Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Grunderwerbsteuer bei Kauf einer Immobilie und ernsthafter Vereinbarung eines negativen Kaufpreises

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Haben Gemeinde und Land für den Erwerb eines schlecht erschlossenen Grundstücks mit teils baufälligen und maroden Gebäuden, ein langjähriges Nutzungsrecht für mehrere Gebäude für das veräußernde Land und im Hinblick auf den von der erwerbenden Gemeinde geplanten teilweisen Abbruch und die dabei anfallenden Abbruchkosten für mehrere andere Gebäude insgesamt ernsthaft einen negativen Gesamtwert der Immobilie angenommen, deswegen einen negativen Kaufpreis vereinbart, und handelt es sich dabei nicht nur um einen symbolischen Kaufpreis, so stellt der vereinbarte negative Kaufpreis (im Streitfall: Zahlung des veräußernden Landes in Höhe von 100.000 EUR an die Erwerberin) eine „Gegenleistung” i.S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in Höhe von 0 EUR dar.

2. Ein symbolischer Kaufpreis, der nicht als Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 GrEStG angesehen werden kann, wird angenommen, wenn der Kaufpreis in einem so krassen Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht, dass er sich dazu in keinerlei Relation bringen lässt und daher nicht ernsthaft vereinbart ist (vgl. BFH, Urteil v. 12.7.2006, II R 65/04, BFH/NV 2006 S. 2128).

 

Normenkette

GrEStG § 8 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.12.2019; Aktenzeichen II R 37/18)

 

Tenor

1. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Grunderwerbsteuer.

Die Klägerin ist eine Gemeinde, die mit Vertrag vom … ein in ihrem Gemeindegebiet liegendes Grundstück mit einer Größe von … m² vom Freistaat Sachsen erwarb, das mit acht Gebäuden bebaut war, von denen 3 genutzt wurden (Haus 1a, 2 und 5). Die übrigen Gebäude standen leer und waren in einem schlechten Gesamtzustand. In § 4 des Vertrages hielten die Vertragsparteien fest, dass das Grundstück insgesamt mit einem negativen Kaufpreis zu bewerten sei und bestimmten keinen Kaufpreis. Stattdessen verpflichtete sich der Verkäufer für die Ablösung der Lasten des Grundstücks einen Betrag von 100.000 Euro zu zahlen. Für die Häuser 2 und 5, die vom Verkäufer genutzt wurden, vereinbarten die Vertragsparteien ein 30jähriges unentgeltliches Nutzungsrecht.

Der Beklagte ermittelte für Zwecke der Grunderwerbsteuer zunächst einen Wert von 837.500 Euro und legte diesen mit Bescheid vom … der Grunderwerbsteuer zu Grunde. Im dagegen geführten Einspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, dass der Wert weitaus niedriger sei. Dies ergebe sich schon aus der vom Verkäufer geleisteten Zahlung von 100.000 Euro wegen des schlechten baulichen Zustandes der übrigen Gebäude, von denen einige zwischenzeitlich abgerissen worden seien. Zudem sei allenfalls der gemeine Wert zu Grunde zu legen, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder zu ermitteln sei. Dieser gemeine Wert sei mit einem Wertgutachten vom … auf 146.00 Euro festgestellt worden. Dies decke sich mit dem Wert des nachfolgenden Grundstücksvorgangs, mit dem das Grundstück zwischenzeitlich im Rahmen eines Tausches an den Landkreis übertragen worden sei. Hierbei habe der Beklagte für die Zwecke der Grunderwerbsteuer einen Wert von 143.000 Euro angenommen. Mit Einspruchsentscheidung vom … setzte der Beklagte die Grunderwerbsteuer auf 21.700,00 Euro (Bemessungsgrundlage: Kapitalwert der 30jährigen Nutzung i.H.v. 620.018,00 Euro) herab und wies den Einspruch im Übrigen zurück.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie erklärt, dass sich die Vereinbarung über die Zahlung eines negativen Kaufpreises von 100.000 Euro an den damals geschätzten Abbruchkosten von ca. 500.000 Euro orientiert habe und bei Inanspruchnahme von Fördermitteln gleichwohl den noch von der Klägerin zu tragenden Eigenanteil an den Abbruchkosten abdecken sollte.

Die Klägerin beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit nicht die Änderung der Bemessungsgrundlage auf 491.462,50 Euro zugesagt wurde.

Er ist der Auffassung, dass bei nochmaliger Übersicht der zur Nutzung überlassenen Flächen eine geringere Quadratmeterzahl zu Grunde zu legen sei, weswegen sich eine Bemessungsgrundlage in Höhe von 491.462,20 Euro ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer regelmäßig nach dem Wert ...

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