Tz. 21

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Umfang der Bindungswirkung erstreckt sich auf den Sachverhalt, der Gegenstand der verbindlichen Auskunft war. Nur soweit dieser Sachverhalt verwirklicht wurde, kann sich der Stpfl. auf die Auskunft berufen; abweichende Gestaltungen sind nicht gedeckt. Zur Prüfung, ob Sachverhalt und Inhalt der Auskunft übereinstimmen, muss zunächst der Inhalt der Auskunft durch Auslegung ermittelt werden (BFH v. 17.08.2015, I R 45/14, BFH/NV 2016, 261). Erst dann kann festgestellt, ob und ggf. in welchem Umfang von der Auskunft abgewichen wurde. Diese Prüfung wird regelmäßig erst im Rahmen der Veranlagung/Feststellung erfolgen können.

In persönlicher Hinsicht erstreckt sich die Bindungswirkung der Auskunft nur auf den Antragsteller oder die die Auskünfte betreffende Person, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (§ 2 Abs. 1 StAuskV). Eine einheitliche Auskunft nach Abs. 2 Satz 6 entfaltet Bindungswirkung für alle Adressaten der Auskunft (§ 2 Abs. 2 StAuskV). Für nicht am Auskunftsverfahren beteiligte Dritte entfaltet die Auskunft keine Bindungswirkung, auch wenn sie einen identischen Sachverhalt verwirklichen. Im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge geht die Bindungswirkung allerdings auf den Rechtsnachfolger über. Seitens der Finanzbehörde tritt die Bindungswirkung nur ein, wenn die verbindliche Zusage von der zuständigen Finanzbehörde erteilt wurde. Dies stellt § 2 Abs. 1 StAuskV ausdrücklich klar.

Entspricht die Sachverhaltsverwirklichung der Auskunft, ist das FA gehalten, die Veranlagung/Feststellung auf deren Grundlage vorzunehmen. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn die Auskunft inhaltlich unzutreffend war und sich eine daraus resultierende Steuerfestsetzung als rechtswidrig erweist (BFH v. 16.07.2002, IX R 28/98, BStBl II 2002, 714 m. w. N.). Eine andere Beurteilung ist nur dann möglich, wenn die Rechtswidrigkeit der Auskunft so offenkundig ist, dass sie ihr "auf die Stirn" geschrieben steht. Insoweit kommt es dem FA zu Gute, das die Bindungswirkung "nur" auf dem Grundsatz von Treu und Glauben fußt und guter Glaube bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit nicht mehr gegeben sein kann. Eine nichtige Auskunft entfaltet keinerlei Bindungswirkung.

 

Tz. 22

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Weicht das FA zuungunsten des Stpfl. von der Auskunft ab, kann der Stpfl. im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Veranlagung/Feststellung einwenden, dass das FA an die Beurteilung in der Auskunft gebunden ist. Auf der anderen Seite kann das FA aber auch zugunsten der Stpfl. abweichen, wenn sich die bisherige Auskunft als unzutreffend erweist. Die Bindungswirkung gilt nur zugunsten, nicht zulasten des Stpfl. (BFH v. 17.09.2015, III R 49/13, BStBl II 2017, 37). Dies gilt auch, wenn dem Stpfl. zuvor eine negative Auskunft erteilt wurde.

Hinsichtlich der Dauer der Wirkung der Auskunft ist zu unterscheiden: Betrifft die Auskunft einen einmaligen Sachverhalt, gilt sie für den Veranlagungs- oder/Feststellungszeitraum, für den die Auskunft erteilt wurde, einschließlich späterer Änderungen und Rechtsbehelfsverfahren. Bei Dauersachverhalten oder Sachverhalten mit Dauerwirkung gilt sie, solange der Sachverhalt unverändert ist. Die Bindungswirkung entfällt schließlich auch, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert werden. Dies ist in § 2 Abs. 3 StAuskV ausdrücklich klargestellt. Der Entfall der Bindungswirkung ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Eine verbindliche Auskunft kann keinen Vertrauensschutz in den Fortbestand der Gesetzeslage begründen (BVerfG v. 11.05.2015, 1 BvR 741/14, HFR 2015, 882). Ein Widerruf der Auskunft ist nicht erforderlich (BFH v. 21.03.1996, XI R 82/94, BStBl II 1996, 518). Schließlich kann das FA die Zusage mit einer Befristung versehen.

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