Rn. 31d

Stand: EL 157 – ET: 04/2022

Das dingliche Nießbrauchsrecht nach den §§ 1030ff ist vermögensrechtlicher Natur und umfasst keine (Um-)Gestaltungsrechte des Nießbrauchers (§ 1037 BGB iVm § 1068 BGB). Inwieweit dem Nießbraucher aufgrund seines dinglichen Rechts aber auch Mitwirkungsrechte in der Gesellschaft zustehen, insb Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung, ist umstritten (s Pohlmann, Münchener Kommentar, BGB, § 1068 BGB Rz 69f, 6. Aufl 2013; Hohaus, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 66 Rz 26 ff, 3. Aufl 2009). Die unterschiedlichen Auffassungen reichen vom Stimmrecht nur des Nießbrauchers bzw nur des Gesellschafters über eine gemeinschaftliche Stimmrechtsausübung bis hin zum Stimmrecht des Nießbrauchers nur in lfd Angelegenheiten und dem Stimmrecht des Gesellschafters bei Grundlagenbeschlüssen (s BGH v 09.11.1998, DB 1999, 208, 209 und s Pohlmann, Münchener Komm BGB, 1068, 2269 ff und Wälzholz, DStR 2010, 1786 Fn 49–52). Soll daher der Nießbraucher Einfluss auf die Willensbildung in der Gesellschaft erhalten, muss dies bewusst durch vom gesetzlichen Status abweichende schuldrechtliche Vereinbarung im Innenverhältnis gestaltet werden (so Kleinert/Geuss, DStR 2013, 288, 291 ff; Wachter, DStR 2013, 1929 zu 3.4), wozu lt Fleischer, DStR 2013, 902 zivilrechtlich zwei Lösungsmöglichkeiten bestehen

  • abweichende Inhaltsbestimmung des Nießbrauchs durch Vereinbarung, dass das Stimmrecht aus dem nießbrauchsbelasteten Anteil ganz oder teilweise dem Nießbraucher zusteht;
  • Feststellung des Stimmrechts für den Gesellschafter bei Einräumung von rechtsgeschäftlichen Befugnissen für den Nießbraucher durch Vollmacht (näher Fleischer, ZEV 2012, 466, 468 unter 2.2); nicht zu empfehlen lt Wachter, DStR 2013, 1929, 1933.

Inhaltlich kommen lt Wachter, DStR 2013, 1929, 1933 grundsätzlich vier denkbare Lösungen in Betracht:

  • das alleinige Stimmrecht des Gesellschafters (bei Vorbehaltsnießbrauch nicht geeignet),
  • das alleinige Stimmrecht des Nießbrauchers: gesellschaftsrechtlich nach Wachter, aaO, wohl unzulässig,
  • das gemeinsame Stimmrecht von Gesellschafter und Nießbraucher (wegen hohen Abstimmungsbedarfs kaum praktikabel, Gefahr der Pattsituation). Räumt man dem Nießbraucher ein Stimmrecht ein, setzt dies voraus, dass man ihm gleichzeitig ein Recht zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen zubilligen muss, damit er von diesem Recht Gebrauch machen kann (es entstünde ein weiterer Mitgesellschafter), so dass konsequent diejenigen, die dem Nießbraucher das Stimmrecht verweigern, ihm auch das Recht auf Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen verweigern: Korn/CarlÅ, KÖSDI 2009, 16 514 mit Verweis auf Pohlmann, Münchener Komm BGB, § 1068 BGB Rz 82, 6, Aufl 2013; Frank in Staudinger, BGB, Anhang zu §§ 1068 BGB Rz 98, 2009, mit dem Ergebnis, dass die hM zu Recht ein Stimmrecht des Nießbrauchers ablehne. Korn/CarlÅ, aaO, weisen ergänzend darauf hin, dass der Nießbraucher durch § 1071 BGB geschützt ist, wonach der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung nicht aufgeben oder deren Änderung nicht vornehmen kann, sofern dies zum Nachteil des Nießbrauchers gereicht. Über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 1071 BGB bestehe aber keine einheitliche Meinung, sodass auch nach dieser Ansicht vertragliche Regelungen erfolgen sollten, wozu von Korn/Carlé folgender Formulierungsvorschlag gemacht wird:

    Zitat

    "Vor jeder Gesellschafterversammlung stimmen sich Gesellschafter und Nießbraucher über die Stimmabgabe ab. Können sich Gesellschafter und Nießbraucher nicht einigen, ist hinsichtlich der laufenden Geschäfte die Meinung des Nießbrauchers und hinsichtlich der Grundlagengeschäfte die Meinung des Gesellschafters maßgebend. Zu den Grundlagengeschäften zählen Änderungen des Gesellschaftsvertrags und die Auflösung der Gesellschaft sowie Rechtsvorgänge, die unter das Umwandlungsgesetz fallen oder diesen wirtschaftlich entsprechen."

    und

  • die (inhaltliche) Aufteilung des Stimmrechts zwischen Gesellschafter (Erwerber) und Schenker (Nießbraucher): lt Wachter, aaO, ein gelungener Kompromiss. Nach Wachter, aaO, sollte das Stimmrecht für bestimmte grundlegende Beschlussgegenstände dem Gesellschafter zugewiesen werden: Änderungen des Gesellschaftsvertrags, Auflösung, Kündigung oder Umwandlung der Gesellschaft, Veräußerung des Unternehmens im Ganzen oder wesentlicher Unternehmensteile, Abschluss von Unternehmensverträgen, Erhöhung oder Herabsetzung von Einlageverpflichtungen, Änderung der Entnahmeregelungen, Änderung der Beteiligung am Gewinn oder am Auseinandersetzungsguthaben, Bildung oder Auflösung von Rücklagen, Feststellung der Bilanz uam. Für alle übrigen Beschlüsse (einschließlich sämtlicher – gewöhnliche und außergewöhnliche: s Fleischer, DStR 2013, 902 – Geschäftsführungsmaßnahmen) steht das Stimmrecht dagegen dem Nießbraucher allein zu. Damit ist stets auch die Mitunternehmerinitiative des Gesellschafters zu bejahen, da sein Stimmrecht alle grundlegenden und wesentlichen Beschlussgegenstände umfasst und sich das Stimmrecht des...

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