Entscheidungsstichwort (Thema)

Beihilfeanspruch. Beihilfe. Tarifänderung. Vertrauensgrundsatz. Informationsverpflichtung. Versorgungsempfänger

 

Leitsatz (amtlich)

Die mit Wirkung vom 01. Januar 1995 erfolgte Änderung der Anlage 8 zum Ersatzkassentarifvertrag (EKT), nach der nunmehr Voraussetzung für den Beihilfeanspruch ist, dass der/die Beschäftigte bei der Beschäftigungskasse Krankenversichert ist, oder dass er/sie nur deshalb nicht bei der Beschäftigungskasse versichert sind, weil die Voraussetzungen hierfür weder bei Abschluss des Arbeitsvertrages noch später jemals vorgelegen haben, schließt rechtswirksam den Beihilfeanspruch auch für diejenigen Beschäftigten aus, die vor der Tarifänderung zunächst beihilfeunschädlich zu einer anderen Krankenversicherung gewechselt sind und nunmehr nach der Tarifänderung nicht mehr mit ihrer Krankenversicherung zu ihrer Beschäftigungskasse zurückkehren können. Die Regelung verstößt auch für diesen Personenkreis nicht gegen höherrangiges Rechts, insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und auch nicht gegen zwingende Regelungen des Bestandsschutzes für Ansprüchen der betrieblichen Altersversicherung.

Eine entsprechende Tarifänderung erfasst auch ehemalige Beschäftigte, die sich im Zeitpunkt der Tarifänderung bereits im Ruhestand befunden haben, in deren Arbeitsvertrag bestimmt ist, dass für das Arbeitsverhältnis auch künftige Änderungen des EKT gelten.

Nach Auffassung der Kammer gebieten es Treu und Glauben, in den Grenzen des Zumutbaren eine besondere Informationsverpflichtung des Arbeitgebers gegenüber den Versorgungsempfängern hinsichtlich solcher Änderungen des Beihilferechts anzunehmen, die wie eine Aufhebung des Beihilfeanspruchs einen sehr weitgehenden und wenig naheliegenden Eingriff darstellen und bei deren Unkenntnis erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Versorgungsempfänger drohen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; Ersatzkassentarifvertrag Anlage 8

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 04.11.1998; Aktenzeichen 19 Ca 318/98)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 31.01.2002; Aktenzeichen 6 AZR 36/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgericht Hamburg vom 4. November 1998 – 19 Ca 318/98 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 4.127,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 25.06.1998 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreit trägt die Klägerin zu 74/100 und die Beklagte zu 26/100.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Beihilfe im Krankheits- oder Todesfall sowie für Aufwendungen bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten hat.

Die Klägerin war vom 01. August 1952 bis zum 30. September 1960 und vom 01. September 1973 bis zum 30. September 1994 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 01. Oktober 1994 befindet sie sich im Ruhestand.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien war Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung (vgl. Anstellungsvertrag vom 15. August 1973, Anlage zur Klage, Bl. 11 d. A.) der Ersatzkassen-Tarifvertrag (im Folgenden: EKT) mit den dazugehörigen Anlagen in der jeweils gültigen Fassung anwendbar.

Die Klägerin kündigte zum 30. September 1993 – sie war zu diesem Zeitpunkt wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze für die Krankenversicherung freiwillig versichert – ihre bei der Beklagten bestehende Krankenversicherung. Seit dem 01. Oktober 1993 ist sie bei der DKV privatkrankenversichert. Vor Beendigung des Versicherungsverhältnisses fragte die Klägerin bei der Beklagten an, ob auch bei anderweitiger Krankenversicherung ein Beihilfeanspruch bestehe. Mit Schreiben vom 22. September 1993 (Anlage zur Klagschrift, Bl. 12 d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, nach den tariflichen Bestimmungen der Anlage 8 zum EKT betrage die Beihilfe 80 % der beihilfefähigen Aufwendungen unter der Voraussetzung, dass eine Krankenversicherung bestehe und Leistungen erbracht habe. Die Beihilfe betrage 60 % der beihilfefähigen Aufwendungen, sofern bei einer privaten Krankenversicherung keine Vollversicherung bestehe.

Anlage 8 zum EKT in der bis zum 31. Dezember 1994 gültigen Fassung (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 01. September 1998, Bl. 45 d. A.) hat – soweit hier von Interesse – folgenden Wortlaut:

„Nr. 1

Beihilfeberechtigte Personen

(1) In Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie für Aufwendungen bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten werden Beihilfen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährt:

1. Beschäftigten gemäß § 1 EKT, solange sie Gehaltsbezüge oder Vergütung für Auszubildende erhalten,

2.a Anspruchsberechtigten der Altersversorgung – Anlage 7 oder 7 a – oder solchen Angestellten, die nur deshalb keine Anspruchsberechtigung haben, weil sie sich nach dem 31. Dezember 1979 Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung oder zur Höherversicherung haben erstatten lassen,

….”

Die Klägerin gehört ...

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