Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Leistungsverfügung zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit einer Gesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Erlass einer Befriedigungsverfügung zur Abwendung von Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz einer GmbH besteht kein Verfügungsgrund.

2. In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit anzustellen ist, muss die gesamte Finanzlage des Schuldners bis zur Fälligkeit aller bestehenden Verbindlichkeiten einbezogen werden.

3. Im Berufungsverfahren gegen eine erlassene Leistungsverfügung ist der Wert des Interesses auf den vollen Betrag der zugesprochenen Leistung festzusetzen. Ein Abschlag ist nicht vorzunehmen.

 

Normenkette

FamFG §§ 49-51, 246-247; InsO § 17; ZPO § 940

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 22.03.2018; Aktenzeichen 12 HK O 2996/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts München I vom 22.03.2018, Az. 12 HK O 2996/18, aufgehoben und der Antrag der Klägerin vom 28.02.2018 zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin ist ein am 13.02.2009 gegründetes und insbesondere im Handel mit Softwarelizenzen der Firma Microsoft sowie der Beratung von Unternehmen sowohl hinsichtlich des Einsatzes von Software der Firma Microsoft als auch bezüglich des regelgetreuen und optimierten Einsatzes von Nutzungsrechten für Microsoft-Software tätiges Unternehmen. An ihm sind derzeit neben den beiden Geschäftsführern Dieter M. und Andreas L. mit jeweils 18,33%, Herr Johannes A., der Stiefsohn des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, mit 18,34%, Herr Nikolaus K., der Sohn des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, mit 5,00% sowie die Beklagte mit 40,00% beteiligt.

Die Klägerin ist mit 84,68% an der S. GmbH beteiligt, deren Haupttätigkeit im Software Asset Management (SAM) besteht. Dabei sollen Kunden mittels einer Scannersoftware zur Aufdeckung von Unterlizenzierungen auf Überprüfungen ihrer Softwarenutzungsrechte durch Microsoft und andere Softwarehersteller vorbereitet werden, um Strafzahlungen und/oder Nachlizenzierungen zu vermeiden.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, dessen Gegenstand u.a. die Beteiligung an anderen Unternehmen ist.

Anlässlich der Übernahme des 40 prozentigen Gesellschaftsanteils an der Klägerin durch die Beklagte schlossen die Gesellschafter der Klägerin sowie die Gesellschafter der S. GmbH am 18.08.2017 eine Gesellschaftervereinbarung (Anl. Ast 7), wonach die Beklagte der Klägerin die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 1.500.000,00 EUR zur Ablösung von Kreditverbindlichkeiten der Klägerin bei zwei Banken (Darlehen I), eines weiteren Darlehens in Höhe von 2.300.000,00 EUR zur Ablösung von "Finanzierungen/Bürgschaften/Sicherungen" von Frau Prof. Dr. A. bei der Klägerin und der S. GmbH sowie zur Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens von Herrn Johannes A. (Darlehen II) und schließlich eines dritten, "in Teilbeträgen gem. Businessplan" abrufbaren Darlehens in Höhe von insgesamt 7.200.000,00 EUR zur Finanzierung des Aufbaus und der Erweiterung des Geschäftsbetriebes der Klägerin (Darlehen III) zusagte (Abschnitt A. der Gesellschaftervereinbarung vom 18.08.2017 laut Anlage 3 zu der notariellen Urkunde des Notars U. vom 18.08.2017 UrNr. 1141 U/2017, Anl. Ast 7).

In der Gesellschaftervereinbarung verpflichteten sich die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin und der S. GmbH zum Aufbau und zur Durchführung eines Berichtswesens, das - in der Vereinbarung näher definierten - Mindestanforderungen entsprechen muss (Abschnitt C. der Gesellschaftervereinbarung vom 18.08.2017 laut Anlage 3 zu der notariellen Urkunde des Notars Uhlig vom 18.08.2017 UrNr. 1141 U/2017, Anl. Ast 7).

In teilweiser Umsetzung dieser Gesellschaftervereinbarung schlossen die Parteien am 18.08.2017 einen mit "Darlehen III" bezeichneten Darlehensvertrag (Anl. Ast 20), mit dem die Beklagte der Klägerin ein Abrufdarlehen in Höhe von 7.200.000,00 EUR "für den Aufbau des operativen Geschäfts" gewährte.

§ 1 Ziffer 3. des Darlehensvertrages lautet:

"Dieses Darlehen III löst insoweit den bisherigen Darlehensvertrag zwischen der K.M. AG und der A.C. GmbH über EUR 480.000,00 EUR vom 19.06.2017 ab. Insofern ist dieses Darlehen bereits mit einer ersten Auszahlung in Höhe von 480.000,00 EUR in Anspruch genommen worden. Die weiteren Auszahlungen erfolgen monatlich auf Basis einer Anforderung der Geschäftsleitung des Darlehensnehmers entsprechend dem vorgelegten Business Plan vom 20.06.2017. Insofern stehen für folgende Halbjahres-Zeiträume folgende Beträge zur Verfügung:

2. Halbjahr 2017 1.900.000 EUR

1. Halbjahr 2018 2.400.000 EUR

2. Halbjahr 2018 2.050.000 EUR

1. Halbjahr 2019 850.000 EUR

§ 3 des Darlehensvertrages enthält folgende Regelung:

'3.1 Dem Darlehensgeber steht ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht, das zur fristlosen Kündigung des Darlehens mit sofortiger Rü...

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