Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgruppierung im Einzelhandel - Umgehung des KSchG

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 10 Abs 3 des Manteltarifvertrages Einzelhandel NRW und § 3 des Gehaltstarifvertrages Einzelhandel NRW, wonach sich die Vergütung eines Angestellten der Vergütungsgruppe IV spätestens mit Ablauf des Monats ändert, in dem die ihm zugewiesene Mitarbeiterzahl unter acht sinkt, sind mit dem Grundgesetz und höherrangigem Gesetzesrecht vereinbar.

 

Orientierungssatz

Revision wurde eingelegt unter dem Aktenzeichen 4 AZR 724/00.

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 07.11.2001; Aktenzeichen 4 AZR 724/00)

 

Tenor

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 28.04.2000 - 7 Ca 478/00-5 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, eine tarifvertraglich vorgesehene Rückgruppierung mit entsprechender Gehaltsreduzierung zu akzeptieren.

Der am 16.05.1949 geborene Kläger ist seit dem 06.10.1976 bei der Beklagten, die Einzelhandelsunternehmen betreibt, beschäftigt, und zwar zuletzt als Filialleiter einer Filiale in K..

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unter anderem die Bestimmungen der Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

Der Kläger war bis einschließlich März 1999 gemäß § 3 des Gehaltstarifvertrages (GTV) für das Jahr 1998 in der Vergütungsgruppe IV, Gehaltsstaffel c) eingruppiert, weil er mehr als acht Mitarbeitern vorgesetzt war. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zu dieser Zeit DM 6.404,-- plus DM 1.601,-- Mehrarbeitspauschale.

Mit Wirkung vom 01.05.1999 stufte die Beklagte ihn in die Gehaltsgruppe IV, Gehaltsgruppe b) ein, da die Mitarbeiterzahl zwischenzeitlich unter acht gesunken war. Die dadurch bedingte Gehaltsdifferenz beträgt insgesamt DM 1.406,-- brutto pro Monat.

Die Beklagte stützte sich bei ihrer Maßnahme zum einen auf die Vorgaben des § 3 GTV, zum anderen auf § 10 Abs. 3 des Manteltarifvertrages (MTV). Dieser lautet:

Bei Ereignissen, die nach den Tarifverträgen eine Veränderung des

Entgelts zur Folge haben und vor dem 15. des Monats eintreten,

wird die Veränderung ab 01. des Monats wirksam; tritt das Ereignis

danach ein, wird die Veränderung mit dem 01. des folgenden Monats

wirksam.

Mit seiner am 07.02.2000 beim Arbeitsgericht Mönchengladbach anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Zahlung der Differenzbeträge für die Zeit von Mai bis Dezember 1999 in Höhe von insgesamt DM 12.654,-- brutto geltend gemacht.

Er hat die Auffassung vertreten, dass § 10 Abs. 3 MTV in Verbindung mit § 3 GTV verfassungs- und gesetzeswidrig sei und dies im Einzelnen wie folgt begründet:

Die Tarifnormen verstießen vor allem gegen § 622 BGB, weil es dem Arbeitgeber ermöglicht werde, ohne Einhaltung von Kündigungsfristen bestehende Arbeitsverhältnisse zu verändern. Auch werde das gesetzliche (Änderungs-)kündigungsschutzgesetz der §§ 1, 2 KSchG unterlaufen, weil es der Beklagten gestattet werde, ohne Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen und ohne Nachprüfung organisatorischer Maßnahmen Änderungen an Arbeitsverhältnissen vorzunehmen, die nur mittels Änderungskündigungen erreichbar wären. Hierdurch werde gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, durch entsprechende Manipulationen die Rückgruppierung von Arbeitnehmern vorzunehmen, die gerichtlich nicht prüfbar sei.

§ 10 Abs. 3 MTV verstoße weiter gegen zwingende Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes, das zugunsten des Klägers, der schwerbehindert ist mit einem Grad der Behinderung von 50 %, anzuwenden sei. Gleiches gelte hinsichtlich der besonderen Schutzvorschriften in § 11 Abs. 9 MTV.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, die Beklagte könne die Rückgruppierung auch schon deshalb nicht vornehmen, weil sie dies in der Vergangenheit trotz entsprechender Prüfungen selbst dann nicht getan hätte, wenn die tariflichen Voraussetzungen zur Rückgruppierung vorgelegen hätten. Dadurch habe der Kläger einen ihn schützenden Vertrauenstatbestand erworben. Schließlich sei die Möglichkeit, ihn zurückzugruppieren, auch verwirkt, weil seine Mitarbeiterzahl schon seit längerem unter die Zahl acht gesunken wäre.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar

verurteilt, an ihn 12.654,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem

sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die vom Kläger herangezogenen Tarifbestimmungen für verfassungs- und gesetzeskonform erachtet.

Die Beklagte hat des Weiteren dargestellt, dass sie die Entwicklung der Mitarbeiterzahl der Filiale K. über einen längeren Zeitraum beobachtet hätte. So habe die Zahl der Mitarbeiter bis August 1997 bei knapp acht gelegen, sei dann bis Februar 1998 auf sieben gesunken und in der Folgezeit bis Mai 1998 wieder auf über acht angestiegen. Nach zwischenzeitlichen Schwankungen habe man ab November 1998 eine eindeutige Tendenz nach unten festgestellt, die im...

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