Entscheidungsstichwort (Thema)

Ertragsteuerliches Strohmannverhältnis und Unternehmereigenschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Das Vorliegen und die Gewichtung der den Unternehmerbegriff bestimmenden Merkmale ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. Es kommt weder auf die von den Beteiligten ausdrücklich gewählte Bezeichnung ihrer Rechtsbeziehungen noch auf den nach außen gesetzten Rechtsschein an.
  2. Ein Strohmannverhältnis liegt (ertragsteuerlich) vor, wenn der nach außen im Geschäfts- und Rechtsverkehr auftretende Steuerpflichtige nicht zugleich auch Unternehmer des Gewerbebetriebes ist.
  3. Die im Namen oder durch den Strohmann abgeschlossenen Geschäfte stellen zivilrechtlich in der Regel keine Scheingeschäfte im Sinne des § 41 AO dar. Die daraus resultierenden Gewinne sind ertragsteuerlich dem hinter dem Strohmann stehenden Unternehmer zuzurechnen.
  4. Die von dem im Außenverhältnis gesetzten Rechtsschein abweichende Zurechnung der Unternehmereigenschaft setzt keinen ausdrücklich abgeschlossenen Treuhandvertrag voraus; ausreichend ist die durch die tatsächlichen Verhältnisse bedingte Verlagerung der Unternehmerstellung.
 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2; AO § 41

 

Streitjahr(e)

1987, 1988, 1989, 1990, 1991

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.11.2004; Aktenzeichen III R 21/02)

 

Tatbestand

Streitig ist die Zurechnung von Einkünften aus Gewerbebetrieb zwischen früheren Eheleuten.

Der Kläger wurde in den Streitjahren mit seiner früheren Ehefrau - der Beigeladenen - zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Laufe des Jahres 1993 kam es zur Trennung. Der Kläger war früher Verwaltungsbeamter; er wurde aus gesundheitlichen Gründen im Jahre 1989 frühpensioniert.

Im Jahre 1981 schloss die Beigel. einen Vertrag mit einer Gesellschaft für Vermögensberatung und Vermittlung (X - AG), nach welchem sie als hauptberufliche Handelsvertreterin tätig werden sollte. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigel. insoweit lediglich als Strohfrau für den Kläger als eigentlichen Betreiber der Handelsvertreteragentur aufgetreten ist. Das Büro wurde durch einen von der Beigeladenen unterzeichneten Mietvertrag angemietet. Außerdem schloss die Beigel. mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag ab, wonach dieser als geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer angestellt wurde. Der Kläger war im Rahmen des von der Beigeladenen vertraglich begründeten Handelsvertreterverhältnisses für die X- AG tätig. Die X- AG ernannte den Kläger durch Urkunde vom Juli 1982 nach erfolgreicher Teilnahme am Prüfungsseminar zum „Repräsentanten für X „. Die X - AG erteilte über die verdienten Provisionen monatliche Abrechnungen. Die sich danach ergebenden Provisionsansprüche wurden durch Verrechnungsschecks, die auf den Namen der Beigeladenen ausgestellt wurden, beglichen.

Im Jahre 1993 strebte der Kläger eine berufliche Veränderung an. In einem Bewerbungsschreiben an die A - Bank in B. vom 12.07.1993 machte er zur Bedingung einer dortigen Tätigkeit, dass er den von ihm aufgebauten X -Kundenbestand von über 1000 Kunden behalten könne. Das Einverständnis seiner Frau zur Übertragung des Kundenbestandes auf ihn liege vor. Bereits zuvor hatte der Kläger ein Gespräch mit leitenden Mitarbeitern der X- AG über die zukünftige Gestaltung der „Generalagentur D” geführt. Nach dem hierüber gefertigten Protokoll vom 24.06.1993 wurde die Möglichkeit der Entwicklung der Generalagentur zur „Vermögensberater-Praxis” erwogen. Das Handelsvertreterverhältnis endete durch eine im Mai 1994 gegenüber der Beigeladenen ausgesprochene Kündigung der X - AG zum 30.09.1994. Die Beigel. gab die Vertragsbestände an die X- AG zurück. Der Kläger war nunmehr auf Grund eines im eigenen Namen mit der X- AG abgeschlossenen Vertrages vom 03.03.1994 für diese als Handelsvertreter tätig. In einer ergänzenden Vereinbarung verpflichtete er sich gegenüber der X- AG, für die Übernahme des Kundenbestandes den an die Beigel. auszuzahlenden Abfindungsanspruch zu erstatten. Dafür sollte einem etwaigen späteren Abfindungsanspruch des Klägers eine Vertragszeit ab 1981 zugrunde gelegt werden.

Im Zuge der Abwicklung des Vertragsverhältnisses machte die Beigel. gegenüber der X- AG neben Ansprüchen aus einem der Altersvorsorge dienenden Beteiligungsplan einen Ausgleichsanspruch aus dem Handelsvertreterverhältnis geltend. In dem hierzu geführten Schriftverkehr regte die Beigel. durch Schreiben vom 11.01.1995 gegenüber der X-AG die Rücknahme der Kündigung an. Die Beigel. machte geltend, dass sie mittlerweile sehr wohl in der Lage sei, allein und gegebenenfalls mit Mitarbeitern eine Agentur selbständig zu führen. In dem über den Ausgleichsanspruch vor dem Landgericht L geführten Rechtsstreit wandte die X - AG ein, dass zwischen ihr und der Beigeladenen kein wirksamer Handelsvertretervertrag bestanden habe, weil diese als „Strohfrau” für den Kläger aufgetreten sei. Das Landgericht L verneinte in seinem Urteil vom 27.11.1995 einen unwirksamen Scheinvertrag. Di...

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