Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz, Reparaturkosten, Berufung, Fahrzeug, Feststellung, Gutachten, Pkw, Leistungsanspruch, Unkostenpauschale, Anspruch, Nutzungsausfall, form, Ersatzpflicht, ausparken

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 17.09.2020; Aktenzeichen 74 O 1577/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers vom 21.10.2020 wird das Endurteil des LG Ingolstadt vom 17.09.2020 (Az. 74 O 1577/19) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.501,07 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.06.2019 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche Schäden, insbesondere auch Sachverständigen-Gebühren bezogen auf die unfallbedingten Reparaturkosten, welche dem Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 13.12.2018 in der Tiefgarage T. W. in I. künftig entstehen, zu ersetzen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Kläger trägt die durch die Anrufung des Amtsgerichts Ingolstadt entstandenen Mehrkosten. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz im Übrigen tragen der Kläger 40% und die Beklagten samtverbindlich 60%.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 26% und die Beklagten samtverbindlich 74%.

III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).

B. Einen im Termin vom 24.02.2021 zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits insbesondere über Sachverständigenkosten und Nutzungsausfall geschlossenen Vergleich haben die Beklagten auf Betreiben des Unfallverursachers, des Beklagten zu 1) widerrufen.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.

I. Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz vollumfänglich verneint.

1. Der Beklagte zu 1) hat seinen Pkw rechts neben dem VW Touran des Klägers am 13.12.2018 in der Tiefgarage ebenfalls vorwärts eingeparkt. Nachdem seinen eigenen Angaben nach beim rückwärts Ausparken die Warnsensoren angingen und ein anwesender Passant beim Ausparkvorgang des Beklagten zu 1) mit den Händen "herumfuchtelte" stieg der Beklagte zu 1) aus, besah sich den Pkw des Klägers, wischte an diesem herum und bemerkte Lackkratzer, weshalb er auf 2 Zetteln seine Telefonnummer hinterließ und darauf mitteilte, dass er "leider ihr Auto an der Beifahrertüre gestreift" sowie "leider ihr Auto gestreift" habe. Daraufhin entfernte sich der Beklagte zu 1) vor Ablauf der Wartefrist von der Unfallstelle. Die in erster Instanz als Zeugin vernommene Ehefrau des Klägers bemerkte beim Zurückgehen die Beschädigungen an der rechten Seite. Weiter erinnerte sie sich an das Telefonat mit dem Beklagten zu 1), in welchem dieser ihr mitteilte, dass es ihm leid tue, dass er ihr Fahrzeug an der Beifahrertüre gestreift habe, zugleich aber vehement in Abrede stellte, dass die Beschädigungen am Kotflügel von ihm stammen.

Der Sachverständige, dessen Sachkunde gerade bei der Feststellung von Schadenskompatibilität und Schadenshöhe dem Senat aus einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat bekannt ist, stellte fest, dass die Kratz- und Schürfspuren an der Beifahrertüre des klägerischen Pkw mit solchen am rechten vorderen Radlauf des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) übereinstimmen, hingegen der weitere Schadenbereich im unteren Bereich am Klägerfahrzeug mit intensiven Kratzspuren und überlagerten Eindellungen nicht mit dem Schadensbild am Fahrzeug des Beklagten zu 1) übereinstimmt und auch der vorgestellte Ausparkvorgang - rückwärts ausparken ohne zusätzliche Vorwärtsbewegung - nicht mit dem Schadensbild im unteren Bereich am klägerischen Pkw übereinstimmt, da der schadensverursachende Gegenstand von hinten nach vorne verlaufend am Klägerfahrzeug entlanggeführt wurde.

Nach § 286 I 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine - ohnehin nicht erreichbare (vgl. BGH NJW 1998, 2969 [2971]; Senat NZV 2006, 261; NJW 2011, 396 [397]; KG NJW-RR 2010, 1113) - absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit", sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245 [256], VersR 2014, 632 f.; OLG Frankfurt a. M. zfs 2008, 264 [265]; Senat VersR 2004, 124; NZV 2006, 261 NJW 2011, 396 [397]; SP 2012, 111). Aufgrund de...

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