Rz. 72

Für die verbindliche Auskunft als allgemeinem Verwaltungsakt sehen die §§ 129 bis 131 AO Korrekturnormen vor. Sie kann wegen offenbarer Unrichtigkeit berichtigt[1], wegen Rechtswidrigkeit zurückgenommen[2] oder bei Rechtmäßigkeit unter den engen Voraussetzungen des § 131 AO widerrufen werden. Die Korrektur einer verbindlichen Auskunft mit Wirkung für die Vergangenheit kommt insbesondere in Betracht, wenn die Auskunft durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist oder die Rechtswidrigkeit der Auskunft dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.[3]

 

Rz. 73

Nach § 2 Abs. 3 StAuskV kann eine verbindliche Auskunft über die Fälle der §§ 129 bis 131 AO hinaus für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden, wenn sich herausstellt, dass die erteilte Auskunft unrichtig war.[4] Dies ist der Fall, wenn sie ohne Rechtsgrundlage bzw. unter Verstoß gegen materielle Rechtsnormen erlassen wurde oder ermessensfehlerhaft ist. Abzustellen ist auf den Bekanntgabezeitpunkt der verbindlichen Auskunft.

 

Rz. 74

Eine Änderung der Rspr. stellt keine Änderung der Rechtslage dar, weil Gerichte lediglich die von Anfang an bestehende Rechtslage klarstellen.[5] Deshalb soll nach Verwaltungsansicht eine verbindliche Auskunft von vornherein unrichtig i. S. d. § 2 Abs. 3 StAuskV sein, wenn sie von einem nach ihrer Bekanntgabe ergangenen FG- oder BFH-Urteil oder einer später ergangenen Verwaltungsanweisung abweicht.[6] Dies ist für den Fall der später ergangenen Verwaltungsanweisung zweifelhaft.[7] Denn zur Klärung der materiellen Rechtslage ist nicht die Exekutive, sondern vielmehr die Judikative berufen.

 

Rz. 75

Die Korrektur einer verbindlichen Auskunft nach § 2 Abs. 3 StAuskV steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Eine Aufhebung oder Änderung mit Wirkung für die Zukunft ist z. B. sachgerecht, wenn sich die Beurteilung des der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalts durch die Rspr. oder Verwaltungsanweisung zum Nachteil des Stpfl. geändert hat. Der Stpfl. ist vor einer Korrektur der verbindlichen Auskunft nach § 91 Abs. 1 AO anzuhören.[8] Bis zur Korrektur entfaltet die verbindliche Auskunft selbst dann eine Bindungswirkung, wenn sie geltendem Recht widerspricht.[9]

 

Rz. 76

Dem Vertrauensschutz wird dadurch Rechnung getragen, dass die Aufhebung oder Änderung nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen darf. Die Verwaltung konzediert ferner, dass die Bindungswirkung bestehen bleibt, wenn der Sachverhalt im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Korrektur bereits im Wesentlichen verwirklicht war und der später verwirklichte Sachverhalt von dem im Antrag vorgetragenen Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht.[10] Darüber hinaus kann es im Einzelfall aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein, von einem Widerruf der verbindlichen Auskunft abzusehen oder die Wirkung des Widerrufs zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Dies setzt allerdings voraus, dass sich der Stpfl. nicht mehr ohne erheblichen Aufwand bzw. nur unter beträchtlichen Schwierigkeiten von dem im Vertrauen auf die Auskunft getroffenen Dispositionen oder eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen lösen kann.[11]

[5] AEAO, zu § 89 Nr. 3.6.6; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 28; Dißars/Bürkle, StB 2008, 123.
[7] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 289; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 89 AO Rz. 57; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 89 AO Rz. 22.
[8] AEAO, zu § 89 Nr. 3.6.7; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 291; Franke/v. Cölln, BB 2008, 584; Bruschke, DStZ 2007, 267.
[9] BFH v. 16.5.2013, V R 23/12, DB 2013, 1887 mit Aussagen zu den verfahrensrechtlichen Wirkungen des Widerrufs einer verbindlichen Auskunft für das Klageverfahren gegen eine Steuerfestsetzung; vgl. auch Lindwurm, AO-StB 2013, 295; Werder/Dannecker, BB 2014, 926.

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