ohnehin in die Prüfung einbezogen werden würden.[7] Dies galt auch steuerartenübergreifend, wie am Beispiel eines nicht erklärten Umsatzes eines Einzelunternehmers deutlich wird: Richtete sich die Anordnung der Betriebsprüfung wegen USt gegen den Einzelunternehmer und wurde diesem bekannt gegeben, so trat die Sperrwirkung im Hinblick auf nicht erklärte Umsätze nicht nur für die USt ein, sondern auch im Hinblick auf die insoweit ggf. mitbetroffenen GewSt und ESt. Ein weiteres Beispiel war eine verdeckte Gewinnausschüttung: Richtete sich die Prüfungsanordnung wegen der KSt gegen die juristische Person und wurde sie deren Vertreter bekannt gegeben, so trat die Sperrwirkung im Hinblick auf die ggf. strafbare Behandlung einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht nur für die KSt ein, sondern auch im Hinblick auf die insoweit mitunter auch betroffenen GewSt und USt.
  • Bezieht sich die Prüfungsanordnung auf die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, so soll die Ausschlusswirkung hinsichtlich des gesamten ESt-Anspruchs eintreten[8] und nicht nur hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb.[9]
 
Praxis-Beispiel

Die Prüfungsanordnung bezieht sich auf die USt 08–10, abgegeben wird eine Selbstanzeige für USt 06–07. Wurde in den Jahren 08–10 keine USt hinterzogen, so ist die Selbstanzeige nach alter wie nach neuer Rechtslage wirksam. Wurde hingegen auch in diesem Zeitraum USt hinterzogen, so war die Selbstanzeige nach alter Rechtslage unvollständig und damit unwirksam, nach neuer Rechtslage ist sie hingegen aufgrund der Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot vollständig und wirksam.

[1] G. Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 196 AO Rz. 9.
[2] Insoweit ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass § 370 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO nicht von "einem" an der Tat Beteiligten, sondern von "dem" an der Tat Beteiligten spricht; a. A. Thonemann-Micker/Kanders, DB 2014, 14, 2125, 2127; Bülte, ZWF 2015, 52, 54.
[3] BT-Drs. 18/3018, 11; Bund-Länder-Facharbeitsgruppe "Evaluierung der §§ 371, 398a AO" (sog. Positionspapier), ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge