Rn. 43

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Seit der Einführung des § 4h EStG sieht sich die Zinsschranke einer starken verfassungsrechtlichen Kritik ausgesetzt. Die Frage nach ihrer Verfassungsmäßigkeit ist derzeit allerdings als ungeklärt zu beurteilen. Der I. Senat des BFH hat mit Beschluss v 14.10.2015, I R 20/15, BStBl II 2017, 1240 (Az BVerfG 2 BvL 1/16) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Zinsschranke aufgrund eines Verstoßes gegen den allg Gleichheitssatz verfassungswidrig sei, u begründet seine Zweifel an der Verfassungskonformität des § 4h EStG mit einem Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip u das Folgerichtigkeitsgebot (Art 3 Abs 1 GG).

 

Rn. 44

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

vorläufig frei

 

Rn. 45

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Der BFH, aaO, hat im Rahmen seines Vorlagebeschlusses sämtliche v Gesetzgeber u auch von der FinVerw vorgebrachten Rechtfertigungsgründe verworfen (hierzu krit Möhlenbrock, ISR 2014, 154; Staats, Ubg 2014, 520). Nach Auffassung des BFH sei das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des Ertragsteuerrechts nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des StPfl verletzt. Im Ergebnis werde gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen, da für Zwecke der Besteuerung nicht mehr das Nettoeinkommen herangezogen werde. Weder die v Gesetzgeber angedachte EK-Stärkung noch die als Ziel definierte Sicherstellung des deutschen Steuersubstrats rechtfertige die Zinsschranke in ihrer derzeitigen Ausgestaltung.

 

Rn. 46

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Der BFH äußert sich zwar nicht ausdrücklich zu der von Gesetzgeber u FinVerw angeführten Argumentation, dass der Verstoß der Zinsschranke gegen das objektive Nettoprinzip zulässig sei, da die Möglichkeit des EBITDA- u Zinsvortrags lediglich in einer nur vorübergehenden Abzugsbeschränkung resultiere. Allerdings konnte dieses Argument wohl nicht die Zweifel des BFH an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke ausräumen.

 

Rn. 47

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Für alle Fälle, im Rahmen derer die Zinsschranke v FA angewandt wird, gewährt der BFH Aussetzung der Vollziehung (BFH v 18.12.2013, BStBl II 2014, 947). Allerdings wird Aussetzung der Vollziehung auch nach Ergehen des BFH-Beschlusses von der FinVerw grds abgelehnt (BMF v 13.11.2014, BStBl I 2014, 1516).

 

Rn. 48

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

vorläufig frei

 

Rn. 49

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

ME ist der Argumentation des BFH zu folgen, da der Ausschluss betrieblich veranlasster Zinsaufwendungen v Abzug bei der Bemessungsgrundlage massiv gegen das objektive Nettoprinzip als Grundpfeiler jedweder Besteuerung verstößt. Dieser Verstoß ist mE aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu rechtfertigen. Auch die Berücksichtigung des EBITDA- u Zinsvortrags sollte mE daran nichts ändern, da die Vorträge regelmäßig nicht zum Tragen kommen.

 

Rn. 50

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

In allen offenen Fällen, in denen Zinsaufwendungen durch die Anwendung der Zinsschranke nicht zum Abzug zugelassen wurden, ist dem StPfl nahezulegen, die enstprechenden VZ offenzuhalten u die Entscheidung des BVerfG abzuwarten. Sollte in Erwägung gezogen werden, selbst Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, sind die Folgen der Verzinsung nach § 237 AO zu prüfen u in die Überlegungen miteinzubeziehen.

 

Rn. 51

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschrankenregelung ist allerdings auch noch vor dem Hintergrund der Verabschiedung der sog ATAD-Richtlinie (RL 2016/1164/EU des Rates v 12.07.2016, "Anti Tax Avoidance Directive" (ATAD)) zu beleuchten. Die Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken sieht in Art 4 eine Regelung zur Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen vor.

Diese Abzugsbegrenzung ist der deutschen Zinsschranke (bis auf marginale Abweichungen) nachgebildet. Somit hat die deutsche Zinsschranke quasi als deutscher Exportschlager ihren Weg in die internationale "Steuerwelt" gefunden. Die Umsetzungsfrist für Art 4 der Richtlinie endete bereits am 31.12.2018. Jedoch sieht die Richtlinie eine Bestandsschutzregelung bis zum 31.12.2023für gleich wirksame Zinsabzugsbegrenzungen vor, wie bspw für die deutsche Zinsschrankenregelung. Da die Richtlinie nur für KSt-Subjekte gilt, ist § 8a KStG ab dem 01.01.2019 somit richtlinienkonform auszulegen.

ME ist davon auszugehen, dass die Zulässigkeit des Vorlageverfahrens durch die Richtlinie nicht berührt wird, da die Vorlagefrage grds nicht die Zinsschrankenregelung per se betrifft, sondern vielmehr § 8a Abs 2 u 3 KStG, welcher nicht in Art 4 der ATAD verankert ist. In diesem Zusammenhang wäre allerdings denkbar, dass eine etwaige Verfassungswidrigkeit der Zinsschrankenregelung nur für die Vergangenheit festgestellt werden könnte.

 

Rn. 52–53

Stand: EL 139 – ET: 10/2019

vorläufig frei

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