Rz. 79

Voraussetzung einer Übertragung der Berechnung auf die Behörde ist zunächst, dass es sich nicht um ein reines Aufhebungsbegehren handelt, sondern um eine Abänderungsklage (s. Rz. 71), und nicht der Spezialfall der Kassation ohne Sachentscheidung (s. Rz. 56ff.) in Betracht kommt. Eine Übertragung der Ermittlung von tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen auf die Behörde ist nach Abs. 2 nicht möglich. Vielmehr muss das Gericht die erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse selbst ermitteln und bestimmen[1] und damit die Änderung des Bescheids selbst vornehmen, will es nach Abs. 2 S. 2 vorgehen. Nur die reine Rechenarbeit kann der Behörde aufgegeben werden[2]. Sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen Verhältnisse nicht ermittelt, ist ggf. nach Abs. 3 zu verfahren. Kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ermittelt sind und dass der angefochtene Verwaltungsakt teilweise rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, kann es die Berechnung des Änderungsbetrags auf die Behörde übertragen, wenn die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Insoweit ist ihm ein revisionsrechtlich nur sehr begrenzt überprüfbares Ermessen eingeräumt[3].

 

Rz. 80

Die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags erfordert dann einen nicht unerheblichen Aufwand, wenn mehr als schlichte Rechenoperationen notwendig sind. Nur einfache Berechnungen sollen Sache des Gerichts sein[4]. Der Aufwand ist nicht unerheblich, wenn zahlreiche Faktoren in die Berechnung einfließen müssen, wie z. B. bei der Anwendung besonderer Steuersätze wegen außerordentlicher Einkünfte oder Progressionsvorbehalts. Ebenfalls müsste das Gericht einen nicht unerheblichen Aufwand treiben, wenn Änderungen von Bescheiden für viele Streitjahre und verschiedene Steuerarten vorzunehmen sind. Es ist zu prüfen, ob der Aufwand der Berechnung durch das Gericht den Aufwand der Berechnung durch die Behörde nicht unerheblich übersteigt. Dabei ist einerseits die regelmäßig bessere Ausstattung der Behörde mit EDV und die dort oft schnellere Verfügbarkeit der maßgeblichen Daten zu berücksichtigen, andererseits der Aufwand, der durch die Aktenversendung und die Verzögerung bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens hervorgerufen wird.

[1] BFH v. 24.4.1991, I R 15/90, BFH/NV 1992, 273; vgl. auch Schmidt-Troje, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 74; missverständlich v. Groll, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 100 FGO Rz. 35, der meint, die weitere auf die Ermittlung des Betrags begrenzte "Sachaufklärung" müsse einen nicht unerheblichen Aufwand erfordern.
[2] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 31; Schmidt-Troje, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 100 FGO Rz. 75.
[3] V. Groll, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 100 Rz. 36.
[4] Amtliche Begründung, BT-Drs. 12/1061, 19.

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