Rz. 207

Ebenfalls nicht abschließend geklärt ist die verfahrensrechtliche Situation. Die tatsächliche Verständigung erfolgt außerhalb des eigentlichen Steuerfestsetzungsverfahrens. Ihr Ergebnis muss also im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens noch umgesetzt werden. Das bedeutet, dass das Ergebnis der (wirksamen) tatsächlichen Verständigung in einer Steuerfestsetzung erfasst werden muss. Bei dieser Steuerfestsetzung steht der Finanzbehörde, soweit die tatsächliche Verständigung reicht, kein erneutes Prüfungsrecht zu. Sie muss das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung ohne erneute sachliche Prüfung der rechtlichen Beurteilung zugrunde legen.[1] Entsprechend steht dem Stpfl. insoweit kein materielles Einspruchsrecht mehr zu. Er hat zwar das Recht, Einspruch einzulegen (die tatsächliche Verständigung beinhaltet keinen Rechtsbehelfsverzicht), der Rechtsbehelf ist aber unbegründet, soweit die tatsächliche Verständigung reicht.

 

Rz. 208

Entsteht über Inhalt und/oder Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung Streit, kann dies nicht in einem gesonderten Verfahren überprüft werden. Inhalt und Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung sind vielmehr incidenter in dem Streit über die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung (Steuerbescheid, Feststellungsbescheid, Gewerbesteuermessbescheid) zu prüfen. Es ist daher gegen die Steuerfestsetzung Einspruch einzulegen. Wurde die tatsächliche Verständigung im Rechtsbehelfsverfahren getroffen und in einer Einspruchsentscheidung umgesetzt, ist gegen den Steuerbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung Klage zu erheben. Eine isolierte Feststellungsklage gegen die tatsächliche Verständigung ist angesichts der Vorrangigkeit der Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid nach § 41 Abs. 2 S. 1 FGO nicht zulässig.[2]

 

Rz. 209

Erfolgt die tatsächliche Verständigung nach einer Steuerfestsetzung, hängt die Änderbarkeit der Steuerfestsetzung davon ab, ob ein Tatbestand der §§ 164, 165, 172ff. AO vorliegt. Die tatsächliche Verständigung selbst bildet keinen solchen Tatbestand. Insbesondere ist sie weder Grundlagenbescheid noch rückwirkendes Ereignis, sodass eine Änderung nach § 175 AO nicht in Betracht kommt. Der Umstand, dass eine tatsächliche Verständigung getroffen wurde, ist auch keine "neue Tatsache" i. S. d. § 173 AO. Es ist mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, die Bestandskraft des Steuerbescheids durch Vereinbarung der Parteien vollständig zu beseitigen. Entsprechend kann eine Aufhebung der tatsächlichen Verständigung oder ihre Beseitigung durch Anfechtung nur dann durch Änderung eines Steuerbescheids berücksichtigt werden, wenn der Tatbestand einer Änderungsvorschrift erfüllt ist.[3]

 

Rz. 210

Wurde die tatsächliche Verständigung im Rechtsstreit vor dem FG erzielt, ist die Hauptsache für erledigt zu erklären. Entsteht nach der Umsetzung der tatsächlichen Verständigung durch Änderung der Steuerfestsetzung Streit darüber, ob das FA die tatsächliche Verständigung richtig umgesetzt hat, kann der Stpfl. den (angeblich erledigten) Rechtsstreit mit dem Begehren fortsetzen, die richtige Umsetzung der Verständigung zu überprüfen.[4] Das folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 68, 100 Abs. 1 S. 4 FGO und soll verhindern, dass das FA dem Stpfl. einen neuen Rechtsstreit aufdrängen kann.

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