Rz. 8

Art. 5 Nr. 7 i. V. m. Art. 46 – 48 UZK[1] enthält die Rechtsgrundlage für die Durchführung von Zollkontrollen, die erforderlich sind, um die ordnungsgemäße Anwendung des Zollrechts zu gewährleisten. Bis zum Inkrafttreten der die Zollkontrollen ausfüllenden Regelungen (IADV) schließt § 10 ZollVG diese Lücke und regelt die Voraussetzungen für die Durchführung der zollamtlichen Überwachung. Nach Abs. 1 können Bedienstete der Zollverwaltung im grenznahen Raum Personen und Beförderungsmittel anhalten und kontrollieren. Dasselbe gilt nach Abs. 2 für örtlich und zeitlich begrenzte Kontrollen außerhalb des grenznahen Raums, wenn angenommen werden kann, dass Waren, die der zollamtlichen Überwachung unterliegen, mitgeführt werden. Nach Abs. 3 können Personen körperlich durchsucht werden, wenn der hinreichende Verdacht besteht, dass Waren vorschriftswidrig mitgeführt werden.

 

Rz. 9

Die Befugnisse nach § 10 ZollVG gelten nach Abs. 1 ausdrücklich "unbeschadet der §§ 209211 der Abgabenordnung". § 10 ZollVG enthält demnach keine abschließende Regelung zur Durchführung der zollamtlichen Überwachung, sondern §§ 209211 AO sind anzuwenden. Unproblematisch ist das Zusammenspiel des § 10 ZollVG und der §§ 209211 AO, soweit unterschiedliche Sachverhalte geregelt werden. § 10 Abs. 3 ZollVG enthält z. B. die Rechtsgrundlage zur Durchführung der körperlichen Durchsuchung, die in der AO nicht vorgesehen ist. § 210 Abs. 1 und 2 AO regeln die Befugnis zum Betreten und Durchsuchen von Grundstücken und Räumen, die das ZollVG nicht enthält. Missglückt ist die Regelung des Verhältnisses der beiden Vorschriften zueinander, soweit an sich überschneidende Sachverhalte[2], unterschiedliche Voraussetzungen gestellt werden. Während § 10 ZollVG bei den Voraussetzungen für das Anhalterecht differenziert zwischen dem grenznahen Raum[3] und dem außerhalb des grenznahen Raums liegenden Raum, enthält § 210 AO keine örtliche Differenzierung. § 210 AO enthält stattdessen eine sachliche Einschränkung des Anhalterechts auf Fahrzeuge, die nach ihrer äußeren Erscheinung gewerblichen Zwecken dienen, während § 10 ZollVG keine derartige Einschränkung enthält.

 

Rz. 10

Grundsätzlich geht das ZollVG, als ein das Gemeinschaftsrecht konkretisierendes und speziellere nationale Gesetz, der AO vor[4], sodass die Vorschriften der AO zumindest nachrangig angewendet werden können.[5] Von diesem Grundsatz muss m. E. eine Ausnahme gemacht werden, wenn gleiche Sachverhalte unter verschiedene Voraussetzungen gestellt werden. In diesem Fall könnte die Finanzbehörde ihre Maßnahmen immer auf das gerade weitergehende Gesetz stützen; dies führt zur Rechtsunsicherheit für die von den Maßnahmen betroffenen Beteiligten, als auch für die die Maßnahmen ausführenden Amtsträger. Trotz der Regelung in § 10 ZollVG "unbeschadet der §§ 201211 AO" sollte bei Überschneidungen der geregelten Materien – wie in dem Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht[6] – von einer Verdrängung des nationalen Rechts durch das das Gemeinschaftsrecht konkretisierende Gesetz ausgegangen werden, sodass in diesem Fall § 210 Abs. 3 AO nicht mehr angewendet werden kann. Es würde der Rechtsklarheit dienen, wenn § 210 Abs. 3 AO ersatzlos aufgehoben würde.

[1] Unionszollkodex (Verordnung (EU) Nr. 952/2013 v. 9.10.2013 zur Festlegung des ZK der Union, in Kraft seit 30.10.2013.
[2] In § 10 Abs. 1 und 2 ZollVG und § 210 Abs. 3, die Befugnis zum Anhalten und Kontrollieren von Schiffen und anderen Fahrzeugen.
[5] Bille, in Dorsch, Zollrecht, § 10 ZollVG Rz. 2.
[6] Witte/Wöhner, in Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, 121ff.

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