Rn. 161

Stand: EL 151 – ET: 06/2021

Aufgrund des Welteinkommensprinzips werden alle Einkünfte grds im Wohnsitzstaat besteuert. Aber auch der Quellenstaat (Tätigkeits-, Belegenheits- oder Betriebsstättenstaat) erhebt im Regelfall auf diese Einkünfte einen Besteuerungsanspruch, und zwar in folgenden Fällen:

  • der StPfl hat in mindestens zwei Staaten einen Wohnsitz (Doppelwohnsitz);
  • der StPfl hat im Ausland seinen Wohnsitz und im Inland einen gewöhnlichen Aufenthalt;
  • der StPfl hat im Ausland seinen Wohnsitz und ist im Inland beschränkt stpfl;
  • der StPfl hat im Inland seinen Wohnsitz und ist im Ausland beschränkt stpfl.

Es werden danach Einkünfte ein und desselben StPfl gleichzeitig von zwei Staaten besteuert, mit der Folge, dass eine Doppelbesteuerung vorliegt.

 

Rn. 162

Stand: EL 151 – ET: 06/2021

Die Doppelbesteuerung kann dadurch vermieden werden, dass einer der beiden Staaten auf die Besteuerung verzichtet (Freistellungsmethode) oder aber bei der Besteuerung in beiden Staaten der Wohnsitzstaat die Steuern des Quellenstaats auf seine Steuer anrechnet (Anrechnungsmethode).

Praktisch werden Doppelbesteuerungen entweder durch:

  • unilaterale Maßnahmen (Maßnahmen des Ansässigkeits- oder Quellenstaats),
  • bilaterale Maßnahmen (DBA-Vereinbarungen zwischen Wohnsitz- und Quellenstaat) oder
  • multilaterale Maßnahmen (Vereinbarungen zwischen mehreren Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung)

vermieden.

Unilaterale Vorschriften (wie bspw §§ 34c, 34d EStG) regeln dabei die Behandlung (Anrechnung oder Abzug) entsprechender ausländischer Steuern, falls keine bilateralen oder multilateralen Vereinbarungen bestehen.

Bilaterale Vereinbarungen (DBA) sehen für die Besteuerung im Inland ansässiger StPfl für einen Teil der Einkünfte die Freistellungsmethode, im Übrigen die Anrechnungsmethode vor. Dabei unterliegen die ausländisch Einkünfte, die von der inländisch Besteuerung freizustellen sind, regelmäßig dem Progressionsvorbehalt. Zum aktuellen Stand der bestehenden DBA vgl BMF v 15.01.2020, BStBl I 2020, 162.

In speziellen Sachverhalten werden die DBA vermehrt durch weitere bilaterale Verständigungs- oder Konsultationsvereinbarungen ergänzt, die die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten zur Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln, die bei der Auslegung und Anwendung des Abkommens entstehen, im gegenseitigen Einvernehmen treffen (s Art 25 Abs 3 OECD-MA). An derartige Vereinbarungen sind zwar die FinBeh gebunden, die Gerichte jedoch nur, wenn eine Transformation in innerstaatliches Recht erfolgt (s BFH v 02.09.2009, I R 90/08, BStBl II 2010, 394; BFH v 12.10.2011, I R 15/11, BStBl II 2012, 548; BFH v 13.06.2012, I R 41/11, BStBl II 2012, 880). Als Reaktion hat der Gesetzgeber mit dem JStG 2010 v 08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) in § 2 Abs 2 AO eine spezielle Verordnungsermächtigung geschaffen, mit der eine umfassende Bindungswirkung von Konsultationsvereinbarungen ermöglicht werden soll (BT-Drucks 17/2249, 86). Ob dies gelungen ist, ist umstritten (s zB Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz 43aff). In ersten Entscheidungen haben das FG He v 08.10.2013, 10 K 2176/11, EFG 2014, 288 und das FG BdW v 19.12.2013, 3 K 1189/13 (vom BFH wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben) eine Bindungswirkung bereits verneint. Der BFH hat die Entscheidung des FG He bestätigt, weil § 2 Abs 2 AO (idF JStG 2010) nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügt, die nach Art 80 Abs 1 GG an eine Verordnungsermächtigung zu stellen sind (BFH v 10.06.2015, I R 79/13, BStBl II 2016, 326; BFH v 30.05.2018, I R 62/16, BFHE 262, 54; kritisch zB Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz 43e).

Die von Deutschland geschlossenen DBA folgen weitgehend dem zum Zeitpunkt des Abschlusses maßgebenden Musterabkommen der OECD zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen (OECD-MA).

Multilaterale Vereinbarungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Besteuerung der Angehörigen des Diplomatischen Corps, der Angehörigen der NATO-Streitkräfte sowie der unterschiedlichsten internationalen Organisationen.

 

Rn. 163

Stand: EL 151 – ET: 06/2021

Bei der Besteuerung im Wohnsitzstaat genießen die zwischenstaatlichen Vereinbarungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gemäß § 2 AO den Vorrang vor unilateralen Maßnahmen, soweit dieser nicht – wie zB durch § 50d Abs 1 S 1 EStG – ausdrücklich zurückgenommen wird (BFH v 13.07.1994, I R 120/93, BStBl II 1995, 129; BFH v 27.07.2011, I R 32/10, BStBl II 2014, 513); zur Zulässigkeit des Treaty override s BVerfG v 15.12.2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1.

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