Leitsatz (redaktionell)

Eine auf krankheitsbedingte und auf entschuldigte Fehlzeiten gestützte Abmahnung ist aus den Personalakten zu entfernen.

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 05.07.1985; Aktenzeichen 3 Ca 515/85)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 05.07.1985 – 3 Ca 515/85 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 06.03.1985 zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Streitwert: unverändert.

 

Tatbestand

Die bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigte Klägerin erhielt ein Schreiben der Beklagten vom 06.03.1985, das folgenden Wortlaut hat:

„Abmahnung

Wir haben uns Ihre Fehltagekarte angesehen. Zu unserem Bedauern mußten wir feststellen, daß bei Ihnen infolge häufiger Fehlzeiten bisher ein regelmäßiger Arbeitseinsatz nicht gegeben war und wir deshalb größte Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung unserer Fertigung haben.

Nachstehend geben wir Ihnen eine Übersicht Ihrer Fehlzeiten.

(Es folgen die Tage, an denen die Klägerin ab 1982 arbeitsunfähig krank war und an denen sie entschuldigt der Arbeit ferngeblieben war.)

Mit dieser Abmahnung machen wir Sie darauf aufmerksam, daß Sie mit einer Kündigung rechnen müssen, falls wir nicht kurzfristig eine Änderung feststellen können.”

Das Schreiben wurde zu den Personalakten genommen.

Mit der am 19.03.1985 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 06.03.1985 zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 05.06.1985 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. In den Gründen, auf die im übrigen verwiesen wird, hat es im Anschluß an eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln (vom 02.11.1983 = DB 1984, 1630) ausgeführt, für das Klagebegehren sei eine Anspruchsgrundlage nicht gegeben. Mit § 83 Abs. 2 BetrVG habe der Gesetzgeber eine abschließende Regelung getroffen, was das Interesse des Arbeitnehmers in Bezug auf seine Personalakte angehe.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Berufung beantragt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

Mit Urteil vom 27.11.1985 – 5 AZR 101/84 – (= DB 1986, 489), mit dem die im Tatbestand zitierte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln abgeändert worden ist, hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach ein Arbeitnehmer einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf hat, daß eine unberechtigte schriftliche Abmahnung vom Arbeitgeber zurückgenommen und aus der Personalakte entfernt wird. Der Anspruch folge aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gem. § 242 BGB in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB. Den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in diesem Urteil, das den Parteien bekannt ist, schließt die Kammer sich an.

Im vorliegenden Fall ist die Abmahnung unberechtigt, weil es an einem Abmahnungstatbestand mangelt. Gegenstand einer Abmahnung kann nämlich nur die (wenn auch möglicherweise subjektiv nicht vorwerfbare) Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten sein (vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; BAG AP Nr. 74 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße; BAG DB 1986, 489; BAG, Beschluß vom 22.10.1985 – 1 ABR 38/83). Wenn ein Arbeitnehmer jedoch infolge Arbeitsunfähigkeit der Arbeit fernbleibt oder wenn der Arbeitgeber die Fehlzeiten als entschuldigt akzeptiert, liegt ein vertragswidriges (rechtswidriges) Verhalten nicht vor. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, es könne ihr nicht verwehrt werden, statt einer krankheitsbedingten Kündigung zunächst das mildere Mittel der Abmahnung zu wählen. Der Arbeitgeber ist zwar nicht gehindert, den Arbeitnehmer davon in Kenntnis zu setzen, daß bei weiteren Fehlzeiten eine Kündigung ausgesprochen werde. Wenn er diese Ankündigung jedoch in die Form einer Abmahnung kleidet, so bringt er damit eine Mißbilligung zum Ausdruck. Eine solche Mißbilligung ist jedoch unangebracht, weil, wie erwähnt, ein vertragswidriges Verhalten nicht in Rede steht. Die mit einer Abmahnung verbundene Warnfunktion gibt im Vorfeld einer krankheitsbedingten Kündigung auch keinen Sinn. Es liegt nicht in der Macht eines Arbeitnehmers, Arbeitsunfähigkeitszeiten zu verhindern. Wenn die Beklagte der Klägerin hingegen zum Vorwurf machen will, sie habe sich in der Vergangenheit trotz nicht ausreichend indizierter Arbeitsunfähigkeit krankschreiben lassen, so muß die Beklagte schon Farbe bekennen.

Der Umstand, daß es vorliegend an einem Abmahnungstatbestand fehlt, bedeutet nicht etwa umgekehrt, daß ein Beseitigungsanspruch nicht besteht. Wie dargelegt, erhebt die Beklagte mit der Abmahnung inzidenter einen Vorwurf gegen die Klägerin. Die Tatsache...

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