Entscheidungsstichwort (Thema)

Finanzgerichtliche Zuständigkeit bei Auflösung der beklagten Behörde und Übergang der Zuständigkeit auf eine andere Behörde in einem anderen Bundesland. Änderung des Streitgegenstands im Nacherhebungsbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der mit der Auflösung der beklagten Behörde und dem Übergang ihrer Zuständigkeit auf eine andere, in einem anderen Bundesland gelegene Behörde verbundene gesetzliche Beteiligtenwechsel führt allein noch nicht zu einer Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit.

2. Erlässt das neu zuständig gewordene Hauptzollamt während des Klageverfahrens einen Nacherhebungsbescheid wegen Einfuhrabgaben, die vom ursprünglich zuständigen Hauptzollamt während des Rechtsbehelfsverfahrens – vermeintlich zu Unrecht – erlassen worden waren, so ist der Nacherhebungsbescheid als Änderungsbescheid i.S.v. § 68 FGO anzusehen.

3. Der Nacherhebungsbescheid führt zu einer Änderung des Streigegenstands, der die Zuständigkeit des ursprünglich zuständigen Finanzgerichts auch hinsichtlich des Abgabenbescheids des ursprünglich zuständigen Hauptzollamts entfallen lässt. Der Rechtsstreit ist insgesamt an das Finanzgericht zu verweisen, in dessen Bezirk sich das neu zuständige Hauptzollamt befindet.

4. Der von § 68 FGO bezweckte Schutz des Rechtssuchenden vor einem einseitigen Herausdrängen aus dem Verfahren durch den Erlass von Änderungsbescheiden beansprucht im Einfuhrabgabenrecht in gleicher Weise Geltung wie im nationalen Abgabenrecht.

 

Normenkette

GVG § 17a Abs. 1 S. 1, Abs. 2; FGO §§ 68, 70 S. 1, § 38 Abs. 1; ZK Art. 243 Abs. 2b, Art. 245; EWGV 2913/92 Art. 243 Abs. 2b, Art. 245

 

Tenor

Das Sächsische Finanzgericht erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das Thüringer Finanzgericht.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Einfuhrabgaben in Höhe von zuletzt insgesamt 223.892,06 EUR (Zoll/EU, Einfuhrumsatzsteuer, Tabaksteuer) aufgrund seiner vom Beklagten angenommenen Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen von insgesamt 1.780.000 Stück Zigaretten aus der Tschechischen Republik in das Gemeinschaftsgebiet. Der Kläger wurde für diesen Betrag mit Bescheid vom 27.02.2004 i.H. von insgesamt 22.892,06 EUR und Steueränderungsbescheid vom 11.05.2005 i.H. von insgesamt 201.000 EUR gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen neben zwei vietnamesischen Staatsangehörigen.

Mit Steuerbescheid vom 21.03.2003 hatte das zwischenzeitlich aufgelöste Hauptzollamt … gegen den Kläger zunächst Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 223.922,06 EUR festgesetzt. Auf den Steuerbescheid vom 21.03.2003 wird verwiesen (Behördenakte Bl. 168 ff.). Im Einspruchsverfahren hat das Hauptzollamt … mit Entscheidung vom 27.02.2004 (Bl. 25/26 dA) unter Hinweis auf den – im Verhältnis zu den beiden anderen Gesamtschuldnern – geringeren Tatanteil bzw. das geringere Verschulden des Klägers sowie unter Berücksichtigung der Realisierbarkeit des Anspruches die Abgabenforderung auf insgesamt 22.892,06 EUR herabgesetzt. Das Hauptzollamt hat „auf der Grundlage dieser Entscheidung” von der Erhebung der darüber hinaus entstandenen Einfuhrabgaben „in Höhe von 43.000 EUR Zoll-Euro, 120.000 EUR Tabaksteuer sowie 38.000 EUR Einfuhrumsatzsteuer” „abgesehen und dem Einspruch somit teilweise abgeholfen”. Im Übrigen hat das HZA … mit Einspruchsentscheidung vom 27.02.2004 (Bl. 26 ff. dA) den Einspruch zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Während des Klageverfahrens, zum 01.05.2004, ist mit der Auflösung des Hauptzollamtes … die Zuständigkeit auf das nunmehr beklagte Hauptzollamt übergegangen.

Mit Steueränderungsbescheid vom 11.05.2005 (vgl. Bl. 3 der Behördenakte RL 47/06), hat der Beklagte „die zu Unrecht erlassenen Beträge” i.H. von insgesamt 201.000 EUR gemäß Art. 220, Art. 242 Zollkodex nacherhoben. Zur Begründung war ausgeführt, das ehemalige HZA … habe dem Kläger als einzigem von mehreren Gesamtschuldnern „von Amts wegen” Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 201.000 EUR erlassen, obwohl der Tatbestand des Art. 236 Abs. 1 Satz 2 Zollkodex nicht erfüllt sei und der Kläger keinen Antrag auf Erlass der Abgaben nach Art. 239 Zollkodex gestellt habe. Die Einfuhrabgaben seien mithin zu Unrecht erlassen worden mit der Folge, dass die ursprüngliche Zollschuld wieder auflebe (Art. 242 Zollkodex). Der Beklagte hat ein Schreiben des Klägers vom 05.01.2006 (Bl. 1 der Behördenakte RL 47/06) als Einspruch gegen den Steueränderungsbescheid vom 11.05.2005 gewertet, den er unter Gewährung von Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist als unbegründet zurückwies (Einspruchsentscheidung vom 15.03.2006, Bl. 16 ff. der Behördenakte RL 47/06). Hiergegen wurde Klage nicht erhoben.

Der Senat hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2007 zur beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreites an das Thüringer Finanzgericht angehört.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Sächsische Finanzgericht ist örtlich unzuständig. Der Rechtsstreit war nach Anhörung der Beteiligten entsprechend § 17a Ab...

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