1 Allgemeines

 

Rz. 1

Vorgängerbestimmung des § 316 AO war § 366 RAO.[1] Für das zivilprozessuale Vollstreckungsrecht ist hinsichtlich Abs. 1 und 2 § 840 ZPO die entsprechende Bestimmung.[2] Im Gegensatz zur Rechtslage nach der ZPO ist aber nach § 316 Abs. 2 S. 3 AO die zwangsweise Durchsetzung der Erklärungspflicht des Drittschuldners möglich. In § 316 Abs. 3 AO wird zudem auf die Anwendung der §§ 841843 ZPO verwiesen, die entsprechend auch für das Vollstreckungsrecht nach der AO gelten.

 

Rz. 2

Die Bestimmung dient der Sicherung der Pfändung von Forderungen, da Pfändungsverfügungen von der Vollstreckungsbehörde i. d. R. "blind" erlassen werden, d. h., die Behörde hat keine Kenntnis, ob und in welcher Höhe die "angebliche" Forderung besteht. Die Pfändung wird hierdurch nicht rechtswidrig.[3] Die schnelle Kenntniserlangung über den Bestand und den Inhalt der gepfändeten "angeblichen" Forderung ist jedoch für die Entscheidung über die von der Finanzbehörde weiter zu treffenden Maßnahmen erforderlich.[4] Deshalb ist es notwendig, neben der Auskunftspflicht des Vollstreckungsschuldners, die aus § 315 AO resultiert, eine besondere Auskunftspflicht des Drittschuldners zu begründen. § 316 Abs. 1 AO normiert demgemäß eine Erklärungspflicht des Drittschuldners. Es handelt sich hierbei, als besondere Form der allgemeinen Auskunftspflicht nach § 93 AO, um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung.[5] In § 316 Abs. 2 AO werden nähere Regelungen zur Art und Weise der Drittschuldnererklärung getroffen.

[1] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 316 AO Rz. 1.
[2] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 840 ZPO Rz. 2ff.
[4] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 316 AO Rz. 2ff.
[5] BGH v. 19.10.1999, XI ZR 8/99, NJW 2000, 651; Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 316 AO Rz. 9.

2 Erklärungspflicht des Drittschuldners (§ 316 Abs. 1 und 2 AO)

2.1 Aufforderung zur Erklärung

 

Rz. 3

Erste Voraussetzung für die Aufforderung zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung ist eine wirksame Pfändung. Die Aufforderung, binnen der gesetzlichen Frist von zwei Wochen die Erklärung abzugeben, ist ein selbstständiger Verwaltungsakt i. S. v. § 118 AO, der allerdings nach § 316 Abs. 1 S. 1 AO mit der Pfändungsverfügung verbunden werden kann, aber nicht muss.[1] Die Erklärungspflicht des Drittschuldners nach § 316 Abs. 1 AO hat ihre Rechtsgrundlage allein in diesem Verwaltungsakt. Die Einziehungsverfügung ist unerheblich.[2] Ergeht die Aufforderung zur Drittschuldnererklärung nicht zugleich mit der Pfändungsverfügung, so ist der eigenständige Verwaltungsakt ebenfalls zuzustellen, da nur so eine wirksame Kontrolle der Fristen möglich ist.[3]

 

Rz. 4

Gegen die Aufforderung zur Erklärung kann der Drittschuldner einen Einspruch nach §§ 347ff. AO erheben, da es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt. Im gerichtlichen Verfahren ist dann eine Anfechtungsklage statthaft. Vorläufiger Rechtsschutz kann durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO bzw. § 69 FGO erlangt werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis nach § 350 AO besteht allerdings nur dann, wenn die Rechtswidrigkeit der Pfändungsverfügung geltend gemacht wird, da nur diese die Rechtsgrundlage der Erklärungspflicht ist. Nur die Aufhebung der Pfändungsverfügung beseitigt die Erklärungspflicht, nicht jedoch die Einstellung der Vollstreckung.

[1] S. Abschn. 41 Abs. 3 VollzA; Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 316 AO Rz. 16.
[2] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 840 ZPO Rz. 2.
[3] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 316 AO Rz. 22; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 316 AO Rz. 2; Milatz, BB 1986, 572.

2.2 Inhalt der Drittschuldnererklärung

2.2.1 Allgemeines

 

Rz. 5

Die Erklärung ist vollständig und wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben.[1] Eine Pflicht zur Beeidigung entsprechend § 94 AO besteht indes nicht. Hierzu hat sich der Drittschuldner entsprechend zu informieren.[2] Erkennt der Drittschuldner nachträglich, dass seine Erklärung unrichtig war, so ist er im Hinblick auf die Schadensersatzpflicht (s. Rz. 16) und die mögliche strafrechtliche Relevanz einer falschen Drittschuldnererklärung (s. Rz. 17) auch gehalten, die Erklärung zu berichtigen. Von dem Drittschuldner kann nur die Beantwortung der 5 im Gesetz vorgesehenen Fragen verlangt werden.[3] Zweck der Drittschuldnererklärung ist es, der Vollstreckungsbehörde die Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen zu ermöglichen (s. Rz. 1). Dieser Zweck wird mit der Beantwortung der nunmehr 5 Fragen nach § 316 Abs. 1 AO erreicht. Über diese Fragen hinaus besteht keine Erklärungspflicht.[4] Die Erklärungspflicht besteht auch nur hinsichtlich der Fragen, die in der Aufforderung gestellt werden. Die Vollstreckungsbehörde muss nicht alle Fragen stellen. Ergeht eine Pfändungsverfügung an mehrere Schuldner, die Drittschuldner der Forderung sind, kann von jedem die Abgabe der Erklärung verlangt werden.[5]

[1] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 316 AO Rz. 12.
[3] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 316 AO Rz. 17.
[4] BGH v. 5.12.1979, VIII ZR 322/78, DB 1980, 830; Beermann, in HHSp...

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