Rz. 91

Hinsichtlich der Art der Durchsetzung von ESt-Schulden in der Insolvenz ist zu differenzieren zwischen den laufenden ESt-Vorauszahlungen und der ESt-Abschlusszahlung. Die ESt-Abschlusszahlungen entstehen mit dem Ablauf des Vz, also regelmäßig nach § 36 Abs. 1 EStG dem Kj. Diese Abschlusszahlung ist nach den allgemeinen Kriterien aufzuteilen. Der Teil, der auf die Zeit vor der Insolvenzeröffnung entfällt, ist Insolvenzforderung, der auf die Zeit nach der Eröffnung entfallende Teil Masseverbindlichkeit. Da der Teil der Abschlusszahlung, der Insolvenzforderung ist, erst mit dem Ablauf des Besteuerungszeitraums entsteht, ist er wie eine aufschiebend bedingte Forderung nach § 191 InsO zu behandeln.[1]

 

Rz. 92

Demgegenüber sind die Vorauszahlungen zur ESt nach § 37 Abs. 1 EStG in Vierteljahresbeträgen zu entrichten (1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. des Kalenderjahres). Je nachdem, ob die Verfahrenseröffnung vor oder nach diesem Termin liegt, handelt es sich bei der Vorauszahlung um Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten.[2] Im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht fällige Vorauszahlungen sind nach § 41 InsO mit einem abgezinsten Betrag anzusetzen.

 

Rz. 93

Auf etwaige Steuerabzugsbeträge hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Auswirkungen. Der Steuerabzug ist für solche Einkünfte des Schuldners ebenfalls vorzunehmen. Werden nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, fließen diese in die Insolvenzmasse, wenn das Kapitalvermögen ebenfalls zu dieser gehört. Dementsprechend ist die ESt, die auf diese Einkünfte entfällt, auch Masseverbindlichkeit. Diese Masseverbindlichkeiten werden durch die einbehaltene KapESt abgedeckt (ganz oder teilweise). Kommt es zu einer Erstattung von KapESt, erfolgt die Erstattung ebenfalls in die Insolvenzmasse.[3] Wie die KapESt ist auch die Bauabzugsteuer nach § 48 EStG zu handhaben, da diese gleichfalls den Charakter einer Vorauszahlung hat.[4]

 

Rz. 94

Nicht ganz unproblematisch ist die Behandlung von Steuerabzugsbeträgen im Fall der Insolvenz einer Personengesellschaft, da bei einer solchen nach der Rspr. zwar die Einkünfte in die Masse fließen, die steuerlichen Konsequenzen aber erst auf der Ebene der Gesellschafter gezogen werden.[5] Dies gilt insbesondere seit der Einführung der Abgeltungsteuer hinsichtlich der Kapitalerträge.

[1] Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021, 178.
[2] Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021, 177ff.
[3] Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021, 179ff.
[4] Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 251 Rz. 58.
[5] BFH v. 15.3.1995, I R 81/93, BFH/NV 1996, 112; zur Frage der Anrechnung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen auf die Jahressteuerschuld s. im Einzelnen Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9. Aufl. 2021, 180ff.

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