Rz. 243

Da § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO den persönlichen Umfang der Sperrwirkung nicht weiter präzisiert, ist davon auszugehen, dass er ebenso zu bestimmen ist wie im Rahmen des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO.[1] Die damit verbundenen Probleme im Hinblick auf die Benennung der Prüfungsadressaten bei Kapitalgesellschaften können sich auch im Rahmen einer Nachschau auswirken.

 

Rz. 244

Problematisch ist allerdings der sachliche Umfang der Sperrwirkung. So könnte man davon ausgehen, dass z. B. eine Umsatzsteuer-Nachschau gem. § 27b UStG ausschließlich Sperrwirkung für die USt entfalte. Dafür könnte sprechen, dass der Anwendungsbereich der Umsatzsteuer-Nachschau eindeutig auf die USt beschränkt ist und der Anlass zur Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau immer im Zusammenhang mit der USt stehen muss.[2] Der Zweck der Durchführung einer Umsatzsteuer-Nachschau muss somit ausschließlich in der Prüfung umsatzsteuerlicher Sachverhalte bestehen; ertragssteuerliche Prüfungsfelder dürfen nie Anlass einer Umsatzsteuer-Nachschau sein. Der konkrete Anlass für die Durchführung der Nachschau muss dazu führen, dass verwaltungsintern ein Auftrag zur Prüfung des Sachverhalts erteilt wird.[3] Dieser – sachlogisch auf die USt beschränkte – Auftrag entspricht zwar nicht den Anforderungen einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO und § 5 BpO, da er wohl auch mündlich durch einen Sachgebietsleiter oder Veranlagungssachbearbeiter gegeben werden kann, er könnte jedoch als ausreichende Beschreibung des Umfangs der sachlichen Sperrwirkung angesehen werden.

 

Rz. 244a

Folgt man dieser herrschenden Ansicht, so ergeben sich jedoch Folgeprobleme im Bereich der Lohnsteuer-Nachschau. Insoweit wirkt sich nämlich der Streit aus, ob die LSt als eigene Steuerart anzusehen ist oder lediglich eine besondere Erhebungsform der ESt darstellt. Ausgehend von dem Gedanken der gleichen Steuerart könnte man zu der Ansicht kommen, dass die Lohnsteuer-Nachschau auch eine Selbstanzeige bezüglich der ESt sperrt. Da die Lohnsteuer-Nachschau allerdings spezifisch allein auf die Ermittlung lohnsteuerrelevanter Sachverhalte abzielt, dürfte im Rahmen der herrschenden Ansicht die Sperrwirkung richtigerweise auch in diesem Zusammenhang allein auf die LSt zu beschränken sein.[4]

 

Rz. 245

Die herrschende Ansicht ist jedoch erheblichen Bedenken ausgesetzt. So ist zu berücksichtigen, dass die im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau festgestellten Verhältnisse gem. § 27b Abs. 4 UStG auch für die Festsetzung und Erhebung anderer Steuern - selbst gegenüber anderen Personen -berücksichtigt werden dürfen. Es besteht – trotz der Kritik an dieser Entscheidung des Gesetzgebers – weitest gehende Einigkeit darüber, dass festgestellte umsatzsteuerliche Sachverhalte auch ertragsteuerlich zu verwerten sind, wenn sich die ertragsteuerliche Auswirkung unmittelbar aus ihnen ergibt.[5] Dasselbe gilt z. B. gem. § 42g Abs. 5 EStG auch im Rahmen der Lohnsteuernachschau.[6] Mithin ist es folgerichtig, die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO während der laufenden Nachschau nicht auf einzelne Steuerarten oder die Verbrauchsteuern zu begrenzen, sondern auf alle Steuerarten zu erstrecken. Für dieses Ergebnis sprechen auch der Wortlaut und die Systematik des § 371 AO, da zwar in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a und 1c AO ausdrücklich eine Begrenzung auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung vorgesehen ist, der Gesetzgeber eine solche Beschränkung hingegen im Rahmen der Nr. 1e unterlassen hat.[7]

Ebenso hat der Gesetzgeber in § 371 Abs. 2 S. 2 AO zeitgleich mit der Einführung des Ausschlussgrundes des Nr. 1e nur für die Ausschlussgründe nach Nr. 1a und c geregelt, dass durch die jeweiligen Ausschlussgründe die Abgabe einer Selbstanzeige für nicht unter die Prüfungsanordnung fallende Steuerarten möglich bleibt. Eine entsprechende Regelung wurde hingegen für Nr. 1e nicht getroffen, was nahe legt, dass es insoweit gerade auch nicht der Fall sein soll.

Der Verweis auf die bis zum 31.12.2014 geltende Fassung des § 371 AO vermag demgegenüber aufgrund des klaren Wortlauts des aktuellen § 371 AO nicht zu überzeugen.[8]

 

Rz. 245a

Der in Rz. 244ff. dargestellte Streit hat hingegen keine Bedeutung für die Nachschau i. S. d. § 210 AO und die Kassen-Nachschau gem. § 146b AO. Bei diesen Nachschauen gibt es auch nach der herrschenden Ansicht keine Beschränkung auf einzelne Steuerarten oder -zeiträume. Folglich ist insoweit auch keine Einschränkung der Sperrwirkung gegeben. Dies führt dazu, dass für den Fall von bei der Kassen-Nachschau festgestellten Unregelmäßigkeiten i. d. R. die Umsatzsteuer und die Ertragsteuern gleichzeitig betroffen sein werden und die Sperrwirkung insoweit umfassend ist.[9] Geht die Kassen-Nachschau aufgrund der festgestellten Mängel nachträglich in eine Außenprüfung über, so gilt für die Außenprüfung zwar die Beschränkung auf die geprüften Steuerarten i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 2 AO, aber i. d. R. wird im Hinblick auf die festgestellten Kassenmängel eine Tatentdeckung i. S. d. ...

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