Rn. 7

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Freiberufler genießen Buchführungserleichterungen (s Rn 410ff); ihnen steht ein Wahlrecht der Gewinnermittlung zu (s Rn 412f). Der derivative Praxiswert des Freiberuflers wird grundsätzlich als abschreibungsfähiges WG behandelt (s Rn 510ff).

ArbN-bezogene Regelungen sind für selbstständig Tätige nicht von Bedeutung. Das betrifft zunächst die Steuerfreiheit bestimmter Leistungen, zB nach § 3 Nr 16, 30, 32, 33, 45, 50, 51, 56, 62 u 63 EStG. Selbstständig Tätige unterliegen nicht dem LSt-Abzug. Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nach § 3b EStG gilt nicht für Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (BFH BStBl II 1987, 625). Die Nichtgewährung des Versorgungsfreibetrages nach § 19 Abs 2 EStG ist verfassungsgemäß (FG SchlH EFG 2001, 1147, bestätigt BFH v 22.03.2006, XI R 60/03 nv).

Gewichtigstes Merkmal der Einkunftsart ist, dass auf sie keine GewSt entfällt (§ 2 Abs 1 S 1 GewStG). Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass selbstständige Arbeit durch geistiges Vermögen und persönlichen Arbeitseinsatz und nicht durch Kapitaleinsatz geprägt sei (vgl Begründung zu § 18 EStG 1934, RStBl 1935, 42). Die Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 35 EStG gilt mangels Belastung mit GewSt folglich nicht für Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (BFH BStBl II 2000, 186; 2001, 486; BVerfG DStR 2006, 1316; BVerfGE 116, 164).

Ein strukturelles Vollzugsdefizit, das gegeben wäre bei Erhebungsregeln, die die Durchsetzung der materiellen Steuernorm verhindern würden, besteht für die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nicht (BFH BStBl II 2011, 72).

 

Rn. 8

Stand: EL 156 – ET: 02/2022

Die Verfassungsmäßigkeit der Freistellung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von der GewSt hat das BVerfG stets bejaht (BVerfGE 13, 331, 335; 13, 290, 297; 21, 54, 69; 42, 374; 46, 224; 120, 1; BVerfG BStBl II 1978, 125). Dagegen haben bereits BFH BStBl III 1960, 464 und die ESt-Reformkommission 1964 (Schriftenreihe des BMF, Heft 7, 189, 191) bezweifelt, ob sich das bisherige Nebeneinander von gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit auf die Dauer überhaupt halten lässt.

Sehr kritisch zu BVerfGE 46, 224 denn auch Orth, StuW 1979, 77; Jochum, StB 2005, 254; aA Hillmann, Stbg 1981, 237; zu BVerfGE 120, 1 Hartmann, BB 2008, 2490; weitere Nachweise bei Glanegger/Güroff, § 1 GewStG Rz 18ff (10. Aufl). Verfassungsrechtlich bedenklich erscheint es bereits, wenn Berufe, die sich nach den Merkmalen persönliche Arbeitsleistung, Eigenverantwortung und Kapitaleinsatz strukturell nicht von den freien Berufen unterscheiden, ungünstiger behandelt werden als die freien Berufe. Das gilt umso mehr, als bei den freien Berufen eine zunehmende Tendenz zur Großpraxis, Großkanzlei usw erkennbar ist und sich auch das Verhältnis von persönlicher Arbeitsleistung einerseits und Kapital- und Personaleinsatz andererseits zu Lasten der Ersteren verschiebt (s hierzu die Hinweise in s Rn 247, 249ff). Auch knüpft der Katalog des § 18 Abs 1 Nr 1 EStG in Wirklichkeit nicht an rechtfertigende Fakten an (ebenso Glanegger/Güroff, aaO; kritisch auch Hey in Tipke/Lang, LB, § 8 Rz 425 ff, 23. Aufl).

Zudem weist die bunte Mischung der Katalogberufe keine innere Systematik auf; insb verbindet sie kein Qualifikationsstandard im Hinblick auf Ausbildung und ausgeübte Tätigkeit. Sie beruht offenbar auf politischen Augenblicksstimmungen (Stichwort Lobbyismus), formal legitimiert durch die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit (vgl BVerfG HFR 1991, 614), jedoch ohne dass ein willkürfreier Sachgrund für die Auswahl erkennbar wäre (zu diesem Erfordernis BVerfG BStBl II 2016, 557 unter B.II.2.b.). Er lässt daher nicht erkennen, weshalb nur die bisher genannten Berufsgruppen privilegiert sind und andere, die die Merkmale nach RStBl 1935, 42 ebenso erfüllen, nicht oder nur über den Umweg des "ähnlichen Berufs". Hinzu kommt, dass dieser Umweg höchst ungewiss ist; denn nach hM soll die Annahme eines "ähnlichen Berufes" letztlich allein anhand der Umstände des Einzelfalls – uU mit Sachverständigen-Gutachten – getroffen werden (s Rn 128ff).

Damit aber wird der vom Rechtsstaatsprinzip geforderten Vorhersehbarkeit des Steuereingriffs nicht genügend Rechnung getragen. Noch unstimmiger wird das Normgefüge durch die Rspr des BFH, der bei der Bestimmung der Ähnlichkeit für bestimmte Berufsgruppen (zB Heilhilfsberufe) willkürlich von seinen üblichen Grundsätzen abweicht und für diese Berufe eine nach jenen Grundsätzen nicht vorhandene Ähnlichkeit herbei-"argumentiert" – mit der Folge einer partiellen "Gruppenähnlichkeit" (ähnlich Pezzer, FS J. Lang 2010, 491; wie BFH jedoch Kempermann, FR 2010, 1048).

Inwieweit der Katalog einschließlich der ähnlichen Berufe noch Spiegelbild einer konsequent durchgeführten Belastungsentscheidung des Gesetzgebers sein soll, ist nicht erkennbar. Gleichwohl hat das BVerfG erneut an der Vereinbarkeit der unterschiedlichen Behandlung von freien Berufen und (kleinen) Gewerbetreibenden festgehalten (BVerfG FR 2001, ...

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