Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerberater ist zur Beratung in wirtschaftlichen Angelegenheiten nur aufgrund eines gesonderten Auftrags verpflichtet. Beteiligt er sich aber an Gesprächen über die Frage der ggf. eingetretenen insolvenzrechtlich relevanten Überschuldung einer von ihm steuerlich beratenen Gesellschaft, die auf der Grundlage der von ihm erstellten Bilanzen bzw. betriebswirtschaftlichen Auswertungen geführt werden, muss ein von ihm erteilter Rat zutreffen. Ohne Erstellung eines gesondert in Auftrag zu gebenden Insolvenzstatus wird er aber nicht zuverlässig feststellen können, ob eine Gesellschaft tatsächlich im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet ist. Ob er verpflichtet ist, die Erstellung eines solchen Status zu empfehlen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Urteil vom 07.09.2010; Aktenzeichen 2 O 255/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Bückeburg vom 7.9.2010 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gebrüder P. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin, Insolvenzschuldnerin oder GmbH), nimmt den Beklagten aus eigenem und gepfändetem Recht der Geschäftsführer der Schuldnerin aus einem steuerlichen Mandat auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Schuldnerin betrieb einen Blumeneinzelgroßhandel in angemieteten Räumlichkeiten, wobei sie Betriebsstätten in O. bei M. und in R. unterhielt. Ihre Geschäftsführer, die aus den Niederlanden stammenden Zeugen R. P. und H. P., waren zugleich Gesellschafter der Gebrüder P. GbR (im Folgenden nur GbR), die Eigentümerin des von der Schuldnerin zum Preis von 6.650 EUR monatlich angemieteten Betriebsgrundstücks in O. war. Dort hatte die GbR im Jahr 2000 einen Neubau errichten lassen, für den sie staatliche Förderung in Anspruch genommen hatte. Für die für den Erwerb des Grundstücks aufgenommenen Kredite, die sie mit den monatlichen Mietzahlungen i.H.v. 6.650 EUR der Schuldnerin bedienten, hafteten die Brüder P. als Gesamtschuldner.

Der Beklagte war der Steuerberater sowohl der GmbH als auch der GbR. Neben der laufenden Beratung in steuerlichen Angelegenheiten erstellte er für die GmbH die Bilanzen, die betriebswirtschaftlichen Auswertungen sowie die Summen- und Saldenlisten.

Anders als die Betriebsstätte in R. wirtschaftete diejenige in O. defizitär. Aus der von dem Beklagten Mitte 2005 erstellten Bilanz für das Jahr 2004 ergab sich ein Fehlbetrag von rund 500.000 EUR. Die mit dem Abschluss der Buchungen für den Monat Dezember 2005 erstellte konsolidierte betriebswirtschaftliche Auswertung für das Jahr 2005, die im Januar 2006 vorlag, ergab für das Jahr 2005 eine bilanzielle Überschuldung von 170.000 EUR bis 180.000 EUR. Der Geschäftsbetrieb in O. wurde Ende 2005 eingestellt und das Gewerbe abgemeldet. Die Schuldnerin zahlte gleichwohl den für die Betriebsstelle anfallenden Mietzins bis einschließlich Juni 2006 weiter an die GbR (insgesamt 39.900 EUR), wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dies auf Rat des Beklagten hin geschah.

Am 25.1.2006 kam es zu einem Gespräch zwischen den Zeugen R. P. und H. P. und dem Zeugen G. W., Mitarbeiter der X-Bank, der Hausbank der Schuldnerin, an dem auch die bei der GmbH beschäftigte Zeugin E. B. sowie der Beklagte teilnahmen. Der Inhalt des Gesprächs ist im Einzelnen streitig.

Auf Anraten des Mitte Juni 2006 von der Schuldnerin beauftragten Rechtsanwalts Ge. stellte der Zeuge R. P. am 26.7.2006 für die GmbH Insolvenzantrag. Der Kläger als Insolvenzverwalter nahm in der Folge in einem vor dem LG Bückeburg geführten Vorprozess (= Beiaktenverfahren, Az. 2 O 239/08, oder nur BA) die Zeugen R. P. und H. P. persönlich als Geschäftsführer der Schuldnerin auf Rückzahlung der bis einschließlich Juni 2006 an die GbR geflossenen Mietzahlungen in Anspruch und erstritt nach Beweisaufnahme am 1.9.2009 ein obsiegendes Urteil (Bl. 135 ff. BA). Gegenstand der Beweisaufnahme, bei der der Beklagte und die Mitarbeiterin B. als Zeugen vernommen wurden, waren der Inhalt des Gesprächs vom 25.1.2006 und die Frage, ob der jetzige Beklagte und damalige Zeuge gegenüber den Zeugen R. P. und H. P. erklärt hat, ein Insolvenzantrag sei mangels Überschuldung der Gesellschaft nicht erforderlich (Bl. 107 f. BA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Vorprozess wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.8.2009 (Bl. 118 ff. BA) Bezug genommen. Das LG sah im Vorprozess einen Anspruch des Klägers gegenüber den damaligen Beklagten (und jetzigen Zeugen) H. P. und R. P. auf Rückzahlung der Mietzahlungen...

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